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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 113
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#581* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 80 | |
Dossier title | Amtshandlungen fremder Polizei- und anderer Amtspersonen (1952–1967) | |
File reference archive | B.11.42.0 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#3226* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 727 | |
Dossier title | Amtshandlungen englischer Amtspersonen in der Schweiz (1964–1967) | |
File reference archive | B.11.42.0 • Additional component: Grossbritannien |
dodis.ch/31433
Rundschreiben des Politischen Departements an 35 Ämter1
Ausländische Amtshandlungen in der Schweiz
Wir hatten uns in der vergangenen Zeit in vermehrtem Masse mit dem Problem der ausländischen Amtshandlungen in der Schweiz zu befassen. Es handelt sich dabei in der Hauptsache um Kontrollen ausländischer Amtsstellen bei Gesellschaften in der Schweiz2. Bekanntlich stellt Art. 271 Strafgesetzbuch die Vornahme von verbotenen Handlungen für einen fremden Staat unter Strafe. Strafbar ist dabei nicht nur die Person, die solche Handlungen ohne Bewilligung vornimmt, sondern auch diejenige, die ihr Vorschub leistet, d. h. also auch die verantwortlichen Personen einer Unternehmung, die eine solche Inspektion zulassen. Auch ermittlungsähnliche Tatbestände fallen unter die genannte Strafbestimmung.
In den letzten Jahren haben sich die Bestrebungen fremder Staaten, durch ihre Beamten Amtshandlungen auch auf schweizerischem Gebiet vorzunehmen, verstärkt. Dazu hat vor allem die wachsende Interdependenz und die damit verbundene Verflechtung der Volkswirtschaften beigetragen. Zusammen mit der Bundesanwaltschaft und den jeweils in Frage kommenden Fach instanzen hat das Politische Departement solche ausländische Amtshandlungen immer abgelehnt. Art. 271 StGB bildet dazu die rechtliche Handhabe.
Es entspricht konstanter schweizerischer Praxis, Amtshandlungen ausländischer Beamter auf Schweizergebiet nicht zuzulassen. Zur Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz gehört der Schutz der Gebietshoheit, welche durch das Tätigwerden ausländischer Beamter verletzt würde. Unerlässlich ist, dass die schweizerische Haltung gegenüber allen Staaten grundsätzlich dieselbe ist und nicht etwa im Verhältnis zu einem Staat ein Präjudiz geschaffen wird, auf das sich andere berufen können.
Eine ausländische Kontrolle in der Schweiz ist ausnahmsweise zulässig, wenn sie staatsvertraglich vereinbart worden ist. Genannt seien vor allem die im Rahmen der Kooperationsabkommen auf dem Gebiet der Atomenergie3 (USA4, Grossbritannien5, Kanada6) getroffenen Regelungen sowie die Abkommen über gegenüberliegende Grenzabfertigungsstellen7.
Ausserhalb eigentlicher Staatsverträge sind auch besondere Abmachungen mit fremden Staaten getroffen worden. Wir erinnern an die für die schweize rische Exportindustrie anstelle beabsichtigter ausländischer Kontrollen vor gesehene Einschaltung schweizerischer Instanzen (kantonale Handelskammern), die zu Handen ausländischer Zollbehörden, z. B. in bezug auf den sogenannten Wertzoll, die erforderlichen Abklärungen vornehmen. Unsere Bemühungen gehen dahin, solche Ersatzlösungen, die die schweizerische Gebietshoheit nicht verletzen, auch auf anderen Sachgebieten vorzusehen.
Wir beschäftigen uns in diesem Zusammenhang vor allem mit der Heilmittelgesetzgebung einzelner Staaten (z. B. USA8, Grossbritannien9), in denen der Import gewisser Heilmittel davon abhängig gemacht wird, dass Beamte des betreffenden Staates die Fabrikationsbetriebe des exportierenden Unternehmens in der Schweiz inspizieren können. Im Verhältnis zu Grossbritannien gilt unsere Aufmerksamkeit ferner der britischerseits verlangten Kontrolle schweizerischer Schlachthöfe10 im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Fleischwaren nach diesem Land. Ein ähnliches Problem stellt der Wunsch gewisser internationaler Organisationen11 (z. B. ESRO12, Europäische Organisation für Raumforschung) dar, die im Zusammenhang mit Submissionen schweizerischer Unternehmen deren Angebote an Ort und Stelle zu überprüfen wünschen.
