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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1992, doc. 25
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E6100C#2009/86#896* | |
Dossier title | Referate Bundesrat Stich 1992 (1992–1992) | |
File reference archive | 100.02 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2010A#2001/161#7080* | |
Dossier title | GAFI/FATF: Groupe d'Action Financière contre le blanchiment d'argent (Présidence Suisse), Band 3 (1992–1992) | |
File reference archive | C.41.129.1.1 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E6100C#1998/106#1490* | |
Dossier title | Groupe d'Action Financière sur le Blanchiment de Capitaux (GAFI) - BRB 10.4.91 / Beitritt der Schweiz zum UNO-Uebereinkommen über die Rechte des Kindes - BRB 16.9.92 / Vor (1991–1993) | |
File reference archive | 751.1 |
dodis.ch/61286Rede des Vorstehers des EFD, Bundesrat Stich, an der Plenarsitzung der FATF in Lugano vom 25. Juni 19921
Financial Action Task Force on Money Laundering
Es ist mir eine besondere Freude, die Delegierten der Financial Action Task Force on Money Laundering als bedeutendste internationale Gruppe zur Koordinierung der Massnahmen im Kampf gegen die Geldwäscherei zum Abschluss des schweizerischen Präsidialjahres hier in Lugano begrüssen zu dürfen.2 Mein Willkommen gilt auch den hier versammelten Gästen und den Medienvertretern.
Lugano ist nicht nur eine landschaftlich wunderschön eingebettete Stadt, sondern einer der drei wichtigsten Finanzplätze der Schweiz. Seine Besonderheit besteht unter anderem darin, dass er im Vergleich zu den beiden anderen Finanzzentren, Zürich und Genf, eine ausserordentlich rapide Entwicklung durchgemacht hat. Dies ist seiner geographischen Lage und dem Umstand zu verdanken, dass seine Ausstrahlung den mediterranen Raum erfasst, der seinerseits ein enormes Wachstum erfahren hat. Andererseits kommt der Bedeutung des Finanzdienstleistungssektors in unserem Land ganz allgemein ein grosses volkswirtschaftliches Gewicht zu.3 Die Wertschöpfung des Bankensektors ist im Rahmen des Bruttosozialproduktes in der Schweiz mit 8,8% im Vergleich zu anderen Staaten sehr hoch. Die Gründe für das stetige Wachstum sind die langjährigen günstigen Rahmenbedingungen und der hohe Stand des Know-how im Dienstleistungssektor.
Der Ruf eines international bedeutenden Finanzplatzes bringt der Schweiz und damit auch Lugano aber nicht nur Anerkennung und Sonnenschein, sondern auch Schattenseiten und manchmal gar Gewitter.4 Damit jedoch möglichst wenig Wolken entstehen, gilt es, einerseits die Rahmenbedingungen zugunsten des Finanzsektors so effizient und stabil wie möglich zu gestalten. Andererseits ist mittels einer wirksamen Finanzmarktaufsicht dafür zu sorgen, dass illegale Operationen abgewehrt oder zumindest eingedämmt werden, ohne die legalen Geschäfte zu behindern.
Geldwäscherei ist vorab ein grenzüberschreitendes Phänomen, weshalb der internationalen Zusammenarbeit eine vorrangige Bedeutung zukommt. Wie im ersten Bericht der FATF vom Februar 1990 ausgeführt wird, bestanden bereits vor dem Erlass der 40 Empfehlungen Ihrer Gruppe internationale Instrumente zur Bekämpfung der Geldwäscherei.5 An all diesen Initiativen hat sich die Schweiz beteiligt, namentlich an der Empfehlung des Europarates vom 27. Juni 1980, der Erklärung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht vom 12. Dezember 1988 und der Wiener Konvention vom 20. Dezember 1988.6 Ebenso beabsichtigt die Schweiz das im August 1991 unterzeichnete Übereinkommen Nr. 141 des Europarates betreffend Geldwäscherei, Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von deliktischen Vermögenswerten vom November 1990 noch in dieser Legislaturperiode zu ratifizieren.7 Bei der Annahme des EWR-Vertrages muss schliesslich auch die Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche ins Schweizer Recht übergeführt werden, da diese zum «acquis communautaire» im Rahmen des Vertrages über den Europäischen Wirtschaftsraum zwischen EG und EFTA gehört.8 Die EG-Richtlinie ihrerseits ist massgebend von den Empfehlungen der FATF geprägt.
