Classement thématique série 1848–1945:
IX. QUESTIONS DE DÉFENSE NATIONALE
IX.1 PROBLÈMES GÉNÉRAUX
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 438
volume linkBern 1994
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E27#1000/721#4169* | |
Old classification | CH-BAR E 27(-)1000/721 700 | |
Dossier title | Unterlagen zu den Sitzungen (1891–1954) | |
File reference archive | 03.E.1.b |
dodis.ch/46698
Le Chef du Service de l’Etat-Major général, J. Labhart, au Département militaire1
I.
1. Am Schluss unserer Eingabe vom 27.4.38 «Vollendung der Grenzbefestigung»2 haben wir in Ziff. V auf die Notwendigkeit der Ergänzung unserer Landesbefestigung, die in den Befestigungen am Gotthard und bei St. Maurice erst in den Anfängen vorhanden ist, kurz hingewiesen und die Aufstellung eines umfassenden Programms in Aussicht gestellt. Die seitherige Entwicklung der militärpolitischen Lage in Europa erfordert zwingend, ungesäumt an die Lösung des Problems heranzutreten und die nötigen Kredite wenigstens für die zuerst auszubauenden Abschnitte zu verlangen.
Die in der Eingabe vom 27.4.38 nur kurz begründete Notwendigkeit der Landesbefestigung und die heute allgemein anerkannten Grundsätze der permanenten Befestigung möchten wir zunächst etwas ausführlicher darlegen.
II. Notwendigkeit der Landesbefestigung
2. Jede in die Verteidigung gedrängte Truppe macht von der Feldbefestigung Gebrauch und vervielfacht dadurch die Abwehrkraft gegenüber einer ungedeckt kämpfenden Truppe. Kann man die Abwehrstellungen voraus wählen, so ist es möglich, die Befestigungen schon im Frieden anzulegen, dann in permanenter Manier, die viel widerstandsfähiger ist, als die Feldbefestigung. Während die Kampfkraft eines Landes im allgemeinen nach oben begrenzt ist durch die Zahl seiner wehrfähigen Mannschaft, lässt sich die Abwehrkraft eines bloss auf Verteidigung bedachten Heeres durch Befestigungen ausserordentlich steigern. Durch permanente Befestigung lässt sich Abwehrenergie gewissermassen schon im Frieden aufspeichern. Die moderne Befestigung mit fast ausschliesslich flankierenden Maschinenwaffen benötigt verhältnismässig wenig Verteidiger, schwächt also die Feldarmee nicht stark; sie schwächt sie jedenfalls längst nicht in dem Masse wie sie ihre Widerstandskraft vermehrt, wenn Feldarmee und Festung gemeinsam kämpfen. Sie drängt sich geradezu auf für eine numerisch schwache Armee und für eine verhältnismässig schlecht ausgebildete Milizarmee insbesondere.
3. Über die gewaltige Bedeutung der permanenten Befestigung für die Verteidigung ist man heute wohl in allen Armeen der gleichen Ansicht. Tatsache ist jedenfalls, dass andere Kleinstaaten in ähnlicher Lage wie wir (Belgien, Holland) bald nach dem Weltkrieg ihre alten Befestigungen modernisierten und neue Anlagen in grosser Ausdehnung und Stärke bauten. Belgien hat für Befestigungen seit dem Krieg etwa 400 Millionen Schweizerfranken aufgewendet. Mittelstaaten (Tschechoslowakei, Rumänien) und sogar Grossmächte (Frankreich), die sich durch Nachbarn mit überlegenem Kriegspotential bedroht fühlten, verstärkten vorsorglich ihre Feldarmeen in riesigem Ausmass durch permanente Befestigung. Wir weisen hier nur auf jene Staaten hin, über deren Befestigungen schon vor der Septemberkrise 1938 einiges bekannt war. Welche Bewertung der Befestigung in Deutschland beigemessen wird, hat die tschechoslowakische Krise gezeigt. Sobald im deutschen Reich der Entschluss gefasst war, sich allfällig gegen Westen mit verhältnismässig schwachen Kräften zu verteidigen, um freie Hand gegen Osten zu erhalten, hat auch dieser Staat mit ungeheuren Anstrengungen seine Defensiv-Front zu befestigen begonnen. Die Befestigungen haben ihren Zweck voll erreicht; es darf mit Sicherheit angenommen werden, dass ihr Vorhandensein einer der ausschlaggebendsten Gründe war, welcher die Westmächte veranlasste, die Zertrümmerung der tschechoslowakischen Republik widerstandslos zuzulassen.
