Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 25, doc. 111
volume linkZürich/Locarno/Genève 2014
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7110#1982/108#2177* | |
Old classification | CH-BAR E 7110(-)1982/108 134 | |
Dossier title | Handelsverträge mit der Schweiz (1971–1971) | |
File reference archive | 821 • Additional component: Pakistan |
dodis.ch/35308 Der Vizedirektor der Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements, H. Bühler, an den schweizerischen Botschafter in New Delhi, F. Real1
Das zu Ende gehende Jahr hat Ihnen Probleme gebracht, die Sie wohl bei Antritt Ihres Postens kaum in dieser Tragweite voraussahen. Allerdings hatten Sie den «Vorteil» Ihrer Erfahrungen in Nigeria2, wenn es sich dort auch um andere Grössenordnungen handelte. Auf dem indischen Subkontinent wird es wohl noch lange keine Ruhe geben und damit werden wir uns abfinden müssen. Bitte betrachten Sie mich nicht als «merkantil», wenn ich nun von meinem Tisch aus vor allem an die Folgen des Konfliktes3 für unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu den beiden Ländern4 denke; die rein menschlichen Aspekte sind mir deshalb nicht fremd. Der Zweck meines persönlichen Schreibens liegt darin, von Ihnen wenn möglich gewisse Anhaltspunkte für die Beurteilung der Lage zu erhalten.
Pakistan hat seit Erlass des Moratoriums vom 1. Mai 19715 auf den beiden Transferkrediten weder Amortisationen, noch Zinsen bezahlt, während Zahlungen aus Geschäften ausserhalb der Transferkredite bis vor kurzem noch prompt geleistet wurden. Das Moratorium vom 1. Mai 1971 bezog sich nur auf Regierungskredite. Trotz unserer offiziellen Erklärung, dass der erste Transferkredit6 ein reiner Bankenkredit sei und nicht unter den Zahlungsstop falle, vertritt Islamabad den Standpunkt, er basiere auf einer Regierungsvereinbarung und sei daher in das Moratorium einzuschliessen. Bei dieser Sachlage haben wir alle Gesuche um Unterstellung unter die Transferkredite und Gewährung der Exportrisikogarantie zurückbehalten7. Seitdem Pakistan auch die kommerziellen Lieferkredite nicht mehr honoriert, geben wir überhaupt keine Garantien mehr. Anderseits haben wir für alle bis 30. Juli 1971 fällig gewordenen Zahlungen (Amortisationen und Zinsen) aus Geschäften der Transferkredite I und II8 dem schweizerischen Bankenkonsortium das ERG-Betreffnis überwiesen. Unser Engagement ersehen Sie aus der beiliegenden Aufstellung vom 17. Dezember 19719. Für uns stellt sich dann die Frage, wer schliesslich für unsere Lieferungen nach Ostpakistan10 haftet, die neue Regierung von Bangla Desh oder Islamabad. Vorläufig wird man die weitere innenpolitische Entwicklung abwarten müssen. Pakistan wird wohl eine Konsolidierung seiner Aussenschuld11 verlangen, die u. E. auf multilateraler Ebene12 ausgehandelt werden müsste.
Indien: Unser Engagement geht aus der beiliegenden Notiz vom 8. Dezember 1971 hervor (172 Mio. Franken). Bis jetzt hat Indien seine Zahlungen mit vorbildlicher Pünktlichkeit geleistet. Wird es dies trotz der enormen Belastung seiner Reserven auch weiterhin tun können? Wird Indien eine Konsolidierung verlangen oder geht die Tendenz in der Richtung neuer, aber weicher Kredite oder denkt man an eine Kombination der beiden Lösungen? Ich möchte betonen, dass ich nicht etwa um eine Abklärung mit unseren Partnern, sondern nur um Ihre persönliche Beurteilung bitte.
Im Gesamtzusammenhang stellen sich für mich noch folgende zwei Fragen:
1. Dehli hat uns ja den Besuch von Herrn M. G. Kaul angekündigt, der uns ein Kreditbegehren unterbreiten will. Unsere Auffassung betreffend Verwendung eines solchen Kredites kennen Sie bereits. Ich frage mich nur, ob der Zeitpunkt von Ende Januar/Anfang Februar 197213 nicht doch etwas verfrüht ist, wenn man bedenkt, dass Ihr Gastland in der öffentlichen Meinung heute etwas angeschlagen ist und dieser Besuch wohl kaum geheim gehalten werden könnte. Wäre es nicht besser, wenn Mr. Kaul uns vorläufig einfach die Unterlagen zur Prüfung zustellen würde14?
