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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 43
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E-01#1982/58#2660* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)-01/1982/58 327 | |
Dossier title | Anerkennung Südkoreas durch die Schweiz (1964–1971) | |
File reference archive | B.15.11 • Additional component: Korea |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#7279* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 1033 | |
Dossier title | Anerkennung durch die Schweiz. Süd-Vietnam (1957–1967) | |
File reference archive | B.15.11 • Additional component: Vietnam |
dodis.ch/31039
Notiz der Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements1
Diplomatische Beziehungen mit Südkorea. Das Problem der geteilten Staaten2
Aus neutralitätspolitischen Gründen strebt die Schweiz grundsätzlich die Universalität ihrer Beziehungen mit dem Ausland an3. In diesem Sinne haben wir, vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg, das Netz unserer Aussenposten über die ganze Welt ausgedehnt und sind heute sozusagen in sämtlichen Staaten des Westens wie des Ostens diplomatisch vertreten4. Als Ausnahmen können – abgesehen von soeben erst unabhängig gewordenen Staaten – genannt werden: Albanien5, Jemen6, Kuweit7, Somaliland8, Südvietnam9 und Südkorea10, die wir anerkannt, Ostdeutschland11, Formosa12, Nordkorea13 und Nordvietnam14, die wir nicht anerkannt haben15.
Ein besonderes Problem stellt unser Verhältnis zu den geteilten Staaten dar: Deutschland, China, Vietnam und Korea. Nachdem sich hier acht Halbstaaten unter dem Schutz ihrer westlichen und östlichen Verbündeten zu selbständig organisierten Staatswesen entwickelt haben und eine Wiedervereinigung vorderhand nicht im Bereiche des Möglichen zu liegen scheint, hätten wir von uns aus gesehen in Anwendung völkerrechtlicher Kriterien grundsätzlich mit allen acht normale Beziehungen aufnehmen zu können. Infolge der ultimativen Haltung der rivalisierenden Regierungen sehen oder sahen wir uns in diesen Fällen jedoch vor die Wahl gestellt, entweder überhaupt mit keiner Seite offiziell zu verkehren oder uns in nüchterner Abwägung der schweizerischen Interessen für die diplomatische Anerkennung der einen oder der anderen Hälfte zu entscheiden. Das Universalitätsprinzip lässt sich hier also nicht mehr konsequent befolgen. Völlige Abstinenz verlangt unsere Neutralitätspolitik aber auch in diesen Fällen nicht, noch wäre sie mit unseren wirtschaftlichen Interessen vereinbar. So haben wir denn auch seinerzeit im Falle Deutschlands für Bonn16 und im Falle Chinas für Peking17 optiert, wodurch wir uns aber automatisch der Möglichkeit begaben, unsere Interessen in der DDR und auf Formosa diplomatisch oder auch nur konsularisch zu wahren.
In Vietnam und Korea sprechen wirtschaftliche Überlegungen ganz eindeutig für Beziehungen mit den Südhälften. Dazu kommt, dass letztere im Gegensatz zu den kommunistischen Nordhälften nicht nur bei ihren Verbündeten, sondern auch im Lager der «Nichtverpflichteten» weitgehend Anerkennung gefunden haben und in verschiedenen Sonderorganisationen der UNO vertreten sind. Im Falle von Südkorea kann ferner als Positivum angeführt werden, dass die Regierung von Seoul von den Vereinten Nationen seinerzeit in einer Resolution als die einzige legitimierte Regierung in Korea anerkannt worden ist. Weder in Nordvietnam noch in Nordkorea gab und gibt es andererseits schweizerische Interessen, die offizielle Beziehungen als notwendig erscheinen lassen.
Im heutigen Südvietnam waren wir schon seit der französischen Kolonialzeit konsularisch vertreten. Mit Beschluss vom 23. Juni 196118 hat der Bundesrat der durch die Schweiz 1958 anerkannten Regierung von Saigon19 auf ihren Wunsch die Eröffnung einer diplomatischen Vertretung in Bern erlaubt. Die Südvietnamesen haben von dieser Möglichkeit bisher allerdings keinen Gebrauch gemacht20. Angesichts der politischen Lage in Vietnam21 wäre es uns heute nicht möglich, Gegenrecht zu halten, d. h. den Räten die Akkreditierung eines schweizerischen Botschafters in Saigon zu beantragen. Das dortige schweizerische Generalkonsulat genügt übrigens heute unseren Bedürfnissen.