4. Die Franzosen und wahrscheinlich auch die Deutschen halten ihre befestigten Fronten für undurchbrechbar. Dass die beidseitige Befestigung der deutsch-französischen Grenze, die belgischen und holländischen Befestigungen, die gegenseitige Befestigung der französisch-italienischen Alpenfront die Durchmarschgefahr für unser Land ungeheuer gesteigert haben, bedarf keiner weitern Begründung. So gut sich unser Land, auch das Mittelland mit seinen Seen, Flüssen und bergigen bewaldeten Querriegeln zur Verteidigung eignen mag, als unbefestigte Lücke in der sonst von der Nordsee zum Mittelmeer durchlaufenden Festungsfront wird es im heutigen Zustand im Krieg zwischen den Achsenmächten und den Westmächten zum Durchmarsch geradezu reizen. Wir müssen unbedingt, und wenn es nur aus psychologischen Gründen wäre, eine den deutschfranzösischen Befestigungen ebenwertige befestigte Linie ausbauen.
5. Die unter Ziff. V der Eingabe vom 27.4.38 angeführten verschiedenen Vorteile der permanenten Befestigung wollen wir nicht wiederholen.
Den Einbruch der Luftwaffe freilich können Befestigungen nicht verhindern. Wir unterschätzen die grosse materielle und moralische Wirkung der Flieger und demnach die Notwendigkeit ihrer Abwehr in der Front und im Hinterland, in der Luft und vom Boden aus, keineswegs. Aber die Kriegsentscheidung wird heute noch und wahrscheinlich noch für lange am Boden ausgefochten. [...]3
IV.
13. In der Frage, wo wir unsere Landesbefestigung anlegen sollen, stehen die rein militärischen Gesichtpunkte in einem gewissen Gegensatz zu den kriegswirtschaftlichen Erfordernissen und namentlich auch zur psychologischen Seite des Problems. Die letztem verlangen, dass wir unser Land möglichst vollständig, d.h. in der Nähe der Grenzen schützen. Rein militärisch betrachtet dagegen ist es schliesslich gleichgültig, wo wir dem Durchbruch den Riegel «bis hieher und nicht weiter» vorschieben. Die entscheidende Verteidigung mehr im Landesinnern hat unstreitig grössere Erfolgsaussichten, weil wir durch hinhaltende Kämpfe der Vortruppen Zeit gewinnen zur bessern Einrichtung der letzten Abwehrstellung, weil wir durch ausgiebige Zerstörung der Kommunikationen dem Gegner das Heranbringen der schweren Angriffsmittel erschweren. Massgebend ist aber vor allem die Frontlänge der Riegelstellung; wir müssen sie so wählen, dass wir mit unsern Truppen auskommen. Rechnen wir die Vortruppen ab, welche den Gegner verzögern und die Reserven, welche allfällige Durchbrüche im Gegenangriff vereiteln sollen, so können wir mit den verbleibenden ca. 5 Divisionen im Mittelland eine Front von etwa 40 km wirksam decken. Dazu kommt die Territorial-Infanterie.
Die Franzosen und die Belgier wie die Deutschen haben ihre Landesbefestigung an die Grenzen vorgeschoben. Alle drei Staaten haben aber auch dort die kürzesten Fronten und, was entscheidend, sie haben stehende Heere, welche die Befestigungen dauernd besetzen. Für unsere Verhältnisse, d. h. beim Milizsystem, liegt der sicherste Schutz gegen Überrumpelung der unbesetzten Werke in einem gewissen Abstand von den Grenzen.
