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100 Jahre Zollvertrag mit Liechtenstein

Vor genau 100 Jahren besiegelte der kleinste Nachbarstaat der Schweiz sein Schicksal: Eingeklemmt zwischen der Eidgenossenschaft und Österreich wandte sich das Fürstentum Liechtenstein ersterer zu und unterzeichnete am 29. März 1923 den Zollanschlussvertrag mit der Schweiz. «Dieser legte den Grundstein zu den engen Beziehungen, welche die beiden Staaten bis heute pflegen», sagt Sacha Zala, Direktor der Forschungsstelle Dodis.  Ablösung von Österreich  Seine Wurzeln hat der Vertrag im Zerfall Österreich-Ungarns bei Ende des Ersten Weltkriegs. Der Niedergang des Habsburgerreichs markierte auch das Ende der Zollunion zwischen der Doppelmonarchie und dem Fürstentum Liechtenstein. Im Zuge einer Neuausrichtung nach Westen teilte Prinz Karl von Liechtenstein der Schweiz bereits im Mai 1919 seine Absicht mit: «Zusehen, dass das Fürstentum mit der Eidgenossenschaft jene Vereinbarungen eingeht, die es bisher mit Österreich verband (Zoll, Post usw.).» Des Weiteren erhoffte er sich in einem ersten Schritt die Akkreditierung eines diplomatischen Gesandten in Bern sowie die Vertretung des Fürstentums durch die Schweiz gegenüber dem Ausland (dodis.ch/44151).   Ein Schweizer als liechtensteinischer Vertreter in Bern?  Prinz Karl schlug ausgerechnet den Berner Emil Beck als liechtensteinischen Geschäftsträger in Bern vor, was die Schweizer Behörden vor die heikle Frage stellte: «Können wir einen diplomatischen Vertreter akzeptieren, der unser Staatsbürger ist?» Präzedenzfälle existierten allerdings bereits, etwa mit Guatemala (dodis.ch/44154). Der Bundesrat beauftragte ausserdem die schweizerischen Gesandtschaften in Rom, Paris, London und Berlin bei den jeweiligen Regierungen zu sondieren, was diese von einer diplomatischen Vertretung Liechtensteins durch die Schweiz hielten (dodis.ch/44323). Im November 1919 lag der Entscheid vor: «Alle Antworten waren positiv» (dodis.ch/44357).  Offene Vorarlberg-Frage  Bei der Ausgestaltung des Zollvertrages zögerte die Schweiz – zumindest solange noch nicht entschieden war, ob sich das benachbarte Vorarlberg der Schweiz anschliessen wollte. «Eine Zollunion mit dem Fürstentum Liechtenstein [ist] nur denkbar, wenn auch das Vorarlberg an die Schweiz angeschlossen würde», schrieb der Schweizer Zolldirektor im Mai 1919 an Bundespräsident Calonder (dodis.ch/44194). Für internationale Beobachter war dagegen klar: «Wenn Vorarlberg Teil der Republik Österreich bleibt, hindert Liechtenstein nichts daran seine vorherige Position beizubehalten. Es bliebe ein souveräner Staat.» Denn falls das Vorarlberg zur Schweiz fallen würde, würde das Fürstentum in eine vergleichbare Abhängigkeit getrieben, wie sie etwa für San Marino gegenüber Italien bestand: «Liechtenstein würde offensichtlich aufhören, irgendwelchen unabhängigen Verkehr mit anderen Staaten zu pflegen.» (dodis.ch/55495) Der schweizerische Gesandte in Wien bewertete die Situation ähnlich: «Wenn das Vorarlberg schweizerisch wird, dann wird es Liechtenstein sicher auch.» (dodis.ch/44167)  «Eine reine Ermessensfrage»  Nachdem sich die Frage um Vorarlberg nach dessen Entscheid für Österreich erübrigt hatte, begannen mit dem neuen Postvertrag zwischen dem Fürstentum und der Schweiz von 1921 die Verhandlungen an Fahrt aufzunehmen. Das Finanz- und Zolldepartement sprach sich in einem Bericht für die Aufnahme von Verhandlungen aus: Die «geographischen Vorbedingungen» seien erfüllt und die «Gleichartigkeit der Bevölkerung […] in Sitten und Gewohnheiten» gegeben (dodis.ch/44700). Der Bundesrat gab sich zwar eher verhalten: Für die Schweiz bringe der Zollanschluss «weder bedeutende Vorteile, noch werde er nennenswerte Nachteile zur Folge haben. Es sei daher eine reine Ermessensfrage, ob die Schweiz dem kleinen Land den Dienst erweisen wolle.» Auf jeden Fall gelte es aber, Jahre nach der ersten liechtensteinischen Anfrage «einmal zu der Frage Stellung zu nehmen» (dodis.ch/44800). Schliesslich konnte am 29. März 1923 der Vertrag zwischen der Schweiz und Liechtenstein zum Zollanschluss dann doch feierlich unterzeichnet werden. (dodis.ch/63042)  Enge Beziehungen auf dem Prüfstand  Die Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein wurden in der Folge immer wieder auf den Prüfstand gestellt. Etwa in der sogenannten «Märzkrise» 1938, als deutsche Truppen Österreich besetzten (dodis.ch/46503), oder hinsichtlich der Tatsache, dass liechtensteinische Erzeugnisse immer wieder als «schweizerisch» bezeichnet wurden (dodis.ch/62590). Um den grenznahen Waffenplatz in St. Luzisteig kam es regelmässig zu Streitigkeiten (dodis.ch/62584) – die irrtümliche schweizerische Beschiessung Liechtensteins führte 1968 gar zu «antiimperialistischen Kundgebungen» in den USA (dodis.ch/36177). Zu politischen Komplikationen führten schliesslich auch die Finanz- und Bankenskandale der 1970er Jahre (dodis.ch/62577) und nicht zuletzt die zunehmende aussenpolitische Emanzipation des Fürstentums: Bereits 1990 trat Liechtenstein der UNO bei (dodis.ch/C1854) und während die Schweiz den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum im Dezember 1992 knapp ablehnte, entschied sich das liechtensteinische Stimmvolk nur wenige Tage später dafür (dodis.ch/C2487).  «Enge nachbarschaftliche Verflechtung»  «Gleichzeitig boten aber genau diese Krisen wiederum die Gelegenheit, das besondere Verhältnis weiter zu vertiefen», betont Sacha Zala. Die «Märzkrise» führte zur Ausdehnung der fremdenpolizeilichen Vorschriften der Schweiz auf Liechtenstein (dodis.ch/47170), 1954 wurde ein Abkommen zur AHV unterzeichnet (dodis.ch/10605), im Bereich des Sports wurde enger zusammengearbeitet (dodis.ch/60472) und 1980 schlossen die beiden Nachbarn einen neuen Währungsvertrag ab (dodis.ch/62564). «Der Zollvertrag von 1923», resümiert Zala, «legte den Grundstein für diese nunmehr hundertjährige, enge nachbarschaftliche Verflechtung.»  