Südkorea hat im Frühjahr 1963 in Bern eine eigene Botschaft eröffnet, nachdem der Bundesrat mit Beschluss vom 6. November 196222 hiezu seine Einwilligung erteilt hatte. Der Stand des Warenaustausches zwischen der Schweiz und Südkorea, wie auch die mutmasslichen Entwicklungsmöglichkeiten lassen die völlige Normalisierung unserer Beziehungen zu Seoul als wünschbar erscheinen (wir verweisen diesbezüglich auf den Bericht von Botschaftsrat Miesch, Tokio, über seine Südkoreareise vom Mai dieses Jahres23). Wir beabsichtigen, den schweizerischen Botschafter in Japan24, der seinen Sitz in Tokio beibehalten würde, bei der Regierung von Seoul zu akkreditieren25.
Abschliessend sei bezüglich unserer Beziehungen zu den geteilten Staaten noch bemerkt, dass die von uns nicht anerkannten Hälften der geteilten Staaten gelegentlich Versuche unternehmen, zu offiziellen Kontakten mit Bern oder mit unseren Aussenposten und damit wenigstens zu einer Art de facto Anerkennung zu gelangen. Pankow steht mit derartigen Vorstössen an erster Stelle26. Die Vertreter von Taipeh sind kürzlich auch aktiver geworden, und zurzeit versucht Pyongyang, sich an unsere Mission in Peking heranzumachen27. Keine Vorstösse unternahm bisher Hanoi28. Im Interesse einer ungestörten Entwicklung unserer Beziehungen zu den von der Schweiz anerkannten Regierungen verhalten wir uns gegenüber diesen Annäherungsversuchen auf offizieller Ebene natürlich ablehnend29, was nicht ausschliesst, dass die fraglichen Regierungen direkt mit den interessierten Wirtschaftskreisen in der Schweiz verkehren.
- 2
- Zum Umgang der Schweiz mit geteilten Staaten allgemein, bes. mit der Problematik der Anerkennung, vgl. DDS, Bd. 21, Dok. 148, dodis.ch/15235; DDS, Bd. 22, Dok. 13, dodis.ch/18909, dodis.ch/18909 und Dok. 111, dodis.ch/18923. Zum Umgang mit Vertretern von von der Schweiz nicht anerkannten Staaten bzw. Regierungen vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 80, dodis.ch/30915.↩
- 3
- Zur schweizerischen Neutralitätspolitik in der Nachkriegszeit vgl. DDS, Bde. 16–21, thematisches Verzeichnis: I.1. Doctrine officielle de la neutralité. Zur Anerkennung neuer Staaten vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 98, dodis.ch/31268, Anm. 4.↩
- 4
- Zur Politik der Errichtung neuer diplomatischer Vertretungen der Schweiz vgl. die Botschaften des Bundesrats, BBl, 1945, II, S. 11–13 sowie BBl, 1955, II, S. 1109–1126.↩
- 5
- Zur Anerkennung von Albanien durch die Schweiz vgl. z. B. DDS, Bd. 16, Dok. 71, dodis.ch/1672; das Schreiben von H. Keller an P. Micheli vom 10. März 1964, dodis.ch/31840; die Notiz von E. Moser vom 6. April 1964, dodis.ch/31841 und das Schreiben von H. Keller an P. Micheli vom 13. Dezember 1966, dodis.ch/31839.↩
- 6
- Zur Frage der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen mit Jemen vgl. das BR-Verhandlungsprot. der 57. Sitzung vom 19. September 1966, E 1003(-) 1994/26 Bd. 4, S. 1–3 und Doss. E 2001(E) 1978/84 Bd. 1040 (B.15.11).↩
- 7
- Zur Anerkennung von Kuwait durch die Schweiz vgl. den Antrag des Politischen Departements an den Bundesrat vom 6. Oktober 1961, dodis.ch/30543.↩
- 8
- Zur Anerkennung von Somaliland durch die Schweiz vgl. das BR-Prot. Nr. 927 vom 27. Mai 1960, dodis.ch/15540.↩
- 9
- Zur Anerkennung von Südvietnam durch die Schweiz vgl. das BR-Prot. Nr. 583 vom 1. April 1958, dodis.ch/15232. Zu den diplomatischen Beziehungen mit Südvietnam vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 116, dodis.ch/31154.↩
- 10