14. Die Befestigung der Alpendurchgänge im Sinn der Landesbefestigung ist eindeutig gegeben durch St. Maurice, Gotthard-Grimsel und Sargans. Dazwischen liegen keine Durchgänge, die einer Befestigung bedürfen. Die Lötschbergbahn kann zerstört werden. Saum- u. Fusswege bilden keine sofortige Gefahr; sie kommen beim heutigen Bedarf an Munition nur für taktische Unternehmungen, dagegen als Operationslinien nicht in Betracht. Allfällig durchgebrochene kühne Detachemente werden diesseits der Alpen erledigt.
15. Die Stellungen gegen einen deutschen oder französischen Durchbruch oder Durchmarsch müssen naturgemäss einerseits von der deutschfranzösisehen Grenze, also Basel, ausgehen und andererseits an die Barrière St. Maurice-Gotthard-Sargans anschliessen.
Die kürzeste Linie, d.h. das Lot von Basel auf die Barrière St. Maurice-Gotthard-Sargans, ist gegeben durch Basel-Hauenstein-Napf-Brünig-Furka. Es ist wiederholt vorgeschlagen worden, als billigste Lösung diese Linie zweifrontig zu befestigen. Es ist aber nicht möglich, eine Linie zu finden, die auch taktisch nach zwei Fronten befriedigt. Letzten Endes käme man doch auf zwei verschiedene Linien und die Ökonomie wäre kaum vorhanden, höchstens etwa in gemeinsamen Depots etc. Der grosse Nachteil dieser Querriegel-Lösung liegt aber darin, dass uns keine Möglichkeit bleibt, um für beide Eventualitäten, Angriff von Deutschland oder von Frankreich, unserer Kriegsindustrie und Kriegswirtschaft eine geographische Basis zu geben. Wir benötigen eine Raum, in welchem wir unsere Depots und unsere Kriegsindustrie organisieren können ohne Gefahr zu laufen, im einen oder ändern Fall die Hälfte davon preisgeben zu müssen.
16. Die hauptsächlich in Frage kommenden Linien sind:
a. gegen Deutschland:
al. Rheinfront von Sargans bis Basel.
a2. Sargans-Wallensee-Zürichsee-Limmat-Bözberg-Jura-Basel.
a3. Klausen-Vierwaldstättersee-Napfmassiv-Hauenstein-Basel.
b. gegen Frankreich:
bl. Grenzfront Basel-Promenthouse-Genfersee-St.Maurice.
b2. Basel-Birstal-LesRangiers-Doubs-Neuenburgersee-Genfersee-St. Maurice.
b3. Basel-Birstal-Chasseral-Neuenburgersee-Murtensee-Saanen-Pillon-St.Maurice.
b4. Basel-Hauenstein-Napfmassiv-Thun-Jaunpass-Saanenmöser.
17. Die folgenden Frontlängen in km berücksichtigen nicht die kleinen Krümmungen, sondern geben nur eine allgemeine Übersicht:
[...]4
al und bl sind die Linien der Grenzbefestigung.
a3 und b4 scheiden aus, weil der von ihnen eingeschlossene Raum zu klein, wirtschaftlich und industriell zu unbedeutend ist.
Der Vorteil von b3 über b2 steht nicht im Verhältnis zum durch b3 preisgegebenen Gebiet. Man kann sich daher ohne Zaudern für a2 und b2 entscheiden als den Linien, auf welchen die Anlage der Landesbefestigung näher zu untersuchen ist; der Raum St. Maurice-Gotthard-Sargans-Zürich-Brugg-Basel-Neuenburg-Yverdon-Lausanne-St.Maurice wäre so nach allen Richtungen gesichert, wobei allerdings Zürich, Basel, Lausanne in die Peripherie zu liegen kommen und wirtschaftlich nicht mehr mitzählen. [...]5
VIII. Landesbefestigung
A. Südfront
40. Die Festungen von St. Maurice und am Gotthard liegen am richtigen Ort und sind nach Durchführung der bewilligten Neubewaffnung ihren Aufgaben gewachsen, mit einer nachher zu erwähnenden Ausnahme. Nicht nach den neuesten Erfahrungen erbaut, benötigen sie starke Garnisonen. Gewisse Verbesserungen sind schrittweise noch auszuführen.