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Botschafter Jolles und Bundesrat Brugger (von links) bei der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit der EWG am 22. Juli 1972, dodis.ch/50546

50 Jahre Freihandelsabkommen mit der EWG

Für die Redaktion der «Weltwoche» war es 1972 «ein Markstein in der Geschichte», der von seiner Bedeutung in einer Reihe stand mit dem Bundesbrief von 1291, der Schlacht von Marignano, dem Westfälischen Frieden, dem Wiener Kongress und der Gründung des Bundesstaats von 1848 (dodis.ch/36211). Was das Zürcher Wochenblatt druckfrisch gleich in die Ruhmeshalle der Schweizergeschichte beförderte, war das Freihandelsabkommen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), das Bundesrat Ernst Brugger vor 50 Jahren, am 22. Juli 1972, für die Schweiz in Brüssel unterzeichnete. Dieses stelle «einen entscheidenden Schritt in unserem traditionellen Bemühen dar, an der Integration unseres Kontinents mitzuarbeiten, soweit wir hierzu unter Wahrung der direkten Demokratie, der parlamentarischen Befugnisse und der neutralen Aussenpolitik in der Lage sind», unterstrich Brugger in seiner Rede (dodis.ch/36209). «Besondere Beziehungen» der EWG zu den «Nicht-Kandidaten» «Als Frankreich 1969 sein Veto gegen eine Mitgliedschaft Grossbritanniens aufgab, war der Weg für eine erste Erweiterung der EWG frei», sagt Sacha Zala, Direktor der Forschungsstelle Dodis. Parallel zu den Beitrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich sowie mit Dänemark, Irland und Norwegen führte Brüssel Verhandlungen «zur Herstellung besonderer Beziehungen» mit den «Nicht-Kandidaten», den EFTA-Staaten Finnland, Island, Österreich, Portugal, Schweden und der Schweiz (dodis.ch/36161). Eine wirtschaftliche Aufsplitterung Westeuropas war zu vermeiden, doch wie weit die Teilhabe dieser Staaten am europäischen Integrationsprojekt gehen sollte, war beim Auftakt der explorativen Gespräche noch offen. Der «Fächer der Lösungsmöglichkeiten mit der EWG» reichte für die Schweizer Verhandlungsführer von einer «beitrittsnahen Lösung» bis zu einem «gewöhnlichen Handelsvertrag» (dodis.ch/36157). Institutionelle Mitwirkung der Schweiz? In seiner Eröffnungserklärung vom November 1970 in Brüssel betonte Bundesrat Brugger den bereits «hohen Grad der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen der Schweiz und der EWG» insbesondere beim Warenaustausch, wo die 75% der schweizerischen Einfuhren und 60% der Exporte «von keinem anderen Drittstaat erreicht» würden (dodis.ch/36161). Bruggers Chef-Unterhändler, der Direktor der Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements Paul Jolles, wusste, dass sowohl die Schweiz wie die Europäische Gemeinschaft (EG) Neuland betraten. «Die Abklärung geeigneter, neuartiger Modalitäten für die Zusammenarbeit erfordert schöpferische Phantasie und entsprechend Zeit», fasste Botschafter Jolles eine Aufgabe in Worten, die auch 50 Jahre später noch einer Lösung harren sollte: «Das schwierigste Problem wird zweifellos die Gestaltung der institutionellen Mitwirkung der Schweiz im Integrationsprozess sein.» (dodis.ch/35774) Die Resultate des Abkommens Eine umfassende institutionelle Lösung kam schliesslich nicht zu Stande. Bundesrat Brugger unterzeichnete am 22. Juli 1972 ein Abkommen, bei welchem «keinerlei Teilnahme an der politischen Integration Europas vorgesehen» war. Dafür befreite das Vertragswerk über 90% der schweizerischen Ausfuhren in die EWG, insbesondere Industrieerzeugnisse, von bestehenden Zöllen und legte Wettbewerbsregeln fest (dodis.ch/36210). Eine Vorbedingung der EWG war die «Regelung des delikaten ‹Swiss made›-Problems» gewesen, das zwei Tage zuvor im Abkommen betreffend die Erzeugnisse der Uhrenindustrie unter Dach und Fach gebracht werden konnte (dodis.ch/35586). Zwar blieb eine «Regelung der Probleme der zweiten Generation (zum Beispiel Währungspolitik, Energiepolitik, Umweltpolitik, Verkehrspolitik)» aussen vor, wie Verhandlungsführer Jolles resümierte. Dennoch konnte mit der EWG erstmals «ein dauerndes Verhältnis mit Konsultationsmöglichkeiten hergestellt werden» (dodis.ch/34608). «Irreversible Entwicklung in Richtung Europa» Die Schweiz hatte in den Verhandlungen intensiv mit dem Argument einer drohenden Ablehnung bei der Volksabstimmung operiert und so Druck auf die EWG aufgebaut. Doch nicht nur, um nach aussen das Gesicht zu wahren, unterstellte der Bundesrat das Freihandelsabkommen schliesslich dem obligatorischen Referendum. «Es wird mit diesem Vertrag auch unsere europäische Zusammenarbeit auf weite Sicht gefestigt», so Wirtschaftsminister Bruggers Plädoyer vor dem Bundesrat, «und wir verbinden uns wirtschaftlich – wenn auch ‹nur› über einen Freihandelsvertrag – doch fest mit einer Gemeinschaft von über 300 Mio. Einwohnern». Von einer Kündigung des Abkommens könne die Schweiz «aus praktischen Gründen wohl kaum je Gebrauch machen». Innenminister Hans-Peter Tschudi doppelte nach, «dass der Vertrag mit der EWG eine Entwicklung unseres Landes in Richtung Europa einleitet, die weitgehend irreversibel ist». (dodis.ch/35778) Volksrechte und Aussenpolitik Die Abstimmung über das Freihandelsabkommen war auch Auftakt für die geplante Ausweitung der Volksrechte im Rahmen einer Neuordnung des Staatsvertragsreferendums. In zunehmendem Masse waren aussenpolitische Beschlüsse auf die Zustimmung des