Ermordung von Hugo Wey 1979

Am Morgen des 30. Mai 1979 fährt Hugo Wey, der Schweizer Geschäftsträger in San Salvador, von seiner Residenz Richtung Botschaftskanzlei los. Was in der Folge genau geschieht, bleibt unklar: Jedenfalls blockiert ein Auto, das plötzlich aus einer Seitenstrasse auftaucht, den Fahrweg. Bewaffnete Männer haben offenbar die Absicht Wey zu entführen. Rasch legt dieser den Rückwärtsgang ein, um zu fliehen. Gemäss Zeugenberichten geben die Angreifer mindestens drei Schüsse ab. Eine Kugel durchdringt das Autofenster auf der Fahrerseite und trifft den Diplomaten tödlich (dodis.ch/53953).

Fragwürdiges Sicherheitsgefühl

In El Salvador war die Lage seit längerem auf das Höchste angespannt. Arme Landarbeiter protestierten gemeinsam mit Studierenden und Teilen des katholischen Klerus gegen die brutale Repressionspolitik des herrschenden Militärregimes. Im April 1978 – unter Weys Vorgänger – besetzten Campesinos neben der Schweizer Botschaft auch die  Vertretungen Venezuelas, Panamas und Costa Ricas (dodis.ch/48187). Bezüglich politisch motivierter Entführungen sei man als «Bürger der in meinem Residenzland allgemein geachteten demokratischen, neutralen und humanitären Schweiz» versucht, sich «in einer sehr fragwürdigen Sicherheit» zu wiegen, schrieb Wey im Januar 1979 (dodis.ch/51549).

Bedrohte Diplomaten in Lateinamerika

Dass mit Hugo Wey ein Postenchef auf offener Strasse ermordet wurde, steht einzigartig in der Geschichte der Schweizer Aussenpolitik in der Nachkriegszeit. Im Rahmen der Verschärfung der politischen und sozialen Konflikte in weiten Teilen Lateinamerikas in den 1970er Jahren fügt sich die Gewalttat jedoch ein in das Bild einer wachsenden Bedrohungslage für ausländische Diplomaten. Dessen war sich auch Yves-André Berthoud, Botschafter in Guatemala und Weys Vorgesetzter, bewusst. Noch am 30. Mai reist der Diplomat nach Salvador, um die sofortige Liquidation der Botschaft in die Wege zu leiten (dodis.ch/51550). Eine Wiedereröffnung der Vertretung in dem Bürgerkriegsland wollte er so bald nicht ins Auge fassen (dodis.ch/51556).

Besetzung der Botschaft in Guatemala

Botschafter Berthoud war kurz zuvor, im Oktober 1978, selbst Opfer eine Geiselnahme geworden. Rund 70 Studierende sowie Arbeiterinnen und Arbeiter einer Zementfabrik besetzten während drei Tagen das Botschaftsgebäude in Guatemala. Sie wollten auf die prekäre Situation der Beschäftigten in ihrer Firma aufmerksam machen, die sich teilweise in Schweizer Hand befand (dodis.ch/48140). Die Aktion verlief vergleichsweise glimpflich. «Herzlich» gar seien die Beziehungen zu den  Besetzern geworden, schrieb Berthoud nach Bern. Anlässlich seines Geburtstags hätten die Jugendlichen gar eine Theateraufführung improvisiert (dodis.ch/48136).

Pekuniäre Motive für Überfälle

Lateinamerika war auch zuvor ein «heisses Pflaster» für Schweizer Diplomaten, nicht nur aus politischen, sondern auch aus pekuniären Motiven: So wurde bereits 1969 der Honorarkonsul im kolumbianischen Cali angegriffen, sein Sohn sowie der Kanzleisekretär der Botschaft in Bogota, die ihn begleiteten, entführt und gegen Lösegeld freigepresst (dodis.ch/36829). Im Juni 1970 wurde die Schweizer Botschaft in Montevideo Opfer eines bewaffneten Überfalls: die Täter erbeuteten verschiedene Büromaschinen. Im Juni 1971 wurde in Bolivien auch ein Schweizer Geschäftsmann gekidnappt und musste gegen Geld freigekauft werden (dodis.ch/36831).

Der Entführungsfall Bucher als Weckruf

Einen Weckruf markierte im Dezember 1970 die Entführung des Schweizer Botschafters in Rio de Janeiro, Giovanni Enrico Bucher. Dieser wurde von brasilianischen Guerilleros entführt und während 41 Tagen festgehalten (dodis.ch/35840). Im Tausch gegen 70 politische Gefangene, die das brasilianische Militärregime nach Chile abschob, wurde Bucher schliesslich freigelassen (dodis.ch/36001). Die Erfahrungen aus dieser Krisensituation wurden detailliert ausgewertet (dodis.ch/35841). Das Politische Departement erliess in der Folge verschiedene Sicherheitsanweisungen zum Schutz der Vertretungen im Ausland (dodis.ch/36815).

Der tragische Fall Wey veranlasste das Departement, «einmal mehr das Problem der Sicherheit unserer Mitarbeiter im Ausland zu revidieren» (dodis.ch/51555).