Ich muss Ihnen die einzigartige Natur und die besonderen Verdienste der FATF nicht im einzelnen und vollständig aufzählen. Wesentlich scheinen mir die interdisziplinäre Zusammensetzung, die umfassende Natur der anvisierten Massnahmen und der relativ homogene, aber nicht regional begrenzte Kreis von Mitgliedländern mit entwickelten Finanzsystemen. Der Hauptvorteil der FATF liegt in ihrer flexiblen, unbürokratischen Struktur mit einem überschaubaren Teilnehmerkreis. Ihre Legitimation ergibt sich aus der politischen und moralischen Pflicht zur Umsetzung von Empfehlungen, welche auf Sachverstand beruhen und deshalb zu überzeugen vermögen. Voraussetzung hierfür ist ein breiter Konsens unter den Mitgliedern, der sich aber im Unterschied zu völkerrechtlich verbindlichen Konventionen nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner auszurichten braucht, sondern ehrgeizigere Ziele anvisieren kann.
Zur Legitimation der FATF gehört ebenfalls eine angemessene und kontinuierliche Beobachtung der Umsetzung der Empfehlungen in den Mitgliedländern.9 Gerade für Finanzplätze und Finanzinstitute, die untereinander in einem harten internationalen Wettbewerb stehen, ist es wichtig zu wissen, dass für alle ungefähr die gleichen Spielregeln gelten und der Konkurrenzkampf nicht durch unterschiedliche Standards verfälscht wird. Ihrer Gruppe ist es hoch anzurechnen, dass sie sich nicht mit einer formalen Prüfung nationaler Gesetzesvorschriften begnügt, sondern der tatsächlichen Anwendung in der Praxis besonderes Gewicht beimisst. Die flexible Struktur der FATF gestattet ferner, der dynamischen und innovativen Veränderung der Geldwäscherei-Techniken laufend Rechnung zu tragen.
Es findet eindeutig eine Wechselwirkung von der multilateralen auf die innerstaatliche Ebene statt, indem der durch die FATF erzeugte Druck innenpolitische Wandlungen einzuleiten oder zu beschleunigen vermag. Die Umsetzung der auf multilateraler Ebene erreichten Resultate auf die innenpolitische Ebene beansprucht aber ihre Zeit. Ich denke hier nicht nur an notwendige Gesetzesanpassungen, welche in einem direkt-demokratischen und föderalistischen System wie der Schweiz besonders aufwendig sind. Vielmehr – und hier sind alle Länder ungeachtet des politischen Systems gleichermassen betroffen – geht es auch um die Ausbildung der Personen, welche bei den Behörden und vor allem in den privaten Finanzinstituten die Massnahmen gegen die Geldwäscherei im Alltag zu vollziehen haben.
In dieser Hinsicht scheint mir besonders wichtig, dass die Umsetzung der international beschlossenen Abwehrdispositive in realistischer Weise gestaltet und in einer vernünftigen Zeitspanne angeordnet wird. Ein Tempo anzuschlagen, dem nur noch die am weitesten entwickelten Finanzzentren oder -institute zu folgen vermögen, wäre kaum mit dem erklärten Ziel der gemeinsamen Bekämpfung der Geldwäscherei vereinbar. Ich bin überzeugt, dass Sie Mittel und Wege finden werden, Massnahmen gegen neue Geldwäscherei-Techniken einzubauen, ohne dass die FATF mit ihren Empfehlungen zu einer permanenten Revisionsinstitution und Lückenfüllerin verkommt. Diese Grenzen gilt es erst recht zu beachten bei der weiteren Zielsetzung der FATF, nämlich der möglichst weltweiten Verbreitung und Durchsetzung der Empfehlungen in Nicht-Mitgliedländern.
