Classement thématique série 1848–1945:
2. RELATIONS BILATÈRALES
2.1. ALLEMAGNE
2.1.1. RELATIONS ÉCONOMIQUES
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 14, doc. 232
volume linkBern 1997
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7800#1000/1961#121* | |
Old classification | CH-BAR E 7800(-)1000/1961 17 | |
Dossier title | Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland (1940–1944) | |
File reference archive | 01.10.09 |
dodis.ch/47418
Proposition du Département de l’Economie publique au Conseil fédéral1
VERHANDLUNGEN MIT DEUTSCHLAND.
Nicht für die Presse
I.
1. Mit Beschluss vom 4. August 1942 gaben Sie der Verhandlungsdelegation für die für den 6. August in Berlin angesetzten Verhandlungen die nachfolgenden Instruktionen :
[...]2 2. Die Verhandlungen haben in der Zeit vom 6. August bis 5. September in Berlin stattgefunden, wobei die Delegation Gelegenheit hatte, den schweizerischen Standpunkt eingehend dem Auswärtigen Amt (Staatssekretär von Weizsäcker, Ministerialdirektor Wiehl), sowie dem Reichswirtschaftsministerium (Staatssekretär Landfried, Unterstaatssekretäre v. Jagwitz und General v. Hannecken, Ministerialräte Seyboth und Janke) darzulegen. Es wurde uns erneut bedeutet, dass sich der gegenwärtige Krieg in einem entscheidenden Stadium im Kampf gegen den Bolschewismus befinde, dass es auch im Interesse der Schweiz liege, wenn dieser Kampf möglichst bald siegreich zu Ende geführt werde. Es sei dabei nicht zu umgehen, dass sich eben die Schweiz vorübergehend mit einer geringeren Lieferung in Kohlen und Eisen abfinden müsse. Staatssekretär Landfried gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Schweiz sich bereit finde, den deutschen Notwendigkeiten gebührend Rechnung zu tragen, wenn man bedenke, dass das deutsche Volk noch ganz andere Einschränkungen auf sich nehme. Deutschland habe übrigens die der Schweiz eröffneten Notwendigkeiten nicht leichten Herzens dekretiert und es hoffe, dieselben auch sobald wie möglich aufheben zu können und die Minderlieferungen wiederum wettzumachen. Die Schweizer Delegation sehe nach seiner Auffassung die Probleme als zu kommerziell und zu wenig europäisch. Deutschland habe übrigens immer und immer wieder konstatiert, dass fast Unerträgliches von der Wirtschaft in elastischer Weise überwunden werde. Die deutschen Aussenhandelsbeziehungen hätten den Gegnern grosse Überraschungen gebracht und diese Überraschungen werden auch der Schweiz zugute kommen.
Demgegenüber vertrat die schweizerische Delegation mit aller Bestimmtheit den Standpunkt, dass es auch im deutschen Interesse liege, die Schweiz vertragsgemäss zu beliefern, da sich im Falle einseitiger Änderungen durch Deutschland im Vertragswerk auch die Schweiz sich nicht mehr gebunden betrachte. Es sei für unsere Wirtschaft einfach nicht tragbar, der steigenden Kaufkraftschöpfung immer weniger Ware gegenüberstellen zu können und dies vor allem in einem Moment, wo die Handhabung der Gegenblockade durch Deutschland unser Land völlig von den überseeischen Lieferungen abgeschnitten zu werden drohe. Es sei für die andere Seite nicht mehr tragbar zuzusehen, wie sie die Schweiz mit Nahrungs- und Futtermitteln sowie Fetten und Ölen verproviantiere, während unser Land völlig einseitig für die Achse tätig sei. So seien beispielsweise im ersten Semester 1942 auf einen Totalexport von 360 Millionen Franken nach der Achse ca. 250 Millionen Franken auf geleitscheinpflichtige d.h. äusserst kriegswichtige Güter entfallen. Im gleichen Zeitraum hätten die Westmächte ähnliche Waren nur für 1,7 Mo. Fr. erhalten. Wenn es Deutschland auch jetzt wiederum ablehne hier die Einseitigkeit in bescheidenem Masse im Umfange von ca. 2,5-3 Mo. Fr. per Monat also etwa 15-18 Mo. Fr. für ein Semester, geleitscheinpflichtiger Exporte nach dem Westen (Werkzeugmaschinen, Uhrenfabrikate, Präzisionswerkzeuge, optische Instrumente etc.) zu korrigieren, so bleibe der Schweiz nichts anderes übrig, als sich immer mehr auf die Selbstversorgung umzustellen, was aber unfehlbar zu einem starken Abfallen der schweizerischen industriellen Produktion besonders auch für den Export führen müsse. Die Schweiz wünsche dies nicht, sie sei nach wie vor bereit, in überwiegendem Masse für die Achse zu arbeiten, was bei den hochwertigen Artikeln, die hier in Frage stehen, sicherlich ein ganz wesentlicher Beitrag der Schweiz darstelle. Schliesslich wiesen wir auf die über 40%ige Teuerung, sowie auf die gewaltigen Vorschüsse an die Achse, sowie auf die rapid zunehmende Schuldenlast unseres Landes hin.
