Classement thématique série 1848–1945:
7. ATTITUDE DE LA SUISSE À L’ÉGARD DES JUIFS
7.1. ATTITUDE DES AUTORITÉS FÉDÉRALES FACE AUX JUIFS SUISSES
7.1.1. QUESTIONS DU CONSEILLER NATIONAL P. GRABER
Également: La lettre de la Fédération suisse des Communautés israélites va contraindre le Conseil fédéral à une démarche auprès du Gouvernement français qui risque de provoquer la dénonciation du traité d’établissement franco-suisse. Annexe de 24.12.1941
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 14, doc. 134
volume linkBern 1997
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#2756* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 101 | |
Dossier title | Eingabe des israelitischen Gemeindebundes an den BR vom 8.12.1941 und Eingaben Privater (1941–1942) | |
File reference archive | B.34.9.05.10 • Additional component: Frankreich |
dodis.ch/47320
Aus der Tagespresse haben wir von der Kleinen Anfrage des Herrn Nationalrat Gräber in der Angelegenheit des diplomatischen Schutzes der Eidgenossenschaft zugunsten schweizerischer Staatsbürger jüdischen Glaubens gegenüber den diskriminierenden Massnahmen in Frankreich und von der Antwort des Bundesrates Kenntnis erhalten3. Da wir uns sowohl durch den Inhalt dieser Antwort wie durch den Umstand, dass sie durch die Schweiz. Depeschenagentur eine weitgehende Publizität erhielt, beunruhigt fühlen, hat sich das Centralcomité des Schweiz. Israel. Gemeindebundes in seinen Sitzungen vom 2. und 17. November a. c. mit der Antwort des Bundesrates eingehend befasst und hat uns beauftragt, Ihnen gestützt auf ein Rechtsgutachten des Herrn Prof. Dr. Paul Guggenheim in Genf, welches Sie in der Beilage vorfinden4, und dessen Inhalt wir zum integrierenden Bestandteil unserer Eingabe erklären, die nachstehenden Ausführungen zu unterbreiten.
Vor allem können Sie versichert sein, dass wir für die Schwierigkeiten der Staatsführung im heutigen Zeitpunkt volles Verständnis besitzen und uns von dem Bestreben leiten lassen, alles zu vermeiden, was den Frieden und die Eintracht im Lande gefährden könnte.
Gemäss Art. 4 der Bundesverfassung sind alle Schweizer vor dem Gesetze gleich. Dieser Verfassungsgrundsatz gilt bekanntlich für alle Schweizer, gleichgültig, welchem Glaubensbekenntnis immer sie huldigen. Auf den Art. 4 der Bundesverfassung können sich daher auch unsere in Frankreich niedergelassenen Landsleute und Glaubensgenossen berufen und zwar sowohl diejenigen, die sich als Israeliten bekennen, wie auch diejenigen, die gemäss der gegenwärtigen französischen Gesetzgebung ferner als Juden zu betrachten sind. Der verfassungsmässige Grundsatz der Gleichberechtigung ist in fast allen Niederlassungsverträgen der Eidgenossenschaft verankert, speziell auch im Niederlassungsvertrag mit Frankreich vom 23. Februar 18825.
Art. 1 und 3 enthalten die Bestimmung, dass die Schweizer in Frankreich und die Franzosen in der Schweiz in Bezug auf ihre Person und ihr Eigentum auf dem nämlichen Fusse und auf die gleiche Weise zu behandeln sind wie die eigenen Staatsbürger. Jede Art von Handel und Gewerbe wird beiden Gruppen gleichmässig wie den eigenen Staatsbürgern erlaubt. Der genaue Text lautet:
«Art. 1. Die Franzosen sind in jedem Kanton der Eidgenossenschaft in Bezug auf ihre Person und ihr Eigentum auf dem nämlichen Fusse und auf die gleiche Weise aufzunehmen und zu behandeln, wie es die Angehörigen der anderen Kantone sind oder noch werden sollten. Sie können daher in der Schweiz ab- und zugehen und sich daselbst zeitweilig aufhalten, wenn sie den Gesetzen und Polizeiverordnungen nachleben. Jede Art von Gewerbe und Handel, welche den Angehörigen der verschiedenen Kantone erlaubt ist, wird es auf gleiche Weise auch den Franzosen sein, und zwar ohne dass ihnen eine pekuniäre oder sonstige Mehrleistung Überbunden werden darf.