Die Schweiz hat der Einladung der G-7 Gruppe zur Mitarbeit in der FATF ohne Zögern Folge geleistet und sich von allem Anfang an engagiert an den Arbeiten beteiligt,10 welche unter der ausgezeichneten Leitung Frankreichs zu den international massgebenden 40 Empfehlungen führten. Für die Schweiz als kleines Land mit einem verhältnismässig grossen Finanzplatz bedeutet die Mitgliedschaft in der FATF und insbesondere der Vorsitz im soeben vollendeten dritten Jahr dieser Gruppe sowohl Ehre als auch Verantwortung.11 Sie bietet uns einerseits die Chance zur Mitgestaltung international harmonisierter Massnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung der Geldwäscherei. Andererseits nehmen wir aber ebenso die Verpflichtung ernst, die mit unserem Einverständnis beschlossenen Empfehlungen ins nationale Recht umzusetzen und vor allem anzuwenden. Wir durften die positive Erfahrung machen, dass konstruktive Vorschläge unserer Vertreter in der FATF auf fruchtbaren Boden gefallen sind und in verschiedenen Empfehlungen der FATF deutliche Spuren hinterlassen haben. Umgekehrt haben wir viele wertvolle Impulse und Anregungen aus der FATF erhalten, welche die schweizerische Gesetzgebung und Praxis beeinflussen.
Ein internationaler Finanzplatz ist längerfristig nur lebensfähig und erhaltenswert, wenn er sowohl solvent und leistungsfähig als auch moralisch einwandfrei ist. In der Schweiz bemühen wir uns auf staatlicher und privatwirtschaftlicher Ebene um beides. Wir wollen keine Vermögenswerte aus Verbrechen in unserem Finanzsystem und auch nicht zu zweifelhaften oder undurchsichtigen Finanztransaktionen Hand bieten. Deshalb haben wir die vorsätzliche und eventualvorsätzliche Geldwäscherei seit 1990 unter Strafe gestellt,12 und zwar nicht nur für Vermögenswerte aus dem Drogenhandel,13 sondern generell aus allen schweren Straftaten. Die Geldwäschereistrafnorm wird ergänzt durch einen Tatbestand, welcher die Unterlassung der Identifikation des wirtschaftlich Berechtigten an Vermögenswerten für alle im Finanzbereich Tätigen mit Strafe bedroht. Ein zweites strafrechtliches Massnahmenpaket gegen das organisierte Verbrechen ist in Vorbereitung. Ebenso verfügt die Schweiz seit 1983 über ein ausgebautes Instrumentarium zur Leistung internationaler Rechtshilfe in Strafsachen, auch gegenüber Ländern, mit welchen keine bilateralen oder multilateralen Rechtshilfeabkommen bestehen.14 Auf dem Gebiet des Strafrechts bestehen somit umfassende Normen zur Bekämpfung der Geldwäscherei.