Souveräns angewiesen. Der Bundesrat hatte deshalb bereits bei Verhandlungsbeginn beschlossen, mit einer verstärkten Kommunikationspolitik «bei der breiten Masse ein Klima des Interesses, der Offenheit und des Verständnisses für die grossen Probleme, die das Schicksal unseres Landes betreffen» zu schaffen – «nicht als Propaganda, sondern im Grunde als didaktisches Werk» (dodis.ch/35368). Pikant ist aber in diesem Zusammenhang eine Notiz des für die Beziehungen zu Brüssel massgeblichen Integrationsbüros mit dem Titel «Was man in der Aufklärung des Volkes über das Abkommen Schweiz-EWG nicht sagen soll» (dodis.ch/36230). Schliesslich hiessen Volk und Stände das Freihandelsabkommen am 3. Dezember 1972 mit 72,5% Ja-Stimmen gut. «Seither erhielt die Europapolitik des Bundesrats nie mehr eine derart breite Legitimationsbasis», resümiert Dodis-Direktor Zala. «Eine weitergehende Integration der Schweiz verhinderte das Volk bei der Abstimmung über den EWR-Vertrag im Dezember 1992.»
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Von Links: Die Präsidenten Schuschkewitsch (Belarus), Karimow (Usbekistan) und Nasarbajew (Kasachstan) mit Bundespräsident Felber anlässlich eines Empfangs am 1. Februar 1992 in Davos. Quelle: dodis.ch/60614.

Vor 30 Jahren – Die Auflösung der UdSSR und die Anerkennung der Nachfolgestaaten

Vor genau 30 Jahren, am 23. Dezember 1991 anerkannte die Schweiz als eines der ersten Länder überhaupt die Nachfolgestaaten der Sowjetunion. «Es ist dies nebst der frühen Anerkennung der Volksrepublik China am 17. Januar 1950 eine der wenigen Abweichungen von der üblichen Anerkennungspolitik der Schweiz», führt Sacha Zala, Direktor der Forschungsstelle Diplomatische Dokumente der Schweiz (Dodis), aus. Entlang dem fast schon heiligen Leitsatz «nicht bei den Ersten und nicht unter den Letzten» hielt sich das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in Anerkennungsfragen in der Regel zurück. «Umso erstaunlicher», so Thomas Bürgisser, Redaktionsleiter des bald erscheinenden Bandes der Diplomatischen Dokumente der Schweiz zum Jahr 1991, «dass die Schweiz an jenem 23. Dezember kurzentschlossen handelte und unter den allerersten Staaten war, die die Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepubliken anerkannten». Die UdSSR bestand bis ins Jahr 1991 aus 15 Unionsrepubliken, die de jure weitgehende Souveränitätsrechte besassen, faktisch jedoch der Zentrale in Moskau untergeordnet waren. Auftakt im Baltikum Der Zerfall des Sowjet-Imperiums vollzog sich 1991 in atemberaubender Geschwindigkeit. Den Beginn hatten die baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen gemacht, gegen deren Unabhängigkeitsbestrebungen die Zentralmacht bis zum gescheiterten Augustputsch in Moskau (dodis.ch/C1951) gewaltsam opponierte. Am 28. August konnte Bundespräsident Flavio Cotti die Präsidenten von Estland, Lettland und Litauen über den Beschluss des Bundesrats informieren, «dass die Schweiz volle diplomatische Beziehungen zu den drei unabhängigen baltischen Republiken» aufnehmen wird. (dodis.ch/C2196) Vom 3. bis 6. September 1991 unternahm eine Delegation unter der Leitung von Botschafter Jenö Staehelin, Chef der Politischen Abteilung I im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), eine Reise nach Tallin, Riga und Vilnius, um die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen durch Briefwechsel zu formalisieren (dodis.ch/57645). Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten Der Erosionsprozess des Sowjetimperiums setzte sich ungebremst fort. Am 8. Dezember 1991 gründeten die Präsidenten von Russland, Belarus und der Ukraine im Minsker Abkommen die «Gemeinschaft Unabhängiger Staaten» (GUS). Bei dieser Gelegenheit stellten sie kurzerhand fest, dass die Sowjetunion «als Völkerrechtssubjekt und als geopolitische Realität ihre Existenz hiermit beendet» (dodis.ch/60365). Kurz darauf beriet das EDA über die offizielle Haltung der Schweiz. An der Sitzung «setzte sich die Ansicht durch, dass mit der Anerkennung nicht mehr zugewartet werden sollte, wenn erkennbar ist, dass der Punkt der Unumkehrbarkeit erreicht ist. In diesem Fall wären aber nicht nur die slawischen Republiken, sondern auch die andern, die sich um Anerkennung bemühen, anzuerkennen, jedenfalls soweit eine Anerkennung nicht kontrovers ist.» (dodis.ch/58737) Telefonkonferenz vor Weihnachten Am 21. Dezember schlossen sich fast alle übrigen Republiken der UdSSR in der Erklärung von Alma-Ata (Almaty) der GUS an. Der point of no return schien erreicht. Am Montag dem 23. Dezember beriet um 13:30 Uhr der Bundesrat in einer Telefonkonferenz einen von der Bundeskanzlei am Mittag per Fax übermittelten Antrag des EDA über die völkerrechtliche Anerkennung und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Russischen Föderation sowie den Republiken Ukraine, Belarus, Kasachstan, Moldova, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kirgisistan (dodis.ch/57514). «Es ist wichtig, dass die Schweiz die Kontakte mit den neuen Republiken möglichst rasch aufnimmt», bekräftigte Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz den Antrag von EDA-Vorsteher René Felber (dodis.ch/57766). Nach 15 Minuten Beratung fällte der Bundesrat mit dem Entscheid Nr. 2518 den letzten Beschluss des Jahres. Dankbarkeit für die frühe Anerkennung Noch an demselben Abend notifizierte das EDA per Telex