2. Eine weitere offene Frage sehe ich im indischen Begehren, die Kosten in der Schweiz für einen «market survey» nun zu übernehmen und die Sache in die Wege zu leiten. Ich verweise dazu auf die Ihnen zugestellte Kopie meines Briefes vom 17. August 1971 an Herrn Botschafter Singh15 und an unser Schreiben vom gleichen Datum16. Hier gelten meine unter Ziffer 1 erwähnten Bedenken noch in vermehrtem Masse, weil es sich ja darum handeln würde, unseren Importeuren vermehrte Bezüge aus Indien zu empfehlen. Den beidseitigen Absichten betreffend Erhöhung unserer Bezüge aus Ihrem Gastland wäre wohl kaum gedient, wenn die geplanten Kontakte, die ja auch irgendwie publik würden, in einer eher gespannten Atmosphäre stattfänden. Längerfristig gesehen stehe ich zu der Sache durchaus positiv, stelle mir aber doch die Frage nach dem günstigen Zeitpunkt für ein solches Unternehmen.
Ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich Ihre ohnehin ausgelastete Zeit mit meinen Fragen in Anspruch nehme. Es liegt mir aber wirklich daran, diese Probleme auf Grund einer objektiven Beurteilung weiterzubehandeln. Jedenfalls danke ich Ihnen zum voraus für alle Überlegungen, mit denen Sie mir meine Aufgabe erleichtern können.
- 1
- Schreiben (Kopie): CH-BAR#E7110#1982/108#2177* (821).↩
- 2
- F. Real war vom 15. April 1966 bis zum 30. Dezember 1970 schweizerischer Botschafter in Lagos. In diese Zeit fällt auch der Biafra-Konflikt. Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 18, dodis.ch/33817.↩
- 3
- Zum Konflikt auf dem indischen Subkontinent um die Unabhängigkeit von Bangladesch vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 87, dodis.ch/35284; Dok. 106, dodis.ch/35311; Dok. 113, dodis.ch/35283; Dok. 126, dodis.ch/35309 und Dok. 135, dodis.ch/35893.↩
- 4
- Zu den wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz zu Indien vgl. auch DDS, Bd. 25, Dok. 1, dodis.ch/35285. Zu den Beziehungen zu Pakistan vgl. das BR-Prot. Nr. 651 vom 6. April 1970, dodis.ch/35356; das Schreiben von H. Bühler an E. Tosio vom 15. September 1970, dodis.ch/35361 und die Notiz von L. Rochat vom 31. August 1971, dodis.ch/35360.↩
- 5
- Vgl. dazu die Notiz Pakistan – Das Moratorium vom 1. Mai 1971 und die bisherige Entwicklung vom 5. Oktober 1971, CH-BAR#E7110#1982/108#2182* (861.5).↩
- 6
- Zum Transferkredit I vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 79, dodis.ch/30926, Anm. 8.↩
- 7
- Vgl. dazu die Notiz von H. Bühler vom 3. Oktober 1972, dodis.ch/35359.↩
- 8
- Zum Transferkredit II vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 144, dodis.ch/32801, und das BR-Prot. Nr. 620 vom 1. April 1970, dodis.ch/35343.↩
- 9
- Schreiben von H. Bühler an die Geschäftsstelle für die Exportrisikogarantie vom 17. Dezember 1971, Doss. wie Anm. 1.↩
- 10
- Vgl. dazu die Notiz von O. Rist vom 6. April 1972, dodis.ch/35344 und die Notiz von H. Bühler an E. Brugger vom 29. Dezember 1972, dodis.ch/35355.↩
- 11
- Vgl. dazu die Notiz vom P. R. Jolles an E. Brugger vom 1. Dezember 1970, dodis.ch/35358.↩
- 12
- Zum Pakistankonsortium der Weltbank vgl. das Schreiben von M. Heimo an H. Bühler vom 2. März 1970, dodis.ch/35357 und Doss. CH-BAR#E7110#1983/13#2073* (861.5).↩
- 13
- Zum Besuch von M. G. Kaul vom Februar 1972 vgl. die Notiz von A. Heuberger vom 9. Februar 1972, dodis.ch/35406.↩