dodis.ch/42122 Der schweizerische Gesandte in
Wien, J.J. von
Tschudi, an den Bundespräsidenten und Vorsteher des Politischen Departements,
K. Schenk1
Konfidentiell Wien, 2. Dezember 1878
Als ich heute mit mehreren Diplomaten auf dem Ministerium des Äusseren zusammentraf, fragte mich der bayer’sche Gesandte Bray ob der Bundesrath irgend eine officielle Mittheilung der spanischen Regierung wegen der Internationalen erhalten habe. Auf meine Verneinung hin entspann sich ein allgemeines Gespräch über die diesbezüglichen Zeitungsnachrichten und es wurden dieselben von den Anwesenden als kindische Demonstrationen bezeichnet und es fehlte nicht an komischen Bemerkungen über die spanischen Gelüste.
Alle Diplomaten versicherten es sei ihnen nicht das Mindeste davon bekannt, dass spanischerseits an ihre Regierungen irgend eine Anfrage oder Einladung wegen Maassregeln gegen das Asylrecht der Schweiz gerichtete worden, ebenso wenig, dass diess bezüglich der hiesigen Regierung geschehen sei. Man kam auch auf das Asylrecht, das Andrassy in schwierigen Zeiten genossen hatte zu sprechen und der deutsche Botschafter Prinz Reuss erzählte bei dieser Gelegenheit es sei ihm vor kurzem aus Budapest ein ungarisches sogenanntes «Witzblatt» mit einer characteristischen Doppelzeichnung zugeschickt worden. Unter der Überschrift 1849 ist nämlich ein Galgen abgebildet, an dem Graf Andrassy hängt; ein Türke eilt hinzu und schneidet den Strick durch; nebenan unter der Überschrift 1878 ist wieder ein Galgen, an dem ein Türke hängt. Andrässy steht daneben und zieht an den Füssen des Türken um ihn ja sicher zu erdrosseln.
Baron de Pont gegenüber erwähnte ich, Ihrem Wunsche gemäss, über diese Frage gar nichts. Als ich das Zimmer verliess begegnete mir der spanische Legationssecretair, Herr Baguer, der bei Baron de Pont sich erkundigen wollte, wann sein Chef, Minister Conte, seine Creditive dem Kaiser übergeben könne. Ich sagte zu H. Baguer, der bei Baron de Pont sich erkundigen wollte, wann sein Chef, Minister Conte, seine Creditive dem Kaiser übergeben könne. Ich sagte zu H. Baguer, den ich seit 8 Jahren kenne, scherzend «Sie wollen uns ja den Krieg erklären». Ach, das sind Journalauswüchse, entgegnete er, denen die Regierung ganz fremd ist; ich kann Sie auf das bestimmteste und ganz aufrichtig versichern, dass unsere Gesandtschaft nicht die leiseste Andeutung von der Königl. Regierung über die ganze Geschichte erhalten hat.
Nach All dem glaube ich die Annahme, dass die spanische Regierung Schritte gegen das Asylrecht der Schweiz plane, für nicht zutreffend, es bleibt indessen nicht ausgeschlossen, dass das spanische Ministerium durch die Artikel der «Correspondencia» und der «Epoca» Fühler um die Stimmung in anderen Staaten in dieser Richtung zu sondieren, ausstrecken wollte, sie aber, bei dem geringen Anklange, den ihre Intentionen gefunden, wieder zurückzog.