über die schweizerische Botschaft in Moskau den Präsidenten Ter-Petrosjan, Mutalibow, Schuschkewitsch, Nasarbajew, Akajew, Snegur, Jelzin, Nabijew,  Nijasow, Krawtschuk und Karimow die Anerkennung (dodis.ch/C1950). Mit der Notifizierung der Anerkennung Georgiens, das der GUS nicht beigetreten war und wo die innenpolitische Lage verworren schien, wartete der Bundesrat «aus praktischen Gründen» noch zu. Die frühe Anerkennung sollte sich auszahlen: «Lors de mes voyages dans les républiques successeurs de l’URSS», schrieb der Schweizer Botschafter in Moskau, Jean-Pierre Ritter, «je suis frappé à chaque fois de la satisfaction et même de la gratitude qui nous sont témoignées pour avoir été les premiers en Europe occidentale à notifier notre reconnaissance des nouvelles indépendances et les premiers aussi à nous montrer sur place pour formaliser l’établissement des relations» (dodis.ch/59825). Aufnahme diplomatischer Beziehungen   Die Kontinuität der Beziehungen zur Russischen Föderation als Rechtsnachfolgerin der UdSSR wurde bereits im Januar 1992 in einem schlichten Notenwechsel zwischen Moskau und Bern festgehalten (dodis.ch/61322 und dodis.ch/61319). Daraufhin reiste zuerst Botschafter Ritter als Sonderbeauftragter nach Erewan und Baku, um mit Armenien und Aserbaidschan diplomatische Beziehungen aufzunehmen (dodis.ch/61278 und dodis.ch/61241). Anfang Februar entsandte die Zentrale in Bern in Spezialmission Botschafter Johann Bucher, Direktor der Direktion für Verwaltungsangelegenheiten und Aussendienst, nach Kiew und Minsk zur Formalisierung der Beziehungen mit der Ukraine und mit Weissrussland (dodis.ch/60848). Im Juni reiste wiederum Botschafter Ritter nach Alma-Ata zur Etablierung der Beziehungen zu Kasachstan (dodis.ch/60853). Am 23. März 1992 hatte Bern auch die Anerkennung Georgiens, das wie die drei baltischen Republiken der GUS nicht beitrat, notifiziert (dodis.ch/61323). Ebenfalls im Juni besuchte deshalb Botschafter Ritter auch Tiflis, wo er die Beziehungen etablierte und dem neuen Präsidenten Eduard Schewardnadse sein Beglaubigungsschreiben überreichte (dodis.ch/61191). Im Juli waren schliesslich Aschgabat (Turkmenistan) und Taschkent (Usbekistan) an der Reihe (dodis.ch/61106). Präsidiale Kontakte   Die Teilnahme hochrangiger Delegationen aus den GUS-Staaten am World Economic Forum (WEF) in Davos bot Aussenminister Felber, 1992 Bundespräsident, Anfang Februar die Gelegenheit zu Treffen mit den Präsidenten Ter-Petrosian (Armenien), Mutalibow (Aserbaidschan), Schuschkewitsch (Belarus), Nasarbajew (Kasachstan), Snegur (Moldawien) und Karimow (Usbekistan) sowie zu einem vertieften Austausch mit dem ukrainischen Präsidenten Leonid Krawtschuk (Ukraine). Anlässlich eines kurzfristig anberaumten Besuchs von Präsident Askar Akajew bei Bundespräsident Felber in Bern wurde ebenfalls im Februar die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Kirgisistan beschlossen (dodis.ch/60852). Auch mit dem moldawischen Präsidenten Mircea Snegur tauschte Felber am 2. September 1992 in Bern Schreiben über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen aus (dodis.ch/61317). Verschiedene Missionen und Misstöne Die Kontaktnahme mit den sowjetischen Nachfolgestaaten verlief über verschiedene Kanäle. Im April und Juli besuchten etwa hochrangige Delegationen der Eidgenössischen Finanzverwaltung die GUS-Staaten. Im Hinblick auf die Verabschiedung der Zusatzbotschaft des Bundesrats über die Weiterführung der verstärkten Zusammenarbeit mit ost- und mitteleuropäischen Staaten (dodis.ch/59002), die eine Ausdehnung der Entwicklungskredite auf die GUS vorsah, beorderte das EDA im August und September zwei Missionen in alle zentralasiatischen und transkaukasischen Republiken. Erstere wurde abermals von Botschafter Staehelin, zweitere von dessen Stellvertreter Daniel Woker geleitet. Den Delegationen gehörten auch Vertreter des Bundesamts für Aussenwirtschaft an (dodis.ch/61252 und dodis.ch/61250). Die Koordination zwischen den verschiedenen Missionen war nicht immer einfach und führte auch zu Misstönen und Kompetenzgerangel (dodis.ch/58143, dodis.ch/60836 und dodis.ch/60846). «Helvetistan» und Heidi Tagliavini «Das rege Interesse der Schweizer Behörden öffnet die Perspektive hin zu zwei Entwicklungen», so Dodis-Historiker Thomas Bürgisser: Einerseits wollte die Schweiz sich nach dem Beitritt zu den Bretton-Woods-Institutionen einen Sitz im Exekutivrat von Weltbank und Währungsfonds sichern und musste zu diesem Zweck eine eigene Stimmrechtsgruppe gründen. Turkmenistan, Kirgisistan, Usbekistan und Aserbaidschan konnten zusammen mit Polen für dieses Projekt gewonnen werden, später schlossen sich auch Kasachstan und Tadschikistan der sogenannten «Helvetistan-Gruppe» an. «Durch ihr Engagement in Zentralasien konnte sich die Schweiz Einfluss in diesen internationalen Finanzorganisationen sichern», so Bürgisser. Bemerkenswert ist auch, dass Botschafter Ritter auf seinen Reisen jeweils von seiner Mitarbeiterin begleitet wurde, die fliessend Russisch sprach. Heidi Tagliavini hiess die junge Diplomatin, die später immer wieder heikle Missionen in Konfliktregionen unternahm, etwa 1995 mit der Assistenzgruppe der OSZE in Tschetschenien, als Sonderbeauftragte der EU zur Erforschung der Ursachen des Kriegs zwischen Russland und Georgien 2008 oder als Ukraine-Beauftragte der OSZE 2014.
