Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-I, doc. 65
volume linkBern 1979
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7800#1000/1961#1052* | |
Old classification | CH-BAR E 7800(-)1000/1961 76 | |
Dossier title | Kohlen aus dem Saar-Gebiet (1918–1919) | |
File reference archive | 04.3.02.2 |
dodis.ch/43810
Le Directeur de la Centrale des Charbons, J.Jôrin, au Département de l’Economie publique1
BERICHT UBER DIE VON DEN HERRN VON GLENCK, ROTH UND JÖRIN UNTERNOMMENE REISE NACH DEUTSCHLAND ZWECKS ORIENTIERUNG ÜBER DIE MÖGLICHKEIT AUS DESSEN GEBIETEN DIE SCHWEIZ UNTER DEN VERÄNDERTEN VERHÄLTNISSEN AUCH FERNER MIT KOHLEN ZU VERSORGEN
Den 10. u. 1 l.Dez. fanden Besprechungen in Mannheim statt, an welchen als Vertreter unseres Hauptlieferanten, des Kohlenkontors, die Herren Geheimrat Weyhenmeyer und Kommerzienrat Hahn teilnahmen. Es waren ferner zugegen Herr Wippern, Direktor der Kohlenausfuhrstelle in Duisburg und Herr Dach als Vertreter des Reichskommissars für die Kohlenverteilung in Berlin.
Aus diesen Konferenzen ging hervor, dass es in Deutschland mit der Kohlenversorgung viel schlimmer steht als in der Schweiz. Die schon seit geraumer Zeit zurückgegangene Förderung in allen Produktionsgebieten, die auf die Grippe, den Abgang der in den Betrieben beschäftigten grossen Anzahl Gefangener und ausserdem auf die Streike zurückgeführt wird, hat die Kohlennot wesentlich gesteigert. Die Vorräte, sowohl in den Zechen, als in den Rheinhäfen, seien vergriffen. Die Zufuhren seien so schwach, dass, sollte nicht rasch eine namhafte Steigerung der Förderung herbeigeführt werden können, selbst die Betriebe, deren Aufrechterhaltung das wirtschaftliche Interesse dringend erfordere, wie z.B. die Gasund Elektrizitätswerke und die Lebensmittelindustrie, schon in kurzer Zeit weiter eingeschränkt oder sogar stillgelegt werden müssten.
Die Abgabe von Kohlen an das Ausland sei somit gegenwärtig ganz ausgeschlossen. Im günstigsten Falle könnte vielleicht etwas Koks geliefert werden, wovon noch Mengen an den oberrheinischen Häfen lagern, aber auch hiefür wage es der Reichskommissar nicht, Ausfuhrscheine zu erteilen, so lange nicht die ungestörte Schiffahrt auf dem Rheinvon der Entente garantiert und die Ansprüche dieser überhaupt genau festgelegt seien.
Es wurde auch betont, dass das Verbot der Entente, irgend eine Sendung aus den besetzten linksrheinischen Gebieten auf die rechtsrheinischen überzuleiten, die Kalamität verschärfe und dadurch namentlich eine Anzahl Gasanstalten, welche ihre Kohlen zu einem namhaften Teile aus der Saar bezogen hätten, schwer betroffen würden.
Wir stellten fest, dass von den in unserm Abkommen vorgesehenen 200’000 Tonnen monatlich die Kohlenausfuhrstelle die Lieferung von rund 55’000 Tonnen den linksrheinischen Produktionsgebieten, in welchen die Ententemächte die alleinigen Herrscher sind, zugeteilt hat. Wir wünschten eine bezügliche Erklärung, um ein offizielles Schriftstück für die bei der Entente behufs Erlangung der Mengen zu unternehmenden Schritte in Händen zu haben. Die sofortige Zusendung eines solchen Schreibens mit allen nähern Angaben wurde uns zugesagt.
Des fernem ergab sich durch die Diskussion, dass in Strassburg ca. 18’000 Tonnen Feinkohlen für die Fabrikation von Brikets liegen, welch letztere in erster Linie für unsere Bundesbahnen bestimmt waren und ausserdem noch in Strassburg und Lauterburg ca. 13’000 Tonnen Grosskoks, deren Lieferung ebenfalls nach der Schweiz vorgesehen war.