Art. 3. Die Schweizer werden in Frankreich die nämlichen Rechte und Vorteile gemessen, wie sie der Art. 1 des gegenwärtigen Vertrages den Franzosen in der Schweiz zusichert.»
Unsere Auffassung geht nun dahin, dass auf Grund dieses Vertrages jede Diskriminierung von Schweizer Bürgern unzulässig ist. Diese Rechtsauffassung wird gestützt durch die eingehenden Untersuchungen, welche im beiliegenden Gutachten des Herrn Prof. Guggenheim ihren Niederschlag gefunden haben. Wir dürfen auf Grund dieses Gutachtens feststellen, dass sowohl die Schweiz wie Frankreich bisher den Gleichheitsgrundsatz konsequent und streng zur Anwendung gebracht haben.
Mit grossem Bedauern haben wir daher der bundesrätlichen Antwort auf die Anfrage des Herrn Nationalrat Gräber entnehmen müssen, dass unsere oberste Landesbehörde gegenüber der bisher geübten Rechtsanschauung weitgehende Vorbehalte anbringt. Die bundesrätliche Antwort stellt sich auf den Standpunkt, dass «die Juden schweizerischer Staatsangehörigkeit gegenüber denjenigen des eigenen Staates (gemeint ist der ausländische Staat), nicht eine Sonderbehandlung beanspruchen können». Hiedurch bekennt sich die Antwort des Bundesrates zu der Auffassung, dass die Rechtsstellung der Schweizer Juden eine materiell andere sei als diejenige aller übrigen in Frankreich niedergelassenen Schweizer. Sie sollen demzufolge auch nicht auf den gleichen diplomatischen Schutz Anspruch erheben können, wie ihn alle übrigen Schweizer gemessen. Im Widerspruch zu der bisher geübten Praxis werden die Interessen unserer Landsleute und Glaubensgenossen den diskriminierenden Massnahmen einer fremdstaatlichen Rechtsordnung preisgegeben. Der Inhalt der Antwort des Hohen Bundesrates könnte den französischen Behörden inskünftig auch Anlass geben, zu behaupten, der Niederlassungsvertrag sei durch übereinstimmende Parteiwillenserklärung abgeändert worden.
Der Gedanke, dass unsere Landsleute und Glaubensgenossen den fremdstaatlichen Massnahmen schutzlos preisgegeben werden sollen, erfüllt uns mit tiefer Sorge. Auch wir wissen natürlich, dass es in Ihrem Ermessen steht, zu entscheiden, in welchem Umfange der diplomatische Schutz im Einzelfall zu gewährleisten ist, und wir geben uns auch Rechenschaft darüber, dass er angesichts der schwierigen Lage unseres Landes nicht immer in dem Umfange erteilt werden kann, wie es der Fall wäre, wenn wir in normalen Zeiten lebten. Wir kennen die Erwägungen, durch die das zuständige Departement sich im Einzelfall leiten lässt, nicht; wir halten jedoch daran fest, dass der Rechtsboden, der die Grundlage für die Handhabung des diplomatischen Schutzes und für die Verhandlungen mit der Gegenseite bildet, nicht einfach und ohne Not preisgegeben werde. Bestärkt durch die wissenschaftlichen Ausführungen unseres Gutachters gebot uns darum unser Rechtsempfinden, angesichts der unseren Landsleuten und Glaubensgenossen in Frankreich drohenden Gefahren, nicht zu schweigen, sondern uns mit dieser Eingabe an Sie zu wenden.