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Demonstration gegen Bischof Wolfgang Haas am 17. Juni 1990 in Chur. (Keystone-SDA, Keystone, 477127 (RM))

30 Jahre Beziehungen zum Vatikan

«Im Sinne einer Optimierung der schweizerischen Interessenvertretung gegenüber dem Vatikan schlagen wir Ihnen vor, befristet bis 1992 einen Botschafter in Sondermission beim Heiligen Stuhl zu ernennen und dem Chef der Politischen Abteilung I den Titel eines Sonderbotschafters zu übertragen» (dodis.ch/57567). «Dieser einfach formulierte Antrag des EDA, welchem der Bundesrat vor genau 30 Jahren, am 30. Oktober 1991, zustimmte, markiert eine durchaus epochale Veränderung in den diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Vatikan», sagt der Direktor der Forschungsstelle Dodis, Sacha Zala. «Zum ersten Mal ernannte die Schweiz einen diplomatischen Vertreter gegenüber dem Heiligen Stuhl.» Vorangegangen war diesem Schritt eine lange und zeitweise belastete Beziehungsgeschichte. Vom Vorreiter zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen Bereits 1586 wurde in Luzern die ständige Nuntiatur, die diplomatische Vertretung des Vatikans, errichtet. Damit war der apostolische Nuntius – nach dem französischen Ambassador, der bereits seit 1522 in Solothurn residierte – der zweite diplomatische Vertreter überhaupt in der Schweiz. Ausser dem fünfjährigen Unterbruch während der Helvetischen Republik blieb diese Form der diplomatischen Beziehungen in ihren Grundzügen konsistent. Doch als im Zuge des Kulturkampfes der apostolische Vikar von Genf ausgewiesen wurde und Papst Pius IX. die Schweiz in seiner Enzyklika vom November 1873 scharf kritisierte, sah der Bundesrat ein, dass, nachdem «der Papst in auffälligster Weise gegen die schweizerischen Behörden und ihre Entschliessungen schwere und wiederholte Anklagen ausgesprochen hat, […] eine ständige diplomatische Vertretung des heiligen Stuhles in der Schweiz nutzlos geworden ist.» Er beschloss deshalb im Dezember 1873, die Beziehungen abzubrechen. (dodis.ch/42009)   Die Wiederaufnahme der einseitigen Beziehungen Beinahe ein halbes Jahrhundert unterhielt die Schweiz keine offiziellen Beziehungen zum Vatikan. Erst mit dem Ersten Weltkrieg fanden sich die neutrale Schweiz und der Kirchenstaat in humanitären Fragen zusammen. Mit der aus dieser Interessenkonvergenz resultierenden Zusammenarbeit bei der Internierung kranker und verwundeter Kriegsgefangener (dodis.ch/43395), näherten sich die beiden Parteien auch politisch wieder an. So beschloss der Bundesrat im Juni 1920 die diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen, jedoch unter der «ausdrücklichen Bedingung, dass die Schweiz, da sie in der Vergangenheit keine Reziprozität praktiziert habe, diese auch in Zukunft nicht praktizieren könne» (dodis.ch/44597 und dodis.ch/44567). Ausserdem mahnte der Bundesrat den päpstlichen Gesandten, «dass er ein etwas schwieriges Terrain betrete und gut tun werde, keine Politik des Eingreifens in unsere innern Angelegenheiten zu treiben und durch grosse Zurückhaltung alles zu vermeiden, was zu Misshelligkeiten zwischen Katholiken und Protestanten oder unter den Katholiken selbst Anlass geben könnte» (dodis.ch/44598). Eine Annäherung an zweiseitige Beziehungen Der Vatikan ist also seit 1920 wieder mit einem apostolischen Nuntius in der Schweiz offiziell vertreten. An der Einseitigkeit in den Beziehungen wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg streng festgehalten aus Angst «in einigen Gebieten unseres Landes konfessionelle Kämpfe zu provozieren» (dodis.ch/6680 und dodis.ch/6681). Erst 1963 zeichnete sich ein Meinungsumschwung ab (dodis.ch/18831). Für die Landesregierung war jedoch eine Totalrevision der Bundesverfassung und damit einhergehend die Beseitigung der konfessionellen Ausnahmeartikel (Jesuitenverbot) prioritär, weshalb bis zur Akkreditierung eines diplomatischen Vertreters beim Heiligen Stuhl «noch geraume Zeit vergehen wird», wie Bundesrat Willy Spühler 1968 vor der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats versicherte (dodis.ch/32151). Normalisierung der Beziehungen Spühlers Prognose erwies sich als richtig. Es sollte in der Tat bis 1987 dauern, bis der Bundesrat zum ersten Mal als Gremium eine «etappenweise Normalisierung» der Beziehungen in Erwägung zog (dodis.ch/57616). Dabei gab bereits die Begrifflichkeit Anlass zu Unstimmigkeiten. So beschwerte sich der Nuntius 1988 darüber, «dass immer wieder von der ‹Normalisierung› der Beziehungen gesprochen wird», dabei bestünden durchaus «normale diplomatische Beziehungen, die allerdings durch die Errichtung einer schweizerischen Botschaft ‹perfektionniert› werden könnten» (dodis.ch/58648). Dies hinderte den Nuntius jedoch nicht daran, zwei Jahre später den einseitigen Charakter der Beziehungen als «absurd und überholt» zu bezeichnen (dodis.ch/58647). Der entscheidende Schub löste schliesslich anfangs der 1990er Jahre die «Affäre Haas» aus. Die Zwistigkeiten um die Ernennung des umstrittenen erzkonservativen Wolfgang Haas zum Bischof von Chur zeigte deutlich die Folgen auf, wenn «die schweizerische Wirklichkeit nur in der Perzeption des Nuntius nach Rom gemeldet wird» (dodis.ch/57567). Das EDA prüfte eingehend verschiedene Varianten (dodis.ch/56234) und unterbreitete schliesslich dem Bundesrat den Antrag, einen seiner Chefbeamten, den Reformierten Jenö Staehelin, zum befristeten Botschafter in Sondermission zu ernennen (dodis.ch/57567). Im Jahr 2004 beschloss der Bundesrat eine Anpassung, indem neu ein Schweizer Botschafter im Ausland bei der Kurie seitenakkreditiert wurde und am 1. Oktober 2021 – knapp 31 Jahre nach der erstmaligen Ernennung eines Botschafters in Sondermission – beschloss der Bundesrat die Errichtung einer Schweizer Botschaft beim Heiligen Stuhl. «Die historische Belastung aus dem Konflikt zwischen liberalem Bundesstaat und Ultramontanismus wirkt insofern nach, als dass die diplomatischen Beziehungen bis heute nicht unumstritten und von steter Vorsicht geprägt sind», resümiert Dodis-Direktor Sacha Zala. 