41. Ungenügend gesichert scheint uns die Grimselstrasse. Das gänzlich veraltete Fort Furka erfüllt den Zweck nicht. Die neuen Türme auf Gotthard-Hospiz können nicht gleichzeitig nach allen Richtungen wirken; auch liegt die Grimsel nahe den Grenzen ihrer Tragweite. Die Grimsel könnte neben lokalen Sperren durch mobile Artillerie aus dem Urserental gesperrt werden. Das Urserental bietet aber keine Fliegerdeckung und mobile Artillerie ist daselbst der schweren feindlichen Artillerie im Formazzatal und eventuell im Goms sowie direktem Fliegerangriff ausgesetzt; sie kann möglicherweise ihre Aufgabe nicht erfüllen. Wir beantragen den Bau von 2 weitern 10,5 cm Türmen E dem Furka-Pass: Fr. 4000000.–.
Die Gotthard-Ost-Front mit Fort Stöckli ist an sich zwar nicht besser gestellt; aber vor ihr liegen die befestigten Abschnitte des Südtessin und von Graubünden. Die Gotthard-West-Front mit Grimsel dagegen hat weniger Vorland. Zwischen Simplon und Griespass führen mehrere Übergänge ins Goms und der Simplon kann nach wenigen Wochen fallen, wenn er nicht bei verspäteter Mobilmachung schon bei Eröffnung des Krieges durch Flandstreich weggenommen wird. Daher die sicher nicht unberechtigte Sorge um die Grimsel.
B. Nordfront
42. Ähnlich wie Tête Noire und unteres Rhonetal die nächstliegende Umgehung der französisch-italienischen, das Engadin die nächstliegende Umgehung der deutsch-italienischen Grenze darbieten, ermöglicht unser Vorland nördlich vom Jura mit Basel die naheliegendste Umfassung der deutsch-französischen Rheinfront. Weil aber eine Truppe, welche die französische Rheinverteidigung von Basel her aufzurollen versucht, ihrerseits wieder von Beifort her in der Flanke bedroht wird, ist nicht anzunehmen, dass Deutschland eines so geringen Vorteils wegen die schweizerische Neutralität verletzt. Eine Operation einer grossen deutschen Armee-Abteilung von Basel aus durch den Jura in SW Richtung ist der spärlichen Kommunikationen wegen und mit der intakten Schweizer Armee in Flanke und Rücken ebensowenig denkbar. Ein deutscher Durchbruch durch die Schweiz muss somit mit der Hauptkraft durch das Mittelland gehen, trotz des Nachteils, dass er später den Jura unter ungünstigen Bedingungen doch angreifen muss. Der Einfall in Frankreich vom Mittelland aus ist praktisch nur möglich nach Vernichtung unserer Armee. Wahrscheinlich ist eine Kombination beider Stossrichtungen nördlich und südlich vom Jura. Für den Einbruch ins Mittelland fallen in Betracht das Glattal, die Strassen Siglistorf-Baden, das untere Aaretal und das Fricktal.
43. Das Glattal bietet die geringsten Geländeschwierigkeiten. Das unterste Aaretal ist der direkte Anschluss an das Wutachtal (Bahn und Strassen). Durch das Fricktal ist der Jura noch schmal und die Höhen von Bözberg-Staffelegg bilden eine Drehscheibe, von welcher aus weittragende Artillerie fast den ganzen Kanton Aargau beherrscht; sie führen jedenfalls den Einbrecher schon hinter das Seetal. Limmat und Aare einmal überschritten, ist Fortsetzung des Angriffs in Längsrichtung des Reuss- und Seetals gegen Luzern verhältnismässig leicht. Der Einbruch aus der Front Säckingen-Eglisau vermeidet den Aufenthalt in der Ostschweiz und schneidet unsere dortigen Truppen vom Rest der Armee praktisch ab. Für nachhaltige Verteidigung der NE Schweiz dort belassene Truppen fehlen uns in der Entscheidungsschlacht. Nachhaltige Verteidigung der NE Schweiz und Bau von Werken der Landesbefestigung daselbst ist somit nicht angezeigt.