3. Nach eingehenden Besprechungen im Reichs Wirtschaftsministerium, in der wehrwirtschaftlichen Abteilung des Oberkommandos der Wehrmacht (General-Becker) und im Auswärtigen Amt ist es schliesslich gelungen, für die schweizerische These vermehrtes Verständnis zu erzielen.
a) Eisen. Hier erklärt sich Deutschland bereit, im 3. Quartal 1942 ca. 21000 To zu liefern, wobei eine gewisse Verschiebung der Lieferung bis in den Oktober hinein in Kauf genommen werden muss. Wenn man bedenkt, dass im 2. Quartal 25 000 To, im 1. Quartal nur 20 000 To geliefert wurden, und für das 3. Quartal nur 18 000 To in Aussicht gestellt worden sind, so darf das Erreichte als annehmbar bezeichnet werden. Diese Lief er quote setzt sich zusammen aus dem sog. Versorgungskontingent (bisher 13 500 To, jetzt vorübergehend noch 6000 To), aus dem Kontrollnummergeschäft für die in der Schweiz plazierten deutschen Aufträge, sowie aus einer angemessenen Abdeckung der bestehenden Rückstände von ca. 110000 To.
b) Kohlen. Trotz eingehendsten Bemühungen war es nicht möglich, mehr als 150000 To für die nächsten Monate herauszubringen, wobei dann immerhin mit einiger Sicherheit angenommen werden dürfte, dass bis Ende 1942 auch wirklich diese monatliche Menge zur Einfuhr gelangt. Hier liegen die Verhältnisse eben so, dass die Kohlenförderung einfach nicht genügt, um sämtliche übernommenen Verpflichtungen auch gegenüber den Verbündeten wie Italien etc. einhalten zu können. So wurde beispielsweise gegenüber Schweden die vertragsmässig zu liefernde Menge sogar von 600 000 auf 300000 To monatlich gekürzt. Um uns den guten Willen zu zeigen, sind für September 160000 To in Aussicht genommen und es besteht die Hoffnung, dass auch für den Oktober etwas mehr als 150000 To geliefert werden.
4. Gegenblockade.
Da es nicht möglich war, die deutschen Vertragsverletzungen auf Kohle und Eisen rückgängig zu machen, haben wir mit umso grösserer Energie eine angemessene Lockerung der Gegenblockade verfochten. Wir haben dabei immer und immer wieder betont, dass die gegenwärtige Einseitigkeit in der Produktion von kriegswirtschaftlichen Gütern nun schon über 2 Jahre gedauert habe und für unser Land mit Rücksicht auf die bereits erfolgte starke Reaktion durch die Westmächte und im Hinblick auf die sehr grosse Gefahr überhaupt völlig von Übersee abgeschnitten zu werden, einfach nicht mehr tragbar sei. Wir Hessen sogar durchblicken, dass bei weiterem Andauern dieses Zustandes unser Land sich der Gefahr von Bombardierungen aussetzt, in welchem Fall es dann weitgehend vorbei sein dürfte mit der schweizerischen Kriegsmaterialproduktion für die Achse. Besonders diese Argumentierung verfehlte nicht, bei den militärischen Stellen einen gewissen Eindruck zu machen, dagegen waren sie nicht leicht davon zu überzeugen, dass uns die Westmächte die Nahrungsmittelzufuhren sperren würden, indem England ein offensichtliches Interesse an der Aufrechterhaltung der schweizerischen Neutralität habe. Schweizerischerseits wurde aber immer wieder darauf hingewiesen, dass die Gefahr des völligen Versiegens unserer Nahrungs- und Fetteinfuhr aus Übersee durchaus im Bereich der Möglichkeit liegt und dass dann die Schweiz gezwungen sei, sich wohl oder übel weitgehend in ihrer Produktion umzustellen (Plan Wahlen)3; was wiederum sich eben gegen die Achse in sehr ungünstiger Weise aus wirken müsse. Es liegt doch sicherlich im wohlverstandenen Interesse der Achse, die Gegenblockade in bescheidenem Umfange zu lockern, um sich nach wie vor den Löwenanteil unserer industriellen Kapazität zu sichern. Aber Deutschland müsse jetzt das kleinere Übel wählen und zwar ohne Verzug. Allzu lange habe man auf der Achsenseite die Gegenblockade in unerträglicher Weise gehandhabt, jetzt sei der rechte Moment gekommen um etwas einzulenken, was uns Deutschland auch wegen den Vertragsverletzungen auf Kohle und Eisen nicht mehr vorenthalten könne. Im übrigen wurden wir nicht müde, immer wieder zu wiederholen, dass die jetzige Gleichgewichtsstörung für unser Land nicht mehr tragbar sei und bei weiterem Andauern sich unbedingt zum Nachteil der Achse aus wirken müsse. Wir wiederholten auch die Argumentation, dass beide Teile es in der Hand haben, uns zu verderben, dass aber daran keiner der Kriegführenden ein wohlverstandenes Interesse haben könne. Von beiden Kriegführenden haben wir ein minimales Entgegenkommen für die Aufrechterhaltung unserer Existenz unbedingt nötig, für keinen von beiden ist aber das was wir verlangen von solcher Bedeutung, dass davon der Ausgang des Krieges irgendwie wesentlich beeinflusst werde.