Im Einvernehmen mit den interessierten Wirtschaftskreisen lehnen wir grundsätzlich ausländische Kontrollen ab; stattdessen soll geprüft werden, ob eine Ersatzlösung getroffen werden kann, die sowohl den Bedürfnissen der Schweiz wie denjenigen der interessierten ausländischen Stellen entspricht. In diesem Sinn sind Bestrebungen im Gange, die bereits zu verschiedenen Kontaktnahmen auf zwischenstaatlicher Ebene geführt haben. Dabei hat sich ergeben, dass offenbar ohne Wissen der zuständigen schweizerischen Behörden in vereinzelten Fällen bereits ausländische Kontrollen in der Schweiz erfolgt sind13. Bekannt sind uns je ein Fall eines Unternehmens der pharmazeutischen und eines der Flugzeugindustrie. Während im zweitgenannten Fall eine Kontrolle mit Wissen der zur Erteilung einer Bewilligung allerdings nicht zuständigen Fachbehörden erfolgte, ist gegen die Firma der Heilmittelbranche ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
Die vorliegende Umfrage bezweckt, von den in Betracht fallenden Bundesstellen zu erfahren, ob ihnen Fälle bekannt sind, bei welchen eine Kontrolle in der Schweiz vom Ausland aus – und zwar auch seitens internationaler Organisationen – vorgenommen wurde, oder ob solche allfälligen Anfragen von ihnen abgelehnt wurden. Aus diesem Grund richteten wir diese Umfrage an die in Beilage 114 genannten Amtsstellen und ersuchen Sie, uns Ihre etwaigen Erfahrungen im Zusammenhang mit beabsichtigten ausländischen Kontrollen bekannt zu geben. Ihre Antwort sollte auch allfällige Ihnen aus Ihrem Arbeitsgebiet bekannte Erfahrungen aus dem kantonalen Bereich beziehen. Von erheblichem Interesse wäre auch in Erfahrung zu bringen, ob im umgekehrten Fall bereits schweizerischerseits Gesuche ans Ausland um Vornahme von schweizerischen Kontrollen gestellt oder erwogen worden sind. Zu diesem Zweck haben wir einen Fragebogen ausgearbeitet (Beilage 215) und bitten Sie, uns auf Grund dieses Frageschemas Ihre Antwort bis Ende November dieses Jahres zukommen zu lassen. Wir haben darin das Wort «Kontrolle» verwendet, verstehen darunter aber im weiten Sinn alle Amtshandlungen von Behörden.
Damit Sie sich ein Bild über die in Frage kommenden Tatbestände machen können, legen wir eine Liste der uns bekannten Fälle ausländischer Kontrollen in der Schweiz bei (Beilage 316).
Wir sehen Ihren möglichst umfassenden Mitteilungen17 mit besonderem Interesse entgegen und danken Ihnen für Ihre wertvolle Mitarbeit im voraus bestens.
- 1
- Schreiben: E 2001(E) 1978/84 Bd. 80 (B.11.42). Verfasst von R. Bär und unterzeichnet von E. Diez. Für die Auflistung der 35 Adressaten vgl. Beilage 1, dodis.ch/31433.↩
- 2
- Vgl. z. B. zu Rhodesien das Schreiben von H. Bühler an J. Knüsi vom 1. Oktober 1964, dodis.ch/31136.↩
- 3
- Vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 78, dodis.ch/31701.↩
- 4
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 40 vom 4. Januar 1966, dodis.ch/31965.↩
- 5
- Zur Kooperation mit Grossbritannien vgl. das BR-Prot. Nr. 1435 vom 11. August 1964, dodis.ch/31430.↩
- 6
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 1721 vom 28. September 1964, dodis.ch/32018.↩
- 7
- Zu den Grenzabfertigungsstellen mit der Bundesrepublik Deutschland vgl. Doss. E 2001(E) 1978/84412 (C.11.20).↩
- 8
- Vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 172, dodis.ch/18878, und Doss. E 2001(E) 1978/84 Bd. 425 (B.11.42).↩
- 9
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 87, dodis.ch/31434.↩
- 10
- Vgl. dazu das Schreiben von E. Fritschi an das Politische Departement vom 18. September 1964, dodis.ch/31435.↩
- 11
- Vgl. dazu die Notiz von M. Krafft vom 11. Juli 1966, Doss. wie Anm. 1.↩
- 12
- Vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 88, dodis.ch/31322, Anm. 3.↩
- 13
- Vgl. Beilage 3, dodis.ch/31433 und das Schreiben von A. Weitnauer an P. Micheli vom 6. Januar 1966, Doss. wie Anm. 1.↩
- 14
- Für die Beilage vgl. dodis.ch/31433.↩
- 15
- Für die Beilage vgl. dodis.ch/31433.↩
- 16
- Für die Beilage vgl. dodis.ch/31433.↩
- 17
- Vgl. z. B. das Schreiben von E. Fritschi an den Rechtsdienst des Politischen Departements vom 1. November 1965, dodis.ch/32041. Vgl. ferner Doss. wie Anm. 1.↩
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