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Rund 1200 geladene Gäste aus dem In- und Ausland fanden sich am 7. September 1991 zum «Europatag» in Sils ein. Reden und Festakt fanden im Botta-Zelt, der «visuellen Klammer» der 700-Jahrfeier, statt. (dodis.ch/60332)

700-Jahrfeier der Eidgenossenschaft – die internationale Dimension

1291 bis 1991 – 700 Jahre Eidgenossenschaft – ein Grund zum Feiern. Das sagte sich die Schweiz in den ausgehenden 1980er Jahren. «CH91» hiess das gigantische Jubiläumsprojekt, das im Zusammenspiel mit einer Landesausstellung rund um den Vierwaldstättersee stattfinden sollte – und 1987 am Innerschweizer Stimmvolk grandios scheiterte. Das neue, dezentralere Konzept unter dem Motto «Begegnungen 1991» und der Gesamtleitung des Delegierten des Bundesrats, Marco Solari, sollte dem Gigantismus des ersten Vorschlags entgegenwirken und der weltoffenen Dimension der Schweiz Platz einräumen (dodis.ch/59889). Nebst dem «Fest der Eidgenossenschaft» und dem «Fest der vier Kulturen» sollte das «Fest der Solidarität» verdeutlichen, dass sich die «Schweiz als Teil der Völkergemeinschaft versteht und auch gewillt ist, zur Gestaltung dieser weltweiten Gemeinschaft beizutragen» (dodis.ch/57786).  Tag der internationalen Beziehungen  Der Startschuss für die internationale Dimension der Jubiläumstrilogie verkörperte der «Tag der internationalen Beziehungen» am 14. Juni 1991 (dodis.ch/C1922). Mit UNO-Generalsekretär, Javier Pérez de Cuéllar, der Generalsekretärin des Europarats, Catherine Lalumière und EFTA-Generalsekretär Georg Reisch sowie den Aussenministern der Nachbarstaaten empfing der Gesamtbundesrat illustre Gäste zu politischen Gesprächen im Landgut Lohn (dodis.ch/57698). Am anschliessenden Festakt im Bundeshaus schlossen sich ihnen weitere geladene Gäste aus dem In- und Ausland an. Zu den wohlwollenden Rednern gehörte der UNO-Generalsekretär, der von den drei «Wundern» der Schweiz sprach: Sie sei geeint und doch vielseitig, auf ihre Unabhängigkeit bedacht und gleichzeitig weltoffen und schliesslich arm an natürlichen Ressourcen und trotzdem reich (dodis.ch/59057).  Die Welt trifft Graubünden  Weniger offiziell, dafür umso bunter wurde es im Sommer in Graubünden, dem Gastgeberkanton des Herzstücks des Solidaritätsfests. Ganz im Zeichen der aussereuropäischen Länder stand das Internationale Fest, das durch zahlreiche Kurse, Konzerte, Austauschprojekte, Workshops und einem grossen Volksfest in Chur persönliche Begegnungen mit Menschen aus aller Welt ermöglichte. Während letzteres als voller Erfolg verbucht wurde, blieb der Widerhall des Symposiums «Wem gehört die Welt?», das dem Nord-Süd-Dialog gewidmet war, etwas unter den Erwartungen (dodis.ch/59059). Der ursprünglich angedachte Ehrengast aus Simbabwe, Robert Mugabe, lehnte die Einladung aufgrund anderer Verpflichtungen ab (dodis.ch/57946). «Treuzeugnis an Europa»  Die «Europäischen Begegnungen» im Engadin entsprachen schliesslich dem bundesrätlichen Wunsch, die Beziehungen zwischen der Schweiz und Europa in der entscheidenden Phase der Verhandlungen mit der EG über den EWR-Vertrag besonders zu unterstreichen (dodis.ch/57786) und boten die Gelegenheit, durch den Blick über die Landesgrenzen hinweg zur Schaffung des neuen Europas beizutragen (dodis.ch/57787). Insbesondere sollte auch die junge Generation in den Dialog miteinbezogen werden: Im Rahmen der Begegnungswoche «Spiert Aviert» (Rätoromanisch für «Offener Geist») tauschten sich Jugendliche aus ganz Europa zur europäischen Zukunft aus, Gedanken, die auch am offiziellen Festakt Ende Woche Gehör fanden.  