Communications

Politische Reden von Ausländern

Ein Ende September 2016 eingereichter parlamentarischer Vorstoss möchte die Bewilligungspflicht für ausländische Redner wiedereinführen, wie sie zwischen 1948 und 1998 in Kraft war. Der damalige Bundesratsbeschluss sah vor, dass «Ausländer, die keine Niederlassungsbewilligung besitzen, [...] an öffentlichen oder geschlossenen Versammlungen nur mit besonderer Bewilligung über ein politisches Thema reden [dürfen]». Eine solche sei zu verweigern, «wenn eine Gefährdung der äusseren oder innern Sicherheit des Landes oder Störungen von Ruhe und Ordnung zu befürchten sind».

Schwierigkeiten durch Meinungsfreiheit

Unter dem Schlagwort «Politische Reden von Ausländern» (dodis.ch/T1406) finden sich auf Dodis zahlreiche Dokumente zu dieser Praxis. «Die Erfahrung hat mehr und mehr gezeigt», heisst es in einer Notiz des Rechtsdiensts des Eidgenössischen Politischen Departements vom Mai 1950, «dass, wenn im Moment grosser politischer Spannungen ausländischen politischen Rednern vollständige Meinungsfreiheit gewährt wird, daraus grösste Schwierigkeiten erwachsen können» (dodis.ch/7280, Original französisch).

Redeverbot für «französische Kommunisten»

Das Dokument bietet einen Überblick über die frühe Anwendung dieser Massnahme zu Beginn des Kalten Krieges. In erster Linie wurde mutmasslich linksextremistischen Persönlichkeiten aus Frankreich – dem Abgeordneten Pierre Cot (dodis.ch/8116), dem Journalisten André Wurmser (dodis.ch/8119), dem General Ernest Petit (dodis.ch/7107 und dodis.ch/8118) sowie dem Philosophieprofessor Roger Garaudy (dodis.ch/7523) – verboten, an «kommunistischen Propagandaveranstaltungen» in der Romandie das Wort zu ergreifen.

Heikler Vietnamkrieg

In den späten 1960er Jahren erachtete der Bundesrat den Vietnamkonflikt als «das heikelste aktuelle Problem der Weltpolitik», bei dessen Behandlung «sich aus neutralitätspolitischen Erwägungen Zurückhaltung» aufdränge. Ausländischen Rednern an entsprechenden Veranstaltungen machte er strenge Auflagen (dodis.ch/31178). Wer sich nicht an die Bedingungen hielt, bekam keine Bewilligungen mehr – eine Praxis, die «eminente Vorteile zeigt in bezug auf das Bestreben der Schweiz, unser Land nicht zur Plattform für Auseinandersetzungen und Propagandaaktionen [...] zu machen» (dodis.ch/36172).

Proteste der Parlamentarier

Die bundesrätliche Verbotspraxis war brisant. Immer wieder stiess sie im Parlament auf Kritik. Schon 1950 gemahnte die Interpellation von Nationalrat Jean Gressot für einen vorsichtigeren Umgang (dodis.ch/8149). 1971 protestierten zwölf Nationalräte gegen «die Behinderung freier Information und direkter Auseinandersetzung mit oppositionellen Politikern und kritischen Wissenschaftern des Auslandes» und zielten damit auf aktuelle Redeverbote griechischer und brasilianischer Exilpolitiker sowie des marxistischen Ökonomen Ernest Mandel (dodis.ch/35848).

Dalai Lama und «Pasionaria»

Die Anwendung des Bundesratsbeschlusses von 1948 gegenüber Ausländern unterschiedlicher Provenienz wurde weiterhin kontrovers diskutiert. Nationalrat James Schwarzenbach empfand es als «Beschämung», dass der Bundesrat dem Dalai Lama 1973 ein Redeverbot erteilte (dodis.ch/37703 und dodis.ch/37698). Unter Linken sorgte derweil für Empörung, dass 1974 der Kommunistin Dolores Ibárruri («la Pasionaria») verboten wurde, an einer Grossdemonstration spanischer Gastarbeiter gegen das Franco-Regime zu sprechen (dodis.ch/38488).

05. 10. 2016