Besuch des Generaldirektors des israelischen Aussenministeriums, Eytan, beim schweizerischen Minister in Tel-Aviv. Eytan möchte die Haltung der schweizerischen Regierung zur Frage des Umzugs des israelischen Auswärtigen Amtes von Tel-Aviv nach Jerusalem erfahren.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 19, doc. 66
volume linkZürich/Locarno/Genève 2003
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1970/217#6120* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1970/217 320 | |
Dossier title | Verlegung des israelischen Aussenministeriums von Tel Aviv nach Jerusalem und Frage der Akkreditierung eines schweiz. Gesandten (1952–1957) | |
File reference archive | B.75.21.1.(1) |
dodis.ch/9436 Der schweizerische Gesandte in Tel-Aviv, O. K. Seifert, an den Chef der Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements, A. Zehnder1
In Ergänzung meines Berichts von heute2 über die Verlegung des Aussenministeriums nach Jerusalem möchte ich zu Ihrer persönlichen und vertraulichen Orientierung noch folgendes berichten:
Durch einen Zufall erfuhr ich die Nachricht aus israelischer Quelle bereits am Donnerstagnachmittag. Mittwochvormittag hatte mich Generaldirektor Eytan telephonisch eingeladen, ihn Freitag um 11.30 Uhr aufzusuchen. Ich nahm an, es handle sich um die offizielle Bekanntgabe des Regierungsbeschlusses. Meine Vermutung war unrichtig. Keiner meiner Kollegen ist in dieser Sache vorgeladen worden. Eytan wollte den Fall Paillard A. G.3 mit mir besprechen (Schreiben Ihrer Abteilung vom 22. Mai4 – s.B.51.322. Lig.arba.O – auf das ich am 7. Juni5 eingehend geantwortet habe).
Zu Beginn der Besprechung sagte mir Eytan, er werde mir nachher noch ein Geheimnis verraten. Ich werde der erste sein, der es erfahre. Er blickte mehrere Male während des Gesprächs auf seine Uhr und rückte schliesslich um 12.15 h. mit der Sprache heraus. Das Ministerium würde Sonntag nach Jerusalem verlegt. Ein Brief an mich und an alle andern Missionschefs sei unterwegs. Für die erste Zeit werde noch eine Art Verbindungsbureau hier bleiben. Wenn ich ihn einmal sprechen müsste, aber nicht nach Jerusalem kommen könne, wäre er bereit, ein Rendez-vous in Tel-Aviv zu vereinbaren. Im übrigen werde die Schweiz bestimmt keine Schwierigkeiten machen. Er habe die Frage anlässlich seines Besuchs «ganz zufällig» mit Ihnen besprochen6. Sie hätten ihm erklärt, die Schweiz sei natürlich interessiert, ihre hiesige Vertretung so nahe als möglich beim Aussenministerium zu haben. Unser Land könne nicht das erste sein, werde aber seine Gesandtschaft nach Jerusalem verlegen, wenn andere Missionen sich dort niederlassen. Darauf habe er sie gefragt, was die Schweiz tun würde, wenn eine «östliche» Vertretung als erste nach Jerusalem übersiedle. Sie hätten ihm etwas ausweichend geantwortet, aber er habe den Eindruck gewonnen, dass die Schweiz «jedenfalls keine Schwierigkeiten machen werden».
Dieser kleine Vorfall ist für die israelischen Methoden bezeichnend:
Ich habe dem Chef der Abteilung West-Europa Herrn Amiel Najar die im letzten Absatz von Seite 5 meiner Pol. Mitt. No. 7 vom 20. Februar7 dargelegte Erklärung gemacht und ihn ausdrücklich ersucht, sie Herrn Aussenminister Sharett und Herrn Eytan zur Kenntnis zu bringen, was er m. W. getan hat.
Anlässlich des Besuchs Eytans bei Ihnen wurde über das Thema Jerusalem so oberflächlich gesprochen8, dass es in Ihrem Gedächtnis anscheinend überhaupt keine Spur zurückliess, was ich daraus schliesse, dass Sie es in Ihrem persönlichen Schreiben vom 24. Juni9 an mich nicht einmal erwähnen.
Trotzdem wird Ihre Bemerkung nun hier so interpretiert, als ob die Schweiz eine de facto-Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels ausgesprochen hätte, und man wird keine Druckmittel scheuen, um uns zum Umzug nach Jerusalem zu bewegen.
Die Bemerkung Eytans habe ich etwa wie folgt beantwortet. Es sei mir von einer Änderung des schweizerischen Standpunktes in dieser Frage nichts bekannt. Ich hätte Herrn Najar seinerzeit diesen Standpunkt sehr klar dargelegt und so lange ich nicht im Besitze anderer Instruktionen sei, bleibe es bei dieser Formulierung.
Immerhin drängt sich mir die Frage auf, ob dieser Standpunkt nicht nochmals, und zwar diesmal dem israelischen Gesandten in Bern, durch Übergabe eines Aide-Mémoires bekanntgegeben werden könnte, so dass bei den arabischen Staaten nicht der Eindruck entsteht, die Schweiz habe in der Jerusalem-Frage eine ihrer traditionellen Neutralität nicht entsprechende proisraelische Haltung eingenommen10.
- 1
- Schreiben: E 2001(E)1970/217/320.↩
- 2
- Vgl. den Politischen Bericht von O. K. Seifert vom 13. Juli 1953, nicht abgedruckt (dodis.ch/9450).↩
- 3
- Vgl. das Dossier Paillard & Cie. SA, Yverdon, E 2001(E)1970/217/234 und DDS, Bd. 19, Dok. 138, dodis.ch/9490.↩
- 4
- Vgl. das Schreiben von J. Decroux an O. K. Seifert vom 22. Mai 1953, ibid. Nur die Kopie wurde ermittelt.↩
- 5
- Vgl. das Schreiben von O. K. Seifert an das Politische Departement vom 7. Juni 1953, ibid.↩
- 7
- Die Erklärung lautet: Die Schweizerische Gesandtschaft wird in nächster Zeit schon aus technischen und finanziellen Gründen nicht nach Jerusalem umsiedeln, selbst wenn andere diplomatische Vertretungen dies tun sollten. Der schweizerische Gesandte wird an offiziellen Anlässen in Jerusalem teilnehmen, doch darf aus dieser Teilnahme nicht geschlossen werden, dass die schweiz. Regierung damit irgendeine Stellungnahme in der noch ungelösten Jerusalem-Frage bekunden will. Diese Stellungnahme könne schweizerischerseits nur erwartet werden, wenn das Verhältnis zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten durch Unterzeichnung eines Friedensvertrages endgültig bereinigt worden sein wird. Vgl. den Politischen Bericht Nr. 7 von O. K. Seifert vom 20. Februar 1953, E 2300(-)-/9001/458.↩
- 9
- Nicht ermittelt.↩
- 10
- Zur Entwicklung der Frage vgl. das Schreiben von O. K. Seifert an A. Zehnder vom 10. Januar 1954. Nicht abgedruckt dodis.ch/9437↩
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