- Zur De-iure-Anerkennung Seouls und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen durch die Eröffnung einer Vertretung Südkoreas in Bern vgl. das BR-Prot. Nr. 1934 vom 6. November 1962, dodis.ch/18914. Zur Vertretung der Schweiz in Südkorea vgl. das BR-Prot. Nr. 1924 vom 3. November 1964, E 1004.1(-) 1000/9 Bd. 691.1; den politischen Bericht Nr. 3 von J. de Rham an F. T. Wahlen vom 9. Februar 1965, dodis.ch/31378; die Notiz von A. Glesti vom 5. März 1965, dodis.ch/31860 und das BR-Prot. Nr. 1562 vom 17. September 1965, E 1004.1(-) 1000/9 Bd. 701.2.↩
- 11
- Zu den Bemühungen der Deutschen Demokratischen Republik um diplomatische Anerkennung vgl. DDS, Bd. 21, Dok. 56, dodis.ch/15241, und Dok. 82, dodis.ch/31183, bes. Anm. 10.↩
- 12
- Zur Frage der Anerkennung Formosas vgl. Doss. E 2001(E)-01 1988/16 Bd. 644 (B.15.11.3).↩
- 13
- Zu den Bemühungen Nordkoreas um diplomatische Anerkennung vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 91, dodis.ch/31372 und Dok. 184, dodis.ch/31369.↩
- 14
- Zum Versuch der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Nordvietnam vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 144, dodis.ch/31184, bes. Anm. 7 und die Notiz von B. Dumont an W. Spühler vom 15. Februar 1966, dodis.ch/31038.↩
- 15
- Zum Verkehr mit Vertretern von anderen, von der Schweiz nicht anerkannten Regierungen vgl. bspw. für Asad Kaschmir das Schreiben von A. Kamer an R. Stoudmann vom 24. Juni 1965, dodis.ch/30848 oder für Rhodesien das Schreiben von R. Probst an J. Knüsi vom 7. Dezember 1965, dodis.ch/31109.↩
- 16
- Zu den diplomatischen Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland vgl. DDS, Bd. 18, Dok. 49, dodis.ch/8095, und DDS, Bd. 19, Dok. 96, dodis.ch/9041. Zum Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik Deutschland vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 122, dodis.ch/31216; die Notiz von R. Bär an E. Diez und A. Janner vom 21. September 1965, dodis.ch/31301 und das Telegramm Nr. 18 des Politischen Departements an die schweizerische Botschaft in Köln vom 9. Februar 1966, dodis.ch/31305.↩
- 17
- Zu den diplomatischen Beziehungen mit China vgl. DDS, Bd. 18, Dok. 4, dodis.ch/4200; Dok. 53, dodis.ch/8182 und DDS, Bd. 22, Dok. 111, dodis.ch/18923. Siehe auch DDS, Bd. 23, Dok. 175, dodis. ch/30922. Zur Frage der Anerkennung der Volksrepublik China vgl. die Notiz von M. Petitpierre an A. Zehnder vom 7. Oktober 1949, dodis.ch/8017 und die Notiz von G. de Dardel an M. Petitpierre vom 27. Oktober 1949, dodis.ch/8207.↩
- 18
- Vgl. den Antrag des Politischen Departements an den Bundesrat vom 19. Juni 1961, dodis.ch/15236, das BR-Prot. Nr. 1153 vom 23. Juni 1961, E 1004.1(-) 1000/9 Bd. 650.2. Vgl. auch DDS, Bd. 22, Dok. 13, dodis.ch/18909.↩
- 19
- Vgl. Anm. 9.↩
- 20
- Diese Haltung Südvietnams änderte sich Ende 1965, vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 116, dodis.ch/31154.↩
- 21
- Zur Beurteilung der Lage in Südvietnam durch den Bundesrat vgl. das BR-Verhandlungsprot. der 11. Sitzung vom 12. Februar 1965, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3, S. 1: Die Amerikaner seien entschlossen zurückzuschlagen und die Chinesen wären in der Lage im ganzen Randgebiet eine äusserst gefährliche Situation zu schaffen. Es dürfte sich vorerst empfehlen, ohne irgendwie Panik zu machen, die vorsorgliche Anlegung von Notvorräten in Erinnerung zu rufen. Der Delegierte für wirtschaftliche Kriegsvorsorge schlägt eine ruhige Art der Propaganda vor, die man nur begrüssen könne.↩
- 22
- BR-Prot. Nr. 1934 vom 6. November 1962, dodis.ch/18914.↩
- 23
- Vgl. den Bericht von H. Miesch vom 2. Juni 1964, E 2001(E)-01 1982/58 Bd. 327 (B.15.11). Zu den Beziehungen mit Südkorea vgl. auch DDS, Bd. 23, Dok. 124, dodis.ch/31373 und Dok. 133, dodis. ch/31376.↩
- 25
- Vgl. Anm. 10.↩
- 26
- Vgl. Amn. 11.↩
- 27
- Vgl. Anm. 13.↩
- 28
- Vgl. Anm. 14.↩
- 29
- Vgl. Anm. 2 und 15.↩
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