Die Empfehlungen der FATF gehen jedoch richtigerweise davon aus, dass strafrechtliche Mittel zur Bekämpfung und vor allem zur Verhinderung der Geldwäscherei nicht ausreichen. Vielmehr braucht es einen aktiven Beitrag des Finanzsystems, also bank- und finanzaufsichtsrechtliche Massnahmen präventiver Natur sowie eine gute Zusammenarbeit zwischen Finanzinstituten und Behörden in der Verbrechensbekämpfung. Als Finanzminister und ehemaliges Mitglied der schweizerischen Bankaufsichtsbehörde bin ich mir der Möglichkeiten und Grenzen der Rolle des Finanzsystems bewusst. Dass eine Bank nicht wissentlich und willentlich Vermögenswerte deliktischer Herkunft entgegennehmen darf, war schon lange vor Inkrafttreten der schweizerischen Geldwäschereistrafnorm eine Selbstverständlichkeit. Viel wahrscheinlicher ist die Gefahr, dass Finanzinstitute unbewusst für Zwecke der Geldwäscherei missbraucht werden können. Die Massnahmen der Finanzinstitute haben sich deshalb darauf zu richten, dass alle zumutbaren Vorkehren getroffen werden, um die deliktische Herkunft von Vermögenswerten rechtzeitig zu erkennen. Dabei müssen wir allerdings zur Kenntnis nehmen, dass angesichts der grossen Menge und Komplexität der Finanztransaktionen sowie des immer raffinierteren Vorgehens des organisierten Verbrechens kein internationaler Finanzplatz vom Missbrauch völlig verschont bleibt. Wir können jedoch, wie dies die FATF in ihren Empfehlungen getan hat, diejenigen Sorgfaltspflichten festlegen und durchsetzen, welche das Risiko eines solchen Missbrauchs auf ein annehmbares Minimum beschränken.
Die FATF-Empfehlungen für den Finanzsektor beginnen nicht zufälligerweise mit den Pflichten der Finanzinstitute zur Feststellung der Identität ihrer Vertragspartner und der wirtschaftlich Berechtigten. Da Finanztransaktionen meist abstrakter Natur sind und die legale oder illegale Herkunft von Vermögenswerten in den wenigsten Fällen äusserlich erkennbar ist, kommt dem Grundsatz «Kenne Deinen Kunden» fundamentale Bedeutung zu. Nur aus der Kenntnis der beteiligten Personen und ihrer Beweggründe für eine Transaktion lässt sich allenfalls auf die Herkunft von Vermögenswerten schliessen. Im schweizerischen Bankensektor haben wir deshalb seit nunmehr 15 Jahren besonders Gewicht auf eine einwandfreie Identifikation der Vertragspartner und die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten gelegt.15
Die Identifikationsvorschriften sind in detaillierten Standesregeln festgelegt und unter behördlicher Mitwirkung kontinuierlich verfeinert bzw. weiterentwickelt worden. Dank intensiver Schulung und einer strengen Sanktionsordnung, welche durch die vorher erwähnte Strafnorm noch verstärkt wird, sind diese Regeln beim Bankpersonal breit verankert und eingeübt. Am 1. Oktober 1992 tritt eine revidierte Fassung der Standesregeln der Sorgfaltspflichtvereinbarung der Schweizerischen Bankiervereinigung in Kraft, die heute der Öffentlichkeit vorgestellt wird.16 Sie trägt den neuen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Geldwäscherei sowie der von den FATF-Empfehlungen geprägten Geldwäscherei-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft Rechnung.
Internationalen Modellcharakter hat insbesondere die in der Schweiz entwickelte Pflicht der Banken und Finanzinstitute zur Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten an Vermögenswerten, wenn Zweifel bestehen, ob der Vertragspartner für eigene Rechnung handelt, oder wenn der Vertragspartner eine blosse Sitzgesellschaft ist. Der Durchgriff auf die vertretenen Personen oder an einer Gesellschaft Beteiligten ist für die Bekämpfung der Geldwäscherei deshalb notwendig, weil die Identifikation des Kunden durch vorgeschobene Strohmänner, Briefkastengesellschaften oder Treuhandkonstruktionen sonst allzu leicht umgangen werden könnte. Da diese Pflicht in der FATF-Empfehlung Nr. 13 verankert wurde und damit auch von der Mehrheit der Mitgliedländer, welche sie bisher in ihrem nationalen Recht nicht kannten, umzusetzen ist, dürften die schweizerischen Erfahrungen von Interesse sein. Heikle rechtliche oder praktische Probleme stellen sich namentlich bei der Feststellung der wirtschaftlich Berechtigten an anglosächsischen Trustkonstruktionen, an Sammelkonten und -depots sowie gegenüber Personen, welche durch Berufsgeheimnisträger wie z. B. Rechtsanwälte oder Notare vertreten werden. Wir glauben, in der Schweiz hierfür inzwischen praktikable Lösungen gefunden zu haben, welche wir in der FATF gerne zur Diskussion stellen werden.