Der Europatag am 7. September in Sils-Maria entwickelte sich zu einem der zentralen Anlässe der gesamten 700-Jahrfeier (dodis.ch/C1921) und wollte sich als «Treuzeugnis der Schweiz» an Europa verstanden wissen, wie im Schlussbericht an den Bundesrat nochmals proklamiert wurde (dodis.ch/59883). Mit Elisabeth Guigou, Mario Monti und Carl Friedrich von Weizäcker sprachen drei namhafte Persönlichkeiten über ihre Zukunftsvision für Europa, und Bundespräsident Flavio Cotti offenbarte sich in einer visionären Rede als überzeugter Europäer (dodis.ch/57668). Der Auftritt von Bronislavas Kuzmickas, Vizepräsident des litauischen Staatsrates, stand sinnbildlich für die neuen Verbindungen in den Osten des Kontinents. Damit liess sich der Europatag als schöner Erfolg verbuchen, der lediglich durch die «Stauungen auf dem Weg ins Festzelt» – verursacht durch den zahlreich erschienen europäischen Adel – getrübt werden konnte (dodis.ch/57683).  Mit Klischeevorstellungen ausräumen  Mit Festlichkeiten wie diesen sowie zahlreichen Veranstaltungen der Schweizer Botschaften und lokalen Schweizervereine fand die 700-Jahrfeier auch im Ausland Beachtung (dodis.ch/55757). Nicht zuletzt sorgte die «wohl umfangreichste je organisierte Informationskampagne der Schweiz im Ausland» für internationale Aufmerksamkeit. Pressemitteilungen, Logos und Fotos wurden produziert, Medienkonferenzen veranstaltet und Einladungen verschickt, um «bei einem breiten, weltweiten Publikum ein totales, zukunftsgerichtetes Bild der Schweiz bekannt zu machen» (dodis.ch/58068). Falsche Klischeevorstellungen sollten ausgeräumt und die Schweiz als dynamisch, offen und selbstkritisch präsentiert werden – ein Anspruch dem nicht immer entsprochen werden konnte. So seien die Informationen zur schweizerischen Entwicklungshilfe allzu selektiv, kritisch und verzerrend, beklagte der Schweizer Botschafter in Nigeria (dodis.ch/58044). «Entwicklung braucht Entschuldung»  Mit der von Hilfswerken lancierten Petition «Entwicklung braucht Entschuldung» fand die technische Zusammenarbeit prominenten Eingang ins Jubiläumsjahr, das als Anlass genommen wurde, «verstärkte und erneuerte Solidarität auch gegenüber den schwächeren Gliedern der internationalen Gemeinschaft zu beweisen» (dodis.ch/56084). Ein Rahmenkredit von symbolträchtigen 700 Millionen Franken wurde gesprochen, zum einen zur Finanzierung von Entschuldungsmassnahmen zugunsten ärmerer Entwicklungsländer und zum anderen für die Finanzierung von Umweltprogrammen und -projekten globaler Bedeutung.  Gleichzeitig erfüllten unzählige weitere Veranstaltungen, Ausstellungen, Projekte, dezentrale Feste und Feiern im Zeichen des 700-Jahrjubiläums das Jahr 1991: Junge Menschen aus aller Welt tanzen auf Einladung des Kantons Zürichs an der Welt-Jugendparty (dodis.ch/57568), die «fünfte Schweiz» weihte den neu erstandenen Auslandschweizerplatz in Brunnen ein und im Bundeshaus diskutierten Jugendliche im Rahmen der ersten Jugendsession über die Schweizer Aussenpolitik (dodis.ch/58000).  Nachdenkliches Jubiläum  So zog das Büro des Delegierten des Bundesrates Ende 1991 denn auch eine positive Bilanz über das Jubiläumsjahr: «A tous niveaux, les célébrations du 700ème ont largement contribué à abattre les fronts et à réduire les antagonismes.» (dodis.ch/59883) Unbestritten blieben aber auch die Startschwierigkeiten des Jubiläumsprojekts, der Schock in der Öffentlichkeit rund um die 1989 aufgedeckte Fichenaffäre, die Empörung über den als scheinheilig empfundenen Aufruf an die Kulturschaffenden der Schweiz, sich kreativ an der Feier zu beteiligen und der damit verbundene Kulturboykott. Auch die Projektgruppe des Internationalen Festes war von dieser kritischen Welle betroffen, hielt aber am Projekt fest: Damit das Fest keine Jubelfeier werde, sondern «Anstoss, über die Rolle der Schweiz in der Welt nachzudenken» (dodis.ch/59063). 
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RTR Cuntrasts: 1923 sajetta Moritz Conradi a Losanna in diplomat sovietic d’aut rang. Il Russ-Svizzer cun ragischs grischunas vesa sa sez sco il nov Gugliem Tell che vul deliberar la carstgaunadad dal communissem.