44. Die Armeestellungen, welche durch Landesbefestigung zu stützen sind, wählten wir auf der Linie a 2 nach Ziff. 17.
45. Über Sargansist das Nötige schon Seite 5/7 unserer Eingabe vom 27.4.38 gesagt; die Kredite sind im 91-Millionen-Programm und in der Ergänzung von Fr. 23 000000.– enthalten.
46. Die Lücke zwischen Wallensee und Zürichsee kann geschlossen werden durch einen Brückenkopf Amdener Höhe-Ricken-Bachtel-Pfannenstiel oder aber durch Verteidigung am Linthkanal. Der Brückenkopf ist viel zu ausgedehnt, benötigt zu viel Truppen (3 Div.) und kommt für permanente Befestigung nicht in Betracht. Die Verteidigung am Linthkanal mit Sperre des Rapperswiler Dammes ist dagegen einfach fortifikatorisch zu verstärken und braucht nicht viel Truppen, setzt aber zur Aufrechterhaltung des Verkehrs mit Sargans den Bau der Prageistrasse und ihre Offenhaltung im Winter voraus. Wir nehmen an, dass diese Bedingung in absehbarer Zeit erfüllt wird.
Zur Verteidigung am Linthkanal brauchen wir ein kleineres Fort am Hinterhang des Benkenerbüchels mit zwei als Traditoren6 wirkenden Kasemattbatterien, je eine Kasematte mit 2 7,5 cm Bttrn. bei Ziegelbrücke und am Buchberg, sowie einige Mg.-Stände am Kanal selbst: Fr. 7000000.–.
47. Den Abschnitt Zürichsee-Aaretal (inkl.) haben wir im Laufe dieses Sommers durch 2 Ing. Of. Kurse bearbeiten lassen. Die Akten sind nur in einem Exemplar vorhanden und können der L. V.K. und Befestigungskommission in den Sitzungen vorgelegt und erläutert werden. Es sind 2 Stellungen studiert worden. Eine vordere mit Einschluss der Lägern hätte den gewaltigen Voteil, deren vorzügliche Beobachtungsmöglichkeiten zu sichern und mit den 10.5 cm Turmgeschützen noch den Rhein von der Thurmündung bis Kadelburg zu erreichen. Die hintere hat die Limmat als Tankhindernis vor der Front, gibt aber Zürich preis; mit ihren fast zusammenhängenden Waldgebieten ist sie sehr stark. Beide zusammen ergeben eine befestigte Zone von richtiger Tiefe. Die Kosten betragen aber Fr. 65 000000 und wir werden uns für die eine oder andere entscheiden müssen. Wir beantragen die Wahl der Stellung hinter der Limmat mit einem von hinten zu stützenden vorgeschobenen Fort am Ost-Ende der Lägern. Die hintere Stellung wird auf Fr. 33 000 000 veranschlagt und das Fort Boppelsen schätzen wir auf Fr. 6000000, d. h. total für den Limmat - abschnitt Fr. 39000000.–. Inbegriffen ist ein Fort Gebenstorferhorn mit 5 10.5 cm Türmen, die den Rhein von der Glattmündung bis Laufenburg bestreichen können. Wir halten dieses Werk (10000000) für die wirksamste und dringendste Baute der Landesbefestigung, die vor allen ändern in Angriff zu nehmen ist.