5. Protokoll vom 5. September 19424.
Wenn man die gegenwärtige Lage wie auch die Tatsache berücksichtigt, dass die Deutschen anfänglich nicht die Absicht hatten, im jetzigen Moment überhaupt mit der Schweiz eigentliche Verhandlungen zu führen, so darf das erzielte Resultat durchaus positiv gewertet werden. Besonders wichtig aber ist die nunmehr erreichte Lockerung der Gegenblockade, auf welchem Gebiet sich die Deutschen schlussendlich zu sehr wertvollen Konzessionen herbeigelassen haben; wir verweisen bezüglich der deutschen Zugeständnisse auf beiliegendes Protokoll. Bekanntlich forderten die Alliierten für das letzte, einmalige Kompensationsprogramm Export für kriegswichtige Artikel für 2,5 Mo. Fr. Wir verlangten von den Deutschen ein monatliches Exportkontingent von 2,8 Mo. Fr. und haben schlussendlich für die Monate September bis Dezember 1942 1,9 Mo. Fr. erreicht, was also wesentlich über die dringenden englisch/amerikanischen Begehren hinausgeht. Damit sollte es möglich sein, die schwebenden Verhandlungen mit England/U.S.A. in günstigem Sinne zu beeinflussen und uns auch den Weg zu öffnen, um mit Italien zu einer neuen Verständigung zu gelangen. Es darf hervorgehoben werden, dass die bis zu den kommenden grösseren Verhandlungen erzielte Überbrückung ohne neue Kredite - die anfänglich mit grösster Hartnäckigkeit und vom Gesandten Hemmen etc. beinahe in ultimativer Form postuliert worden sind - möglich geworden ist. In Anlehnung an bisherige Vertragsbestimmungen ist den Deutschen dagegen zugebilligt worden, schon jetzt über die sog. Pauschalwertgrenze für 1943, d.h. diejenige Summe, die der deutschen Regierung aus den kommenden Einzahlungen im nächsten Vertragsjahr ohne Belastung für die historische Wertgrenze, Veredlungslöhne, elektrische Energie, Nebenkosten, Lizenzen, Finanz-, Versicherungs- und Reiseverkehr, Reichsbankspitze etc. verfügen zu können. Nach den Einzahlungen der letzten Monate handelt es sich dabei um monatliche Beträge von ca. 20 Mo. Fr. Diese Bestimmung bedeutet ein schweizerisches Entgegenkommen, muss die Deutschen aber zugleich veranlassen, ihre Einfuhren in die Schweiz - von deren Höhe eben die genannte Pauschalwertgrenze schlussendlich abhängt - möglichst hoch zu halten. Sollte wider Erwarten dadurch die bisherige maximale Verschuldungsgrenze erschöpft werden, so würde nicht etwa diese Summe erhöht, sondern es entstünden gegenüber den bisher üblichen 3 Monate betragenden Auszahlungsfristen etwas längere Wartefristen für unsere Exporteure. Es besteht kein Zweifel, dass ohne dieses Entgegenkommen eine Verständigung - die für die schwebenden und kommenden Wirtschaftsverhandlungen von ausschlaggebender Bedeutung sein dürfte - unmöglich gewesen und die Berliner Verhandlungen resultatlos geblieben wären. Es ist nur zu hoffen, dass die erzielte provisorische Verständigung nicht etwa daran scheitert, dass die Engländer und Amerikaner fortfahren in unzulässiger Weise gegenüber unsern Firmen Einmischungen vorzunehmen. Diese bedeuten nämlich nicht nur für einzelne Firmen, sondern für ganze Branchen wie die Uhrenindustrie eine grosse Gefahr. Bekanntlich hat man mit Rücksicht auf die Londoner Verhandlungen, die nicht gestört werden sollten, ein Auge zugedrückt; im Zeichen des nunmehrigen Berliner Protokolles müsste diese durch besondere Umstände bestimmte Nachsicht verhängnisvoll werden. Es hat sich erneut gezeigt, wie wertvoll unsere industrielle Kapazität sowie unsere Finanzkraft für Deutschland effektiv sind. Sie dürften auch beiden Besprechungen über ein neues Abkommen für das nächste Jahr von ausschlaggebender Bedeutung sein.