Mit der Kundenidentifikation kann es selbstverständlich nicht sein Bewenden haben. Die ebenfalls von der schweizerischen Bankaufsichtspraxis beeinflusste FATF-Empfehlung 1517 verlangt deshalb die besondere Aufmerksamkeit der Finanzinstitute und die Abklärung von Hintergrund und Zweck bei komplizierten, ungewöhnlichen grösseren Transaktionen sowie ungewöhnlichen Transaktionsformen, welche keinen offensichtlichen wirtschaftlichen oder erkennbar rechtmässigen Zweck erfüllen. Richtlinien von Behörden und Standesorganisationen sollen den Finanzinstituten bei der Erkennung verdächtiger Verhaltensweisen ihrer Kunden behilflich sein, also die Ungewöhnlichkeit und die Anhaltspunkte für Geldwäscherei zum Zwecke der Ausbildung des Bankpersonals näher konkretisieren. Wie die eindrückliche Richtlinien-Sammlung der FATF beweist, haben bereits verschiedene Länder diese praktische Orientierungshilfe in die Tat umgesetzt. In der Schweiz hat die Eidgenössische Bankenkommission umfassende Richtlinien zur Verhinderung und Bekämpfung der Geldwäscherei auf den 1. Mai 1992 in Kraft gesetzt, welche in enger Zusammenarbeit mit Strafrechtsexperten und Banken ausgearbeitet wurden.
Den Arbeiten der FATF haben wir die Erkenntnis zu verdanken, dass die Anstrengungen zur Abklärung möglicher Anhaltspunkte für Geldwäscherei ihr Ziel nur halbwegs erreichen, wenn die Finanzinstitute bei Vorliegen eines konkreten Verdachts auf Geldwäscherei lediglich die Geschäftsbeziehung zum verdächtigten Kunden abbrechen können, wie dies in der Schweiz bisher die vorherrschende Praxis war. Ein Melderecht der Finanzinstitute und ihr Schutz vor straf- und zivilrechtlichen Folgen einer damit verbundenen Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften ist deshalb eine absolute Notwendigkeit. Ein solches Melderecht bei Verdacht auf Geldwäscherei, wie es die FATF-Empfehlung Nr. 1618 wahlweise neben der Meldepflicht enthält, ist in einem schweizerischen Gesetzesentwurf vorgesehen und auf breite Zustimmung gestossen. Die auch für die Schweiz massgebliche Geldwäscherei-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft geht jedoch bekanntlich einen Schritt weiter.19 Sie schreibt eine Meldepflicht vor und setzt konsequenterweise auch eine Sanktionsordnung bei Verletzung der Meldepflicht voraus.
Eine Verpflichtung zur Meldung eines konkreten Verdachts an die Strafverfolgungsbehörden ist an sich zu begrüssen, weil der Abbruch der Geschäftsbeziehung in einer solchen Situation keine befriedigende Lösung sein kann. Die verdächtigen Vermögenswerte müssen nämlich entweder physisch ausgehändigt werden, wodurch ihre Spur unterbrochen wird, oder sie werden an ein anderes Finanzinstitut im In- oder Ausland transferiert und diesem damit die unerwünschte Geschäftsbeziehung zugeschoben. Problematisch ist hingegen die Umschreibung der Meldepflicht. Nur wenn die Verdachtsgründe genügend präzise festgelegt sind, kann nachher auch eine Sanktion bei Unterlassung der Meldung verhängt werden. Im Interesse der Effizienz der Strafverfolgung und der Glaubwürdigkeit des Meldesystems gilt es unbedingt zu vermeiden, dass die Finanzinstitute aus Furcht vor eigener Verantwortlichkeit jeden Zweifelsfall an die Behörden melden und dadurch das System lahmlegen oder wegen fehlender Reaktion der Behörden ihr Engagement verlieren.
