Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 6, doc. 128
volume linkBern 1981
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#891* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 393 | |
Dossier title | Rom, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 15 (1913–1915) | |
File reference archive | 147 |
dodis.ch/43403
Herr Bundesrat!
Am Montag, den 24. Mai benachrichtigte mich Fürst Bülow, dass er seine Pässe verlangt habe und am gleichen Abend mit dem gesamten Personal der Botschaft und der bayerischen Gesandtschaft abreisen werde. Im Laufe des Tages haben wir dann die Geschäfte bestmöglich übernommen und abends den Fürsten am Bahnhof verabschiedet. Er sprach wiederholt seine Freude und Dankbarkeit darüber aus, dass wir die Vertretung der deutschen Interessen übernommen hätten, und versprach mir auch, in Berlin nach Möglichkeit dahin zu wirken, dass uns möglichst wenig Schwierigkeiten geschaffen werden. Weitere Mitteilungen politischer Art hat er mir nicht mehr gemacht.
Auf meinen Wunsch sind in der deutschen Botschaft zurückgelassen worden zwei geheime expedierende Sekretäre und ein Vizekonsul, der bisher in Neapel tätig war. Letzterer soll uns speziell bei Behandlung der Konsulatsgeschäfte behilflich sein und unter Umständen auch unsern Konsuln mit Rat und Tat beistehen können. Vorläufig behalte ich den Herren hier, behalte mir aber vor, ihn nach Neapel zu detachieren, weil die beiden Bezirke Neapel und Palermo sehr stark in Anspruch genommen sein werden. Herrn Generalkonsul Meuricoffre hat das dortige deutsche Konsulat einem Hilfskanzlisten zurückgelassen.
Selbstverständlich erfolgt die Verwendung dieses Personales der deutschen Botschaft und des Konsulates in Neapel im Einverständnis mit dem italienischen Ministerium.
Die Arbeit haben wir so eingerichtet, dass einer der deutschen Herren jeden Morgen zur Besprechung der Eingänge auf unsere Gesandtschaft kommt und dass bei diesem Anlasse die Instruktionen erteilt werden für die Erledigung dieser Geschäfte. Ich sehe mit Bestimmtheit voraus, dass wir die Ausführung der Arbeiten auf unserer Kanzlei konzentrieren müssen und bin auch in der Lage, dies anzuordnen, weil ich wenigsten bis zum Herbst über das ganze Mezzanin meiner neuen Wohnung in Via Piacenza verfügen kann. Wir werden baldmöglichst dorthin übersiedeln.
Beiliegend übergebe ich Ihnen eine Abschrift des Abkommens2 zwischen den Regierungen Deutschlands und Italiens betreffend die gegenseitige Behandlung der Staatsangehörigen während der Kriegsdauer. Wenn diese Vereinbarung eingehalten wird, sollten die Verhältnisse sich nicht so schwierig gestalten, namentlich deshalb nicht, weil tatsächlich die meisten Deutschen abgereist sind. Schwierig wird sich der Schutz der Schiffe gestalten, welche seiner Zeit in die neutralen Häfen Italiens eingelaufen und nunmehr der Sequestrierung ausgesetzt sind. Der deutsche Marineattaché hat uns über diese komplexe Frage sehr genaue Mitteilungen gemacht und Ratschläge erteilt, so dass wir wohl in der Lage sein werden, gegebenen Falles den deutschen Standpunkt zu vertreten.
Gestern war ich bei Minister Sonnino, um offiziell die Übernahme der deutschen Vertretung anzumelden und mich über verschiedene Fragen des Verfahrens und des gegenseitigen Verhaltens zu besprechen. Herr Sonnino bestätigte mir Namens der Regierung die Erklärungen, welche mir der König am Sonntag gemacht hatte, und versicherte mir, dass die Regierung ihr Möglichstes tun werde, um mir die Aufgabe zu erleichtern. Er fügte auch bei, dass ihm sehr daran gelegen sei, die Beziehungen der Schweiz mit Italien zu pflegen und dass er auch da sein Möglichstes tun werde, um unserem Warenverkehr jede zulässige Erleichterung zu gewähren. In diesem Zusammenhange machte er mir die Mitteilung, die ich Ihnen gestern telegraphisch übermittelte und die dahin ging, dass auf Anregung Frankreichs eine gemischte Kommission eingesetzt werden wolle, die sich speziell mit den Transitverhältnissen durch die beiden Länder nach der Schweiz zu befassen hätten. Er fügte bei: Fortan haben wir ja die gleichen Interessen wie England und Frankreich (Aushungerung Deutschlands und Österreichs), aber wir werden selbstverständlich der Schweiz gegenüber alles zugestehen, sobald wir sicher sein können, dass durch die Zugeständnisse an die Schweiz nicht das Interesse der Schädigung unserer Feinde verletzt werden. Ich sprach Herren Sonnino von dem grundsätzlich angenommenen Trust und machte darauf aufmerksam, dass die Klagen über Contrebande schon bisher ganz unbegründet gewesen seien. Ich sagte ihm, dass mir während der ganzen Zeit meines Hierseins wohl viele Klagen zu Ohren gekommen seien, aber nicht eine einzige Tatsache nachgewiesen worden sei, welche beweisen würde, dass die Schweizer Käufer Contrebande treiben. Er konnte mir das Gegenteil nicht behaupten.
Nachdem nun diese Dispositionen bestehen und Sie mir berichtet haben, dass der bewusste Trust im Grundsätze angenommen sei, gedenke ich zunächst die Annahme unserer Liste der Ordresendungen bis heute zu verlangen. Herr Grimm kommt heute hierher, um diese Liste zu bereinigen. Die Regelung des Verhältnisses für die Zukunft wird wohl am besten auf den Zeitpunkt verschoben werden, auf welchen genaue Mitteilungen gemacht werden können über die Organisation und Wirkung dieses Trustes.
f.J3