L’«affera Conradi»: L’assassin grischun e la revoluziun

Avant 40 onns ha el purschì materia per in film da kino russ «emplenì cun clischés sovietics» (dodis.ch/49291). L’onn 1977 s’interessavan era cineasts en Svizra per «il tema anc adina pulit brisant» (dodis.ch/49292): I sa tracta da l’assassinat dal diplomat sovietic Wazlaw Worowski tras Moritz Conradi, in Svizzer en Russia, l’onn 1923 a Losanna. In mazzament cun consequenzas extendidas.Film documentar da Helen Stehli-Pfister Uss ha Helen Stehli-Pfister realisà per RTR in film documentar davart quest mument central da las relaziuns svizras-sovieticas en il temp tranter las guerras. Da la partida sco expert è Sacha Zala, directur dal post da perscrutaziun Documents Diplomatics da la Svizra. A chaschun da la premiera dal film ils 5 da mars 2017 ha il DDS arranschà in e-Dossier cuntegnend documents istorics exclusivs ord la banca da datas online Dodis davart l’«affera Conradi».In mazzament a LosannaIgl è il confess d’in assassin: «Forsa vegnan pir noss vegnintsuenter a chapir mia acziun ed esser engraziaivels ch’jau hai cumbattì sco emprim cunter questa banda da delinquents internaziunala», ha Moritz Conradi dà per protocol a la polizia da Losanna. Ils 10 da matg 1923 aveva el schluppettà en l’Hotel Cécil davant perditgas il diplomat sovietic Wazlaw Worowski. Suenter il murdraretsch ha el sa laschà arrestar senza resistenza. El aveva agì ord persvasiun: «Tranter tals ch’èn sa participads al declin da la Russia ed indirectamain a quel da l’entira umanitad, na dati nagins innocents» (dodis.ch/48619).  Svizzer en Russia ed anti-bolschevist ardent  Ils Conradis, emigrads en la mesadad dal 19avel tschientaner dal Grischun, manavan a St. Petersburg, da lezza giada chapitala da la Russia zaristica, ina pastizaria flurinta. Suenter la Revoluziun d’october l’onn 1917 èn lur bains vegnids expropriads; il bab e l’aug da Moritz assassinads dals Bolschevichi. Durant la guerra burgaisa russa ha Conradi cumbattì sco uffizier da «l’Armada Alva» cunter ils «Cotschens». Suenter la sconfitta da las forzas cunterrevoluziunaras è el scappà via la Tirchia enavos en sia veglia patria. Qua è el vegnì en contact cun emigrants russ. Quests han probablamain intimà l’anti-bolschevist ardent al mazzament. «Crim dad ina persuna privata ad autras persunas privatas»?  Il di suenter l’assassinat è sa radunà il Cussegl federal a Berna. En in communiqué ha la Regenza federala sentenzià questa «violaziun da la morala e da la lescha» cun «indignaziun». Ulteriur basegn d’agir n’ha il Cussegl federal dentant betg vesì. Giuristicamain sofisticà n’ha la regenza betg taxà l’attentat sco delict politic, mabain sco «crim malign, commess dad ina persuna privata ad autras persunas privatas» (dodis.ch/44914). Il diplomat sovietic Worowski era bain delegà sco observader a la Conferenza da l’Orient ch’aveva lieu a Losanna. Pervia da divergenzas internaziunalas n’era el dentant betg accredità uffizialmain sco participant da la conferenza (dodis.ch/44913).   Decisiv per la sistida da las relaziuns La posiziun dal Cussegl federal vers l’attentat era fitg delicata. Tschun onns avant, il november 1918, aveva la Svizra exilià ina missiun sovietica, perquai ch’i vegniva renfatschà als diplomats bolschevics d’avair fatg «propaganda revoluziunara» ed aschia dad esser conculpaivels a la chauma generala svizra dal 1918 (dodis.ch/43740). Dapi lura era il rapport tranter Berna e Moscau mals (dodis.ch/44885). L’«affera Conradi» è alura stada decisiva per la sistida da las relaziuns da la Svizra cun la Russia sovieta durant plirs decennis. Pir suenter la Segunda Guerra mundiala han las duas regenzas puspè reprendì contacts uffizials. Cumplicitad dal Cussegl federal?  En ina nota diplomatica ha il minister da l’exteriur Georgi Tschitscherin crititgà vehementamain la posiziun dal Cussegl federal concernet il murdraretsch: La «refusaziun illegitima» dad attribuir il status diplomatic a Worowsi, saja stà in «act nunlubì ed ostil» ed haja chaschunà ina «situaziun anormala ed ambigua» che haja provocà attatgas cunter il delegà sovietic. Tuttina n’hajan las autoritads «prendì naginas mesiras preventivas» per impedir in act da violenza cunter el. Perquai portia la regenza svizra ina «responsabladad absolutamain evidenta e gronda», ina cumplicitad a l’assassinat (dodis.ch/44916).  Murdraretsch cunter violenza revoluziunara  Il Cussegl federal ha reagì cun in telegram salà sin las «accusaziuns impertinentas e malvulentas» da Tschitscherin. Il Departement politic federal (DPF, oz DFAE), manà dal anti-communist persvadì Giuseppe Motta, ha refusà tut las renfatschas ed è passà a la cunterattatga. I saja chaussa da la Regenza sovieta da finalmain conceder in’indemnisaziun per «las expropriaziuns ed ils acts da violenza nunditgs» ch’èn vegnì commess durant la revoluziun a millis Svizzers en Russia (dodis.ch/44917). Il process penal cunter Conradi menà fitg emoziunalmain vegn era a suandar questa logica. Acquittament da l‘assassin Las tractativas davant la dretgira da giuraders a Losanna durant il november 1923 eran orientadas pli pauc vers il mazzament effectiv, mabain vers la qualificaziun dal reschim da cussegls en Russia. A moda explicativa è l’act da Conradi vegnì congualà cun il destin tragic da sia famiglia, las suffrientschas dals Svizzers en Russia en general e las unfrendas dals Bolschevichi (dodis.ch/48632 e dodis.ch/48633). Ils giuraders han alura pelvair acquittà l’assassin. Na betg mo en Russia era l’indignaziun gronda. Il Cussegl federal da l’autra vart ha refusà tut las renfatschas cun renviament rigurus al federalissem e la separaziun da las pussanzas (dodis.ch/44953).  Represa da relaziuns per aut pretsch La Russia sovieta ha decretà in scumond d’en- ed extrada per Svizras e Svizzers e declarà in boicot per martganzia svizra. Prest ha Moscau signalisà interess per ina «regulaziun da la situaziun», insistiva dentant «sin ina tscherta satisfacziun en chaussa Worowski» (dodis.ch/44999). Adina puspè è il chass vegnì negozia cun mediaziun internaziunala (dodis.ch/45015 e dodis.ch/45172). L’onn 1927 è vegnì cuntanschì almain ina sligiaziun temporara (dodis.ch/45319). Igl ha dentant cuzzà fin l’onn 1946, fin che Berna – per in aut pretsch politic – ha cuntanschì la represa da relaziuns uffizialas cun la URSS (cf. e-Dossier).  Vus pudais leger quest e-Dossier era per tudestg, franzos, talian ed englais.Per il film: Link RTR.Data d'emissiun:dumengia, ils 05-03-2017, 17:25 sin SRF1mesemna, ils 08-03-2017, 08:35, 09:30 e las 12:50 sin SRF infogievgia, ils 09-03-2017, 11:00 sin SRF infovenderdi, ils 10-03-2017, 13:15 sin RSI LA2sonda, ils 11-03-2017, 14:20 sin RTS 2 e las 17:15 sin SRF1dumengia, ils 12-03-2017, 07:30 sin RSI LA1mardi, ils 14-03-2017, 14:55 sin RTS 2
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