Printed in
Die Schweiz und die NNSC. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte der Neutral Nations Supervisory Commission in Korea 1951–1995, vol. 21, doc. 42
volume linkBern 2023
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E-01#1988/16#2727* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)-01/1988/16 662/09 | |
Dossier title | Schweiz. Delegation in der Neutralen Kommission für die Überwachung des Waffenstillstandes in Korea, Band 20 - ??, 1.1.1958 - 31.12.1970 (1958–1978) | |
File reference archive | B.73.0.1 • Additional component: Korea, Republik |
dodis.ch/66055Der Chef der schweizerischen NNSC-Delegation, Botschaftsrat van Muyden, an den Chef der Abteilung für Politische Angelegenheiten des EPD, Botschafter Micheli1
Die Lage in Panmunjom (4)
Am Samstag 1. März 1970 aus Seoul zurückkommend, erfuhr ich durch Lt. Bucher, dass am 28. Februar die Truppe des Advance-Camp mit neuen Gewehren, und zwar mit dem in Vietnam bekannt gewordenen M16, ausgerüstet worden war. Der Verdacht kam auf, dass auch die Wachen unseres Lagers, die vom Advance-Camp gestellt werden, jetzt für ihre nächtlichen Runden mit dieser automatischen Waffe versehen sein würden. Es wurde mir tatsächlich von WO Brunner bestätigt, er habe in der Nacht vom Freitag auf den Samstag gesehen, dass eine der Wachen das M16 trug.
Ein Anruf an Oberst Bird, Chef des Advance-Camp, ergab, dass er «nicht genau wisse, ob unsere Wachen schon die M16 hätten». Ich erklärte ihm gleich, dass für uns die Sache ernst sei, da es für die nordkoreanischen Wachen der JSA ziemlich leicht sei, unser Lager auch nachts mit Ferngläsern zu beobachten. Das M16 ist eine automatische Waffe und bekanntlich sei die Einfuhr und das Tragen von automatischen Waffen in der Entmilitarisierten Zone verboten. Sollte die Nordseite feststellen, dass wir eine Verletzung des Waffenstillstandsabkommens in unseren eigenen Lagern stillschweigend dulden, würde das Bedenken über die Glaubwürdigkeit unserer Neutralität – und unseren Willen für die Achtung des Waffenstillstandsabkommens zu wirken – erwecken.
In Anbetracht dieser Tatsache wäre es besser, wenn die Wachen des Schweizerisch-Schwedischen Lagers wie bisher mit dem M14 bewaffnet blieben. Dieses Gewehr – obschon auch automatisch – sei von der Nordseite nie beanstandet worden. Die Einführung der sehr bekannten M16 würde hingegen sicher gross von der Propaganda der Nordseite ausgewertet werden, mit den eben erwähnten Folgen für das Vertrauen der Nordseite in die sogenannten «Südneutralen».
Oberst Bird liess sich anscheinend durch diese Argumente überzeugen.
Vorsichtshalber, und da mir die Angelegenheit ziemlich wichtig schien, trug ich sie am Montag dem General Heintges vor – der momentan die Funktion des Oberkommandierenden der UN-Kräfte ausübt, da General Michaelis zur Zeit in Washington ist, um die Fragen einer parlamentarischen Kommission über die militärische Situation in Korea zu beantworten –. Kurz nachher besuchte ich auch, in der gleichen Angelegenheit, General Skeldon, der neue Senior Member/UNCMAC. Beide Generäle gaben nach kurzer Diskussion zu, dass unsere Bedenken gerechtfertigt seien, und dass die Wiedereinführung der M14 die beste Lösung wäre.
Am Montag 1700 h teilte mir General Skeldon telephonisch mit, dass die Sache im Sinne einer Wiedereinführung der M14 in den Wachtpatrouillen unseres Lagers geregelt worden sei. (In der Nacht vom Sonntag auf den Montag hatten die Wachen nur die Pistole getragen, erfuhr ich bei meiner Rückkehr in unserem Lager!)
Trotz ihren vielen Deklarationen an Presse und Publikum, betreffend den verschiedenen Massnahmen die sie zwecks der Rückgabe der YS11 Mannschaft und Passagiere, ins Auge gefasst habe, hat sich bis jetzt die südkoreanische Regierung darauf beschränkt, das UN-Command zu veranlassen, ein Sekretärenmeeting einzuberufen, um – wie öffentlich im voraus gemeldet wurde – diese Frage zu diskutieren.3 Entsprechend den Weisungen, die es von US Staatsdepartement über die Botschaft in Seoul erhält, weigert sich das UN-Command weiter, diese Frage auf der höheren Ebene der Waffenstillstandskommission zur Sprache zu bringen.
Die Antwort der nordkoreanischen Seite auf den UNC Vorschlag bleibt noch aus. An eine Inanspruchnahme der Neutralen Überwachungskommission wird scheinbar nicht mehr gedacht.
- 1
- CH-BAR#E2001E-01#1988/16#2727* (B.73.0.1). Dieses an den Generalsekretär des EPD und Chef der Abteilung für Politische Angelegenheiten, Botschafter Pierre Micheli, gerichtete Schreiben wurde vom Chef der schweizerischen NNSC-Delegation, Botschaftsrat Claude van Muyden, verfasst und unterzeichnet.↩
- 2
- Vgl. dazu das Schreiben von Botschaftsrat van Muyden an Generalsekretär Micheli vom 17. Februar 1970, dodis.ch/66693.↩
- 3
- Vgl. das Protokoll des 371. MAC-Secretaries-Meetings vom 2. Februar 1970, CH-BAR#E9500.188-01A#1995/563#14* (2.2).↩
Tags
Neutral Nations Supervisory Commission (NNSC)
United States of America (USA) (General)