Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
II.9. ÉTATS-UNIS
II.9.1. ÉTATS-UNIS - RELATIONS POLITIQUES
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 63
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#1188* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 499 | |
Dossier title | Washington, Politische Berichte und Briefe, Militär- und Sozialberichte, Band 47 (1943–1944) |
dodis.ch/47667
Secretary Hull und seine Mitarbeiter, die an den Besprechungen in Moskau teilnahmen, und die gar nicht etwa als russophil gelten, waren überaus stark beeindruckt durch den Kampfwillen und den Patriotismus der Russen. Sie sind überzeugt, dass diese bis zum vollkommenen Sieg über Deutschland kämpfen werden und glauben zudem, dass die russische Militärmacht noch immer stark im Wachsen sei. Sie berichten von ungeheuern russischen Reserven, welche im Frühjahr eingesetzt werden könnten; sie erzählen vor allem auch von dem russischen Hass gegen die Deutschen, welcher so stark sei, dass selbst Stalin, wenn er es wünschte, nicht verhindern könnte, dass die Russen in Deutschland einfallen werden, um sich zu rächen. Auf Grund der russischen Berichte glauben die Amerikaner, dass die Deutschen - vielleicht entgegen den Absichten der Heeresleitung, aber auf Weisungen des Führers - auf russischem Gebiet unvorstellbare Greuel begangen haben. Hitler habe nicht nur Teile Russlands, sondern ganz Russland zu einem Vasallenstaat machen und durch deutsche Organe regieren wollen. Einzelne Gegenden hätten vermutlich mit Deutschen besiedelt werden sollen, weswegen dort mit der russischen Bevölkerung in furchtbarer Weise aufgeräumt worden sei.
Aufgefallen ist den Amerikanern die elende Bekleidung der Zivilbevölkerung, während sie deren Ernährung zwar als armselig, aber genügend ansahen. Ich schildere diese Eindrücke, weil daraus auf die Einstellung der Amerikaner zu den Reaktionen der Russen geschlossen werden kann, falls diese wirklich einmal auf deutsches Gebiet gelangen sollten.
Die Amerikaner glauben, dass die Russen später zu einer freundlichen Zusammenarbeit mit allen Völkern, von denen sie nichts zu fürchten haben, bereit wären. Sie hätten immer betont, dass die Nachkriegsorganisation möglichst umfassend sein soll, hauptsächlich insoweit sie den Zweck verfolge, den Schutz gegen neue Angriffe von seiten Deutschlands oder «anderer faschistischer Staaten» zu sichern. Russland werde hauptsächlich darauf bedacht sein, das Aufkommen faschistischer Regierungen zu verhindern.
Ein Dorn im Auge scheine den Russen der Grossgrundbesitz in den Nachbarstaaten zu sein, weil Grossgrundbesitzer meistens reaktionär seien und deswegen geneigt wären, die Feindschaft gegen Sowjet-Russland zu fördern und zu organisieren. Darnach wäre zu erwarten, dass die Russen die Aufteilung des Grossgrundbesitzes in Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, etc. anstreben und entsprechende Forderungen an die betreffenden Regierungen stellen wollen.
Die Erwartung, dass die Russen in Moskau ihre territorialen Aspirationen bekannt geben würden, scheinen sich nicht erfüllt zu haben, doch gilt es sozusagen als eine abgemachte Sache, dass RusslandOstpolen mindestens im Ausmass der im Laufe dieses Krieges mit Deutschland vereinbarten Grenzen behalten und dass es die baltischen Staaten annektieren will. Die Amerikaner neigen eher zur Meinung, dass die russischen Ansprüche auf Ostpolen besser fundiert seien als die polnischen, während sie den Balten gerne zur Selbstständigkeit verholfen hätten, wenn dies ohne Trübung der Beziehungen zu Russland durchgesetzt werden könnte; denn diese Annexion würde als Unrecht empfunden.