Abschliessend stellen wir fest, hochgeehrter Herr Bundespräsident, hochgeehrte Herren Bundesräte, dass wir diesen Einbruch in die uns zustehenden Grundrechte der Gleichberechtigung und Freiheit nicht stillschweigend hinnehmen können. Wir sind der Auffassung, dass der Inhalt der Antwort des Hohen Bundesrates auf die Kleine Anfrage von Hrn. Nationalrat Gräber eine Verletzung der durch Art. 4 der Bundesverfassung gewährleisteten Rechte der Schweizer Staatsbürger jüdischen Glaubens bedeutet. Wie das Schweizervolk als Ganzes vom unerschütterlichen Willen erfüllt ist, seine politische Freiheit und Unabhängigkeit in eine bessere Zeit hinüber zu retten, so betrachten auch wir es als unsere erste Pflicht, das kostbare Gut, das für uns in Art. 4 der Bundesverfassung eingeschlossen ist, und das durch die edelsten Geister des vergangenen Jahrhunderts erkämpft wurde, zu erhalten. Gestützt auf die Beratungen des Centralcomités des Schweiz. Israel. Gemeindebundes unterbreiten wir Ihnen, hochgeehrter Herr Bundespräsident, hochgeehrte Herren Bundesräte, folgendes Begehren:
1. dass Sie nichts unversucht lassen werden, um die bisherige Praxis der Anwendung und der Auslegung des schweizerisch-französischen Niederlassungsvertrages gegenüber der französischen Regierung durchzusetzen;
2. dass Sie prüfen werden, auf welche Weise der Eindruck, den die bundesrätliche Antwort in der Öffentlichkeit hervorgerufen hat, behoben werden kann.
Sollten Sie, hochgeehrter Herr Bundespräsident und hochgeehrte Herren Bundesräte, eine weitere Meinungsäusserung oder eine Besprechung der Angelegenheit mit uns für angezeigt erachten, so stehen wir Ihnen selbstverständlich hiezu jederzeit zur Verfügung6.
- 1
- Lettre signée par le Président, S. Mayer, et par le Secrétaire, G. Guggenheim.↩
- 2
- Lettre: E 2001 (D) 2/201.↩
- 3
- Question Gräber du 12 juin 1941. Les autorités de la France occupée ont pris des mesures, sans caractère militaire, d’ailleurs, tendant à remettre les entreprises juives à des administrateurs-commissaires chargés de prendre des mesures écartant «n’importe quelle sorte de participation par les juifs». La Suisse, elle, n’a pas deux sortes de citoyens. Elle ne connaît que des Suisses. Quelles mesures le Conseil fédéral songe-t-il prendre pour sauvegarder les intérêts et les droits des Suisses habitant ces régions pour autant qu’il ne s’agisse pas d’intérêts et droits atteints par des mesures d’ordre militaire? Réponse du Conseil fédéral du 29 septembre 1941. Les mesures tendant à éliminer en France les Juifs de la vie économique ne sont pas limitées à la zone occupée, une législation analogue existant aussi en France libre. Dans d’autres Etats également, les Israélites sont soumis à un régime spécial qui est partout d’ordre public et, comme tel, opposable aux étrangers. Bien que les Juifs citoyens suisses ne puissent prétendre à un régime de faveur par rapport aux nationaux, nos agents à l’étranger s’efforcent de les aider à défendre leurs intérêts dans toute la mesure que permettent les lois et règlements applicables (PVCF No 1502 du 29 septembre, E 1004 1/413).↩
- 4
- Non reproduit.↩
- 5
- RO, 1883, vol. 6, pp. 362-366.↩
- 6
- Sur la position du Département politique face à la démarche de la Fédération suisse des Communautés Israélites, cf. annexe au présent document. Sur la position du Département de Justice et Police, cf. lettre du conseiller fédéral E. von Steiger à son collègue Pilet-Golaz, du 27 janvier 1942 (E 2001 (D) 2/101).↩
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Attitudes in relation to persecutions