48. Der Abschnitt W der Aare ist noch nicht im Sinn der heutigen Anforderungen bearbeitet. Wie schon in Ziff. 197 angedeutet, fällt hier Grenz- und Landesbefestigung annähernd zusammen, sodass in der Hauptsache das artilleristische Gerippe neu dazu kommt. Die Abwehrfront wird vom Geissberg über Geissacker-Schinberg-Frickberg-Thiersteinberg-Farnsberg-Wintersingen-Hersberg zum Gempenstollen laufen. Das wesentliche Gerippe wären 2 Forts mit je 5 10,5 cm Türmen in der Gegend von Rothenfluh und auf dem Gempenplateau, woraus der ganze Rheinlauf bis Basel lückenlos zu bestreichen ist. Die Turmwerke veranschlagen wir auf je Fr. 10000000.–. Da die Zwischenwerke schon in der Grenzbefestigung enthalten sind, stellt sich die Landesbefestigung dieses Abschnitts auf Fr. 20000000.–.
[...]8
C. Westfront
50. Für einen französischen Durchbruch ergeben sich ähnliche Gesichtspunkte wie für den deutschen. Ein Rheinübergang bei Basel gegen den Schwarzwald hat keinen Sinn. Ein Vorstoss rheinaufwärts gegen Waldshut-Wutachtal mit unserer Armee in Flanke und Rücken ist undenkbar. Die Franzosen müssten also ebenso wie die Deutschen mit der Hauptkraft durch das Mittelland vorgehen. Sie werden ebenfalls trachten, den Einbruch so weit vorn wie möglich zu bewerkstelligen, d.h. mit einer Hauptmasse von Sundgau aus über Delémont-Moutier-Gânsbrunnen, über den Passwang und die Hauensteine. Durchbrüche durch den Jura werden kombiniert mit dem Vordringen einer zweiten Hauptmasse vom Kanton Waadt aus durch das Mittelland. Das Plateau von Maiche vor unserem Doubsabschnitt ist kommunikationsarm. Die Verkehrswege aus dem Abschnitt-Pontarlier-Morteau führen gegen die Seen. Der Zwischen-Abschnitt dürfte also nur von schwächeren Kräften angegriffen werden und ebenso das Unterwallis. Wir haben hier durch stärkere Ausstattung der Grenzbefestigung vorgesorgt. Das Schwergewicht der Landesbefestigung müssen wir somit hinter den Nordabschnitt von Basel bis Les Rangiers legen und in die Lücke zwischen Neuenburger- und Genfersee.
41. [! Das bereits in die Nordfront eingestellt Fort Gempenplateau kann vorzügliche Wirkung haben in den Abschnitt N vom Blauen und auch den Zugang zum Passwang erreichen. Erwünscht wären ein Turmwerk NW von Moutier mit Hauptwirkung gegen die Abstiege von Les Rangiers und weitere Forts auf dem Chasserai und Chaumont gegen Einbrüche in den Abschnitt Doubs-Neuenburgersee. Der Kosten wegen werden wir darauf verzichten müssen und in hinterer Linie uns auf Sperre der Strassen beschränken. Die wichtigste dieser Sperren ist in das 23-Millionen-Projekt schon eingestellt. Dazu kämen weiter:
die Strasse Grellingen-Seewen
die Strasse Nunningen-Bretzwil
die Passwangstrasse die Scheltenstrasse der Knotenpunkt bei Gänsbrunnen mit einem Kostenaufwand von ungefähr Fr. 4000000.–.
42. Für die Verteidigung der Lücke zwischen Neuenburgersee und Genfersee kommen in Betracht die Orbe-Venoge und die Menthue-Paudèze Stellung. Die erstere ist in ihrem Nordabschnitt zu sehr vom Jura dominiert, wenig tanksicher und auch länger. Wir halten deshalb für angezeigt, die Menthue-Paudèze Stellung zu befestigen. 3 Forts mit Zwischenwerken erfordern schätzungsweise einen Kostenaufwand von Fr. 30000000.–.