Die Presse hat hier kürzlich wiederholt die Ankunft des polnischen Ministerpräsidenten gemeldet, der offenbar Präsident Roosevelts Hilfe zur Sicherung der polnischen Ansprüche erbeten möchte, wohl unter Berufung auf dessen früheren Versprechungen. Diese Visite ist wohl nicht sehr erwünscht, aber der Präsident kann sie nicht leicht ablehnen, wenn die Polen darauf bestehen. Die amerikanischen Wähler polnischer Provenienz sind in Amerika so zahlreich (über 4 Millionen), dass es dem Präsidenten daran gelegen sein wird, sie durch sein Verhalten zu gewinnen, oder doch nicht vor den Kopf zu stossen. Wie er sich aus der Sache zieht, bleibt abzuwarten.
Über die Konferenz in Teheran ist folgendes durchgesickert:
Stalin hat auf Präsident Roosevelt und seine Begleiter einen überaus starken, günstigen Eindruck gemacht. Der Diktator beherrsche die schwierigsten Probleme in souveräner Weise. Sehr schwerwiegende Entscheidungen treffe er ohne militärische Berater beizuziehen und habe dies auch von Roosevelt und Churchill erwartet, weil, wie er sich ausgedrückt habe, die wichtigsten militärischen Entschlüsse von den Staatsleitern und nicht von den militärischen Experten getroffen werden müssten.
Die Amerikaner waren erstaunt über die Gewandtheit und Freiheit, mit welcher Herr Stalin mit Mr. Churchill verkehrte. Er habe ihn - zum Ergötzen aller - bei jeder Gelegenheit geneckt («kid»). Bei einem Essen habe Stalin plötzlich einmal erklärt, er gehe nach Berlin und werde dort bleiben, «und was wollt Ihr»?, habe er Roosevelt und Churchill gefragt, die darauf gelacht hätten ohne zu antworten2.
Besonders freundschaftlich verhielt er sich zu Präsident Roosevelt; jedenfalls ist er jetzt bei ihm Hahn im Korb.... Die Amerikaner sind rasch in ihren Urteilen. Es ist zwar noch nicht lange her, dass Stalin hier als der Inbegriff alles Übels galt. - Kürzlich aber soll Herr Roosevelt bemerkt haben, es wäre leicht möglich, dass er nach dem Kriege sich mit Stalin besser vertragen werde als mit Herrn Churchill. Treue um Treue. Als kürzlich Herr Willkie einen überaus russenfreundlichen Artikel, «Don’t stir distrust of Russia», veröffentlichte, in welchem er der amerikanischen Regierung vorwarf, die Beziehungen zu Russland nicht genügend gepflegt zu haben, stellten sich die Russen sofort vor ihren neuen Freund Roosevelt, indem sie durch einen Artikel in der Pravda Herrn Willkie derb zurechtwiesen und ihn des versuchten Stimmenfanges bezichtigten.
In Teheran müssen allem Vernehmen nach überaus wichtige militärische Entscheidungen gefallen sein, worüber Einzelheiten nicht zu erfahren sind. Vermutlich wurde das Datum der englisch-amerikanischen Invasion festgelegt, neben ändern Modalitäten derselben.
Ich hörte von nicht ganz sicherer Quelle, dass Stalin seinen Partnern Hilfe gegen Japan versprochen habe, wenn der Krieg mit Deutschland zu Ende sei.
Von Grenzziehungen in Europa sei jedenfalls wenig die Rede gewesen, weil solche nach übereinstimmender Auffassung erst auf Grund der Verhältnisse nach der Niederlage Deutschlands geprüft werden könnten.
Dass die Nachkriegsorganisation vorab unter dem Gesichtspunkt der Schutzmassnahmen gegen neue Angriffe der faschistischen Staaten betrachtet wurde, bezeugt die gut verbürgte Meldung: Am Ende der Konferenz hat einer der Staatsmänner bemerkt, nach Beendigung des Krieges würden zwei Probleme die wichtigsten bleiben: erstens Deutschland, zweitens Japan. Die ändern zwei Partner hätten lebhaft zugestimmt.
Beim Abschied sei man darüber einig gewesen, dass eine solche Konferenz möglichst bald wieder stattfinden sollte. Roosevelt habe gemeint, man wolle sich das nächste Mal in Wien wieder sehen - «dort wo man den blauen Donau-Walzer spiele», habe Churchill beigefügt.
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United States of America (USA) (Politics)