Ein anderes Problem, welches nicht nur der Schweiz zu schaffen macht, stellt die Ausdehnung der Massnahmen auf Finanzinstitute und andere Berufe ausserhalb des Bankensektors dar. Im Jahresbericht der FATF-320 wird ganz allgemein festgehalten, dass die Einhaltung der FATF-Empfehlungen in der Bankbranche besser ist als bei den Nicht-Bank-Finanzinstituten. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Bankensektor aufgrund seiner zentralen Stellung innerhalb des Finanzsystems bisher am ehesten dem Risiko des Missbrauchs für Zwecke der Geldwäscherei ausgesetzt war und dementsprechend auch seine Abwehrmassnahmen am weitesten entwickelt sind. Überdies ist die Kontrolle über Banken in den meisten Ländern sehr gut ausgebaut, weshalb sich die Geldwäschereibekämpfung relativ leicht in das traditionelle, auf den Gläubiger- und Funktionsschutz ausgerichtete Aufsichtssystem integrieren lässt.
Ebensowenig überraschend ist die Feststellung Ihrer Gruppe, dass die verstärkte Abwehr im Bankensektor zu einer tendenziellen Verlagerung der Geldwäscherei-Aktivitäten in den unbeaufsichtigten, informellen Finanzsektor führt. Die Antwort muss nun aber nicht zwingend darin bestehen, dass die gewerbepolizeiliche, prudentielle Aufsicht deswegen auf immer weitere Kreise von Finanzinstituten oder Berufsgattungen ausgedehnt wird. Darunter sind viele weder unter dem Gesichtspunkt des Gläubiger- bzw. Anlegerschutzes noch für das Funktionieren des Finanzsystems von Bedeutung. Wo ein solches allgemeines Aufsichtsinteresse fehlt, wie z. B. bei Wechselstuben und professionellen Notenhändlern, kann es somit lediglich um eine punktuelle Kontrolle der von der FATF empfohlenen elementaren Verhaltenspflichten bezüglich Kundenidentifikation, Dokumentation, erhöhter Aufmerksamkeit bei ungewöhnlichen Transaktionen sowie Verdachtsmeldung gehen. Möglich ist es zudem, den formellen Finanzsektor zu besonderen Vorsichtsmassnahmen im Geschäftsverkehr mit Unternehmen, die einem erhöhten Geldwäscherei-Risiko ausgesetzt sind, anzuhalten. Die Eidgenössische Bankenkommission hat dies beispielsweise durch Richtlinien zuhanden der Banken für den Notenhandel mit professionellen Händlern des unbeaufsichtigten Nicht-Banken-Sektors getan.
Die Schweiz hat von allem Anfang an die Bestrebungen der FATF mit Überzeugung unterstützt. Dies entsprach einer doppelten Motivation: Zum einen waren und sind wir der Auffassung, dass unsere nationalen Anstrengungen im Bereich der Geldwäscherei auf der internationalen Ebene ihre Ergänzung im Sinne einer Konvergenz der Massnahmen finden muss. Zum anderen entsprach es unserer Auffassung, dass ein globales Phänomen wie jenes der Geldwäscherei nur global angegangen werden kann. Dank ihrer Flexibilität und ihren lockeren Strukturen kann sich die FATF den Problemen bei der Bekämpfung der Geldwäscherei rasch und effizient annehmen. Gerade dort, wo Bedürfnisse Aussenstehender ersichtlich werden, kann die FATF mit gezielten Informationen, überzeugenden Argumenten und Know-how behilflich sein.