Besondere Schwierigkeiten verursachte die Frage der Inkraftsetzung des Protokolles. Es ist nunmehr so geregelt, dass es in Kraft tritt, sobald die italienische Genehmigung vorliegt. Mit der laufenden Erteilung von Geleitscheinen wird allgemein erst begonnen, wenn die unzulässigen englisch/amerikanischen Einmischungen in die Verhältnisse unserer Industriefirmen beseitigt werden können. Aber schon im Moment, wo sich auf diesem delikaten Gebiet eine Entspannung fühlbar macht, können die in Frage stehenden kriegswichtigen Waren im Rahmen eines Monatskontingents zum Export gelangen. Deutschland seinerseits kann über die anfallende Pauschalwertgrenze im 1. Semester 1943 verfügen, wenn das Protokoll nach Zustimmung der italienischen Regierung in Kraft tritt. Sobald dann mit der laufenden Erteilung von Geleitscheinen gemäss Abschnitt III begonnen wird, kann auch noch über die Pauschalwertgrenze des 2. Semesters 1943 verfügt werden.
6, Schliesslich konnten im Zuge der Berliner Verhandlungen noch eine Reihe wichtiger Einzelfragen auf dem Gegenblockadegebiet befriedigend geregelt werden: Deutschland erteilt für eine Anzahl wichtiger Exporte nach dem Osten wie auch nach Übersee die bisher verweigerten Geleitscheine. Ferner wurde uns eine grössere Anzahl von Zusatzkontingenten für die Uhrenindustrie, besonders auch für die Roskopf-Uhren gewährt, wogegen die Schweiz der Ausfuhr für Uhrenbestandteile für monatlich Fr. 70 000.- für Frankreich unter Bezahlung über das deutsch-schweizerische Verrechnungsabkommen zustimmt. Schliesslich hat die Schweiz noch ihre Einwilligung gegeben, eine Anzahl bereits fertiggestellter Maschinen - die ursprünglich für Russland bestimmt waren - ohne Beistellung des nötigen Kupfers zum Export nach Deutschland zuzulassen. Ferner konnte für die schweizerischen Rückwanderer eine weitere Million Franken freigemacht werden und die Frage der Lizenzüberweisungen für die AG Brown Boveri im Sinne des erhöhten schweizerischen Begehrens von Rm 225 000.- monatlich neu geregelt werden.II.
Gestützt auf obige Ausführungen stellen wir Ihnen die folgenden Anträge:
1. Von diesem Bericht wird in zustimmendem Sinne Kenntnis genommen.
2. Dem Berliner Protokoll vom 5. September a. c. wird die Genehmigung erteilt.
3. Die Handelsabteilung wird ermächtigt, das definitive Inkrafttreten des genannten Protokolles mit den deutschen zuständigen Stellen zu vereinbaren5.
- 1
- E 7800/1/17. Ce texte émane de la Division du Commerce du DEP. Sur ces négociations, cf. E 7110/ 1967/32/900Deutschland/10/1942/1553.↩
- 2
- Les trois objectifs cités ci-dessus dans la note 6 du No 216 sont rappelés.↩
- 4
- K I. 955.↩
- 5
- Cette proposition est approuvée par le Conseil fédéral lors de sa séance du 11 septembre 1942 (cf. PVCF No 1468, E 1004.1 1/425/↩