Da die Vertreter des Kohlenkontors erwähnten, es wären ihnen von den schweizerischen Importeuren bereits ca. 5 Millionen Franken als Vorauszahlung geleistet worden, Hessen wir uns ein an die Kohlenzentrale gerichtetes Schreiben aushändigen, in welchem uns als Gegenwert der geleisteten Vorauszahlung genannte Mengen zur Verfügung gestellt werden. Abschrift dieses Schreibens ist Herrn Direktor Ruoff übergeben worden. Eine nachträglich vorgenommene Überprüfung hat allerdings ergeben, dass der vorausbezahlte Betrag nur etwas mehr als 2 Millionen beträgt.
Von deutscher Seite wurde die Ansicht vertreten, dass die Entente kein Recht hätte, die Kohlen für ihre Rechnung zu beanspruchen und aus dem besetzten Gebiete nach der Schweiz zu senden, sondern dass unserseits einfach von der Entente die Einwilligung zum Bezüge einzuholen sei und die Rechnungstellung und Lieferung wie gewohnt durch die bisherigen Lieferer auf Grund des bestehenden Abkommens zu erfolgen hätte.
Indem aus dem besetzten Saargebiet ein Besuch in Mannheim nicht erfolgen konnte, erwirkten Roth und Joerin vom Kommandanten in Ludwigshafen die Erlaubnis, nach Saarbrücken zu fahren, allwo uns von der Königlichen Bergwerksdirektion eröffnet wurde, dass nach erhaltener Meldung vom Herrn Kommandanten Siegler, Chef du Service des mines à Saarbruck, die Sendungen nach der Schweiz wieder aufgenommen werden dürfen. Eine Audienz bei genanntem Kommandanten ergab, dass die Ermächtigung vom Ministre de la reconstitution industrielle in Paris eingetroffen ist, der Schweiz gegen Stellung ihrer eigenen Wagen täglich 1200 Tonnen zu bestimmen. Der Preis werde in Paris festgesetzt. Die Lieferung erfolge in der Meinung, dass die Schweiz. Regierung für die Zahlung garantiere. Selbstverständlich erklärten wir uns mit der Wagenstellung und der Garantieübernahme sofort einverstanden. Der Kommandant fügte bei, dass der Preis seiner Regierung die Schweiz jedenfalls befriedigen werde. Ein Beamter der Bergwerksdirektion sagte uns vertraulich, dass Frankreich an Deutschland nicht mehr als den Inlandspreis zahlen wolle. - A titre de renseignement sei erwähnt, dass die heutigen Preise für den Inlandsabsatz zwischen Mk 30.- bis 32.- die Tonne, je nach Grube und Sorte betragen, währenddem bekanntlich unser Schweizer Preis 190 Schweizer Franken beträgt, somit bei den heutigen Kursverhältnissen das zehnfache des Inlandspreises.
Um den ungesäumten Beginn der Lieferungen zu ermöglichen und die Spedition zu vereinfachen, erteilten wir auf Ansuchen der Bergwerksdirektion den Auftrag, die Sendungen mit Ausnahme der für die SBB und die Gasanstalten vorgesehenen Mengen ausschliesslich an die Kohlenzentrale nach Basel zu richten und alle übrigen Dispositionen der Importeure zu Gunsten einer grossen Anzahl verschiedener Verbraucher als dahingefallen zu betrachten. Die Kohlenzentrale als amtliche Verteilungsstelle werde die Repartition im Einverständnis mit ihrer Oberbehörde in Bern vornehmen. Von der Bergwerksdirektion wurde diese Verfügung als wesentliche Erleichterung empfunden. Der Kommandant nahm uns gegenüber dazu keine Stellung. Ihm dürfte offenbar die zugesagte Zahlungsgarantie der Schweiz als genügend erschienen sein.
Damit betrachteten wir unsere Mission in Saarbrücken als erledigt. Im Einverständnis und auf Wunsch des Kommandanten begaben wir uns nun nach Strassburg zum Commissaire du réseau des chemins de fer d’Alsace-Lorraine, um daselbst wegen der raschen Beförderung des Leermaterials, sowie auch der Überfuhr nach der Schweiz der beladenen Züge vorzusprechen. Unsere Vorstellungen hatten zur Folge, dass der Kommandant in Strassburg, Herr Lebert, sofort eine entsprechende Note der gewesenen Reichsbahndirektion zustellen Hess und nun, wie bekannt, der Verkehr bereits seit 17. Dez. im Gange ist.
- 1
- (Copie): E 7800 1/76.↩