Persönlich bin ich von der Arbeit der FATF beeindruckt und kann Ihnen versichern, dass die Schweiz auch nach Ablauf dieses Präsidialjahres bestrebt sein wird, ihrer Verantwortung im Kampf gegen die Geldwäscherei voll nachzukommen. Australien wünschen wir für die künftige Präsidentschaft der FATF viel Erfolg.
- 1
- CH-BAR#E2010A#2001/161#7080* (C.41.129.1.1). Diese Rede wurde von Elisabeth Guyer-Troxler verfasst, die im Finanz- und Wirtschaftsdienst des EDA für Geldwäscherei zuständig war und auch den Bericht über das Lugano-Treffen verfasst hatte, vgl. dodis.ch/61251. Die schweizerische Delegation für die Plenarsitzung der Financial Action Task Force (FATF) wurde vom stv. Direktor der Eidgenössischen Bankenkommission, Daniel Zuberbühler, geleitet und bestand aus dem Chef der Sektion für Wirtschaftsstrafrecht, Strafprozessrecht und internationale Fragen des Strafrechts des Bundesamts für Justiz des EJPD, Mark Pieth, dem Mitarbeiter der Abteilung Währung, Wirtschaft, Finanzmärkte des EFD, Riccardo Sansonetti, sowie Minister Alexis Lautenberg und Elisabeth Guyer-Troxler, Chef bzw. Mitarbeiterin des Finanz- und Wirtschaftsdiensts des EDA.↩
- 2
- Der Bundesrat ermächtigte Minister Lautenberg am 10. April 1991, den Vorsitz der FATF zu übernehmen, vgl. das BR-Prot. Nr. 651 vom 10. April 1991, dodis.ch/58230. Für die Ziele und die geplanten Massnahmen unter dem schweizerischen Vorsitz vgl. das Protokoll der Sitzung des EFD vom 17. April 1991, dodis.ch/59407.↩
- 3
- Zur Bedeutung und zum Wandel des schweizerischen Finanzsektors vgl. auch das Referat des Direktors der Eidgenössischen Finanzverwaltung, Ulrich Gygi, vom 24. November 1992, dodis.ch/58987.↩
- 4
- Zur Kritik am schweizerischen Finanzplatz und dem Bankgeheimnis vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 49, dodis.ch/50107. Zum Finanzplatz Tessin vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 62, dodis.ch/49601, sowie die thematische Zusammenstellung Chiasso–Skandal (1977), dodis.ch/T1663.↩
- 5
- Für den Bericht vgl. das Dossier CH-BAR#E6100C#1998/106#2545* (982.3). Für die Reaktion der Schweiz auf den Bericht vgl. die Notiz des Vizedirektors der Eidgenössischen Finanzverwaltung des EFD, Rudolf Dietrich, vom 20. Februar 1990, dodis.ch/57026. Für die 40 Empfehlungen der FATF vgl. das Dossier CH-BAR#E7113A#1999/51#105* (756.1.10) sowie für eine Einschätzung des zweiten Berichts 1990–1991, dodis.ch/58329.↩
- 6
- Es handelt sich um die Empfehlungen des Europarates zu Massnahmen gegen die Übertragung und gegen das Verheimlichen von Vermögenswerten mit kriminellem Ursprung vom 27. Juni 1980, die Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vom 12. Dezember 1988 und das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen vom 20. Dezember 1988. Für einen Überblick über die Übernahme dieser internationalen Vorschriften in die schweizerischen Geldwäschereibestimmungen vgl. insbesondere die Botschaft des Bundesrats über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Gesetzgebung über Geldwäscherei und mangelnde Sorgfalt bei Geldgeschäften) vom 12. Juni 1989, dodis.ch/63319, Kapitel 131, S. 1072 f.↩
- 7
- Bundesbeschluss über das Übereinkommen Nr. 141 des Europarates über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten vom 2. März 1993, AS, 1993, S. 2384–2407. Vgl. auch das BR-Prot. Nr. 1384 vom 19. August 1992, dodis.ch/60973.↩
- 8