[...]9
Rechnen wir noch die im Grenzbefestigungsprogramm eingesetzten Teile der Landesbefestigung hinzu, so kommen wir auf eine Bausumme von Fr. 120000000.– und 7000 Mann Besatzung. In der Besatzung ist nur die Mannschaft in den Werken gerechnet, nicht die Verteidiger der Zwischenräume, welche die Feldarmee zu stellen hat.
45. Die geringen Kosten im Verhältnis z. B. zu der Maginotlinie mögen auffallen. Darnach könnte die genügende Stärke der von uns vorgeschlagenen Landesbefestigung in Zweifel gezogen werden. Die Maginotlinie soll pro 1 km durchschnittlich 5 Millionen Schweizerfranken kosten; das würde allein schon für die 30 km lange Strecke Zürich-Brugg 150 Millionen ausmachen gegen 39 Millionen, die wir vorgesehen haben. Vergleichen wir aber die in Ziff. 17 als «schwer zu verteidigen» angenommenen Abschnitte (z.B. Zürich-Brugg mit Lägern, Limmat und den Wäldern) mit dem Gelände von Lothringen, so leuchtet ein, dass wir mit weniger künstlichen Mitteln auskommen können. Selbstredend wären auch für uns zwei oder mehr Stellungen hintereinander erwünscht; wir haben unsere Forderungen auf ein Minimalprogramm beschränkt. Wir können auch aus dem Grund billiger bauen, weil sich z. B. die riesigen Tankhindernisgraben, die man um die belgischen Forts sieht, bei uns meistens erübrigen. Wir können unsere Kasematten in tanksichere Steilhänge einbauen oder uns mit dem gegenseitigen Feuerschutz der verschiedenen Kampfanlagen eines Forts begnügen.
46. Was wir mit dieser Eingabe vorläufig bezwecken, ist, die Verstärkung und den Nutzen darzutun, die unsere Landesverteidigung durch Befestigungen erhalten kann, und die dafür nötigen Kredite anzufordern. Die konkreten Vorschläge sind nicht unabänderlich; sie sollen nur einen Anhalt geben über die Kosten und damit beweisen, dass eine wirksame Landesbefestigung für uns nicht unerschwinglich, sondern finanziell möglich ist. Vergleichen wir die Ausgabe von 120 Millionen z. B. mit den Kosten der seit dem Kriege ausgeführten Bauten der S.B.B., nämlich 600 Millionen, wovon mindestens 75 Millionen für Hochbauten, so darf das Opfer für die Landesverteidigung nicht als übermässig bezeichnet werden. Bei einen Bedarf von 7000 Mann an Festungstruppen ist auch die zahlenmässige Schwächung der Feldarmee durchaus erträglich.
47. Der Ausbau der Landesbefestigung ist Arbeitsbeschaffung, namentlich für das immer noch notleidende Baugewerbe. Im gegenwärtig laufenden Grenzbefestigungsprogramm von 52 Millionen werden 14 Millionen oder 27% als Arbeitslöhne ausbezahlt. Unter Anwendung des gleichen Verhältnisses enthält das Landesbefestigungsprogramm von 120 Millionen etwas über 30 Millionen Arbeitslöhne.
48. Ein Bild über die Unterhaltskosten erhalten wir durch Vergleich mit den Befestigungen vom Gotthard und St. Maurice. Die Baukosten dieser Befestigungen bis 1921 betrugen 29000000 + 14 500000 = 43 500000, mit den seitherigen Aufwendungen rund 50000000. Die Verwaltungs- und Unterhaltskredite belaufen sich pro Jahr auf rund 1 500000. Die neue Landesbefestigung von 120000000 dürfte somit das Militärbudget jährlich, mit 3 600000 belasten, unseres Erachtens eine bescheidene Summe gemessen an der Verstärkung, welche unsere Verteidigungskraft dadurch erhalten wird.
IX.