- Zur EG-Richtlinie Nr. 91/308 vgl. das Aussprachepapier der Eidgenössischen Finanzverwaltung und des Bundesamts für Justiz vom 11. Juni 1992 an die Vorsteher des EFD und des EJPD, die Bundesräte Otto Stich und Arnold Koller, dodis.ch/61248. Zur Übernahme des Gemeinschaftsrechts in das Schweizer Recht vgl. auch DDS 1992, Dok. 39, dodis.ch/60990.↩
- 9
- Die FATF sieht, wie die OECD, regelmässige Überprüfungen jedes Mitgliedstaats durch andere Mitgliedstaaten vor. Die Überprüfung der Schweiz fand im März 1993 statt. Für den Bericht des FATF Mutual Evaluation Report on Switzerland vom 5. Juli 1993 vgl. das Dossier CH-BAR#E2010A#2001/161#7082* (C.41.129.1.1). Zur interdepartementalen Gruppe, die mit der Vorbereitung der Schweizer Prüfung beauftragt war vgl. das Dossier CH-BAR#E4800-01#2004/264#216* (9-7).↩
- 10
- Vgl. dazu die Notiz des Finanz- und Wirtschaftsdiensts des EDA vom 14. März 1990, dodis.ch/55140.↩
- 11
- Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 651 vom 10. April 1991, dodis.ch/58230.↩
- 12
- Vgl. dazu die Notiz des Finanz- und Wirtschaftsdiensts des EDA vom 14. März 1990, dodis.ch/55140.↩
- 13
- Für die schweizerische Beteiligung an der Bekämpfung des internationalen Drogenhandels vgl. auch DDS 1992, Dok. 6, dodis.ch/61928.↩
- 14
- Vgl. dazu die Botschaft des Bundesrats betreffend die Genehmigung von vier Zusatzprotokollen des Europarates auf dem Gebiete der Auslieferung, der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 31. August 1983, dodis.ch/63321.↩
- 15
- Vgl. dazu das Rundschreiben des Chefs des Finanz- und Wirtschaftsdiensts des EDA, Jean Zwahlen, vom 10. November 1977, dodis.ch/50567.↩
- 16
- Für die Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB) vom. 1. Juli 1992 vgl. das Dossier CH-BAR#E4800-01#2004/264#187* (9-29).↩
- 17
- Empfehlung 15 sagt: «Financial institutions should pay special attention to all complex, unusual large transactions, and all unusual patterns of transactions, which have no apparent economic or visible lawful purpose. The background and purpose of such transactions should, as far as possible, be examined, the findings established in writing, and be available to help supervisors, auditors and law enforcement agencies», vgl. Synopsis of the Forty Recommendations of the Report, CH-BAR#E7113A#1999/51#105* (756.1.10).↩
- 18
- Empfehlung 16 sagt: «If financial institutions suspect that funds stem from a criminal activity, they should be permitted or required to report promptly their suspicions to the competent authorities. Accordingly, there should be legal provisions to protect financial institutions and their employees from criminal or civil liability for breach of any restriction on disclosure of information imposed by contract or by any legislative, regulatory or administrative provision, if they report in good faith, indisclosing suspected criminal activity to the competent authorities, even if they have not known precisely what the underlying criminal activity was, and regardless of whether illegal activity actually occured», vgl. Synopsis of the Forty Recommendations of the Report, CH-BAR#E7113A#1999/51#105* (756.1.10). Diese Empfehlung beschreibt die Pflicht der Finanzinstitute, verdächtige Kundinnen und Kunden zu melden, vgl. dazu dodis.ch/57026.↩
- 19
- Vgl. dodis.ch/55140.↩
- 20
- Für den dritten Bericht über die Jahre 1991–1992 vgl. das Dossier CH-BAR#E2010A#2001/161#7080* (C.41.129.1.1).↩
Relations to other documents
http://dodis.ch/61286 | is the supplement to | http://dodis.ch/61251 |
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Banking secrecy Swiss financial market Multilateral economic organisations