49. Wir sind der Meinung, dass, sobald die Kredite bewilligt sind, mit grösster Beschleunigung an den Ausbau der Landesbefestigung herangegangen werden muss. Als erstes ist der Limmatabschnitt auszubauen, für den die Vorstudien beendet sind. Da das B.B.B.10 noch wenigstens für 11/2 Jahre mit dem Bau der Grenzbefestigung beschäftigt ist und ein Mann nicht zu viel übersehen kann, muss für den Limmatabschnitt ein neues, unabhängiges Baubureau mit Sitz in Baden unter einem tatkräftigen Chef aufgestellt werden. Ähnlich wird für den Menthue-Paudèze-Abschnitt zu verfahren sei, sobald dafür die Vorstudien gemacht sind. Auf das bestehende und die beiden neuen Bureaux werden anschliessend die noch verbleibenden Bauabschnitte zu verteilen sein.
[...]11
- 1
- Rapport: E 27, Archiv-Nr. 4169.↩
- 2
- Non reproduit.↩
- 3
- Suit un chapitre III sur les principes (Grundsätze) des fortifications permanentes.↩
- 4
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/46698. Pour le tableau, cf. dodis.ch/46698. For the table, cf. dodis.ch/46698. Per la tabella, cf. dodis.ch/46698.↩
- 5
- Suivent: un chapitre V sur l’augmentation à 91 millions de francs du programme de fortification du 27.4.38, un chapitre VI intitulé Vereinigte Grenz- u. Landesbefestigung. Ergänzungen zum 91-Millionen-Programm et un point VII intitulé Zerstörungsnetz.↩
- 6
- Artillerie de forteresse, inaccessible au feu adverse, capable de prendre sous son feu les abords d’un ouvrage plus avancé.↩
- 7
- Le chiffre 19 dit: Nach den Definitionen der Eingabe vom 27.4.38. verstehen wir unter Grenzbefestigung jene Anlagen, die als Rückhalt der Grenztruppen zum Schutz der Mobilmachung und des Aufmarsches der Feldarmee, d. h. zum Kampf um Zeitgewinn bestimmt sind, Landesbefestigung dagegen solche Werke, welche die Feldarmee in der Entscheidungsschlacht unterstützen und mit ihr standhalten oder vernichtet werden sollen. Eine scharfe Trennung dieser zwei Kategorien ist nun selbstredend nicht nötig und nicht möglich. Ein Teil der Landesbefestigung wird so nahe der Grenze liegen, dass sie auch die Aufgabe der Grenzbefestigung erfüllt; dies trifft zu für St. Maurice in Bezug auf die französische Front und für Sargans in Bezug auf seine Nordfont. Wo sich die Grenze zur nachhaltigen Verteidigung besser eignet als Stellungen weiter rückwärts, wird die Grenzbefestigung zugleich Landesbefestigung; sie ist dort stärker zu gestalten und auf Befestigung hinterer Linien wird teilweise verzichtet. Hieher gehören der 60 km lange Abschnitt Les Rangiers- Doubs bis Les Brenets. An der französischen Front haben wir überraschende Kriegseröffnung weniger zu befürchten als seitens der Diktaturstaaten; wenn wir rechtzeitig den Grenzschutz aufbieten und mobilisieren, dürfen wir annehmen, dort die Armee noch in nützlicher Frist in die Grenzstellungen werfen zu können. Da jedoch die rechtzeitige Mobilmachung nicht sichergestellt ist, erfordert die Vorsicht, auch rückwärtige Stellungen vorzubereiten. Im Aargauer- und Baselbieter Jura werden Grenz- und Landesbefestigung so nahe zusammen liegen, dass sie eine einzige tief gegliederte Stellung bilden.↩
- 8
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/46698. Pour le tableau, cf. dodis.ch/46698. For the table, cf. dodis.ch/46698. Per la tabella, cf. dodis.ch/46698.↩
- 9
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/46698. Pour le tableau, cf. dodis.ch/46698. For the table, cf. dodis.ch/46698. Per la tabella, cf. dodis.ch/46698.↩
- 10
- Büro für Befestigungsbauten.↩
- 11
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/46698. Pour le tableau, cf. dodis.ch/46698. For the table, cf. dodis.ch/46698. Per la tabella, cf. dodis.ch/46698.↩
Tags