Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 54
volume linkBern 1991
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E6100A-18#1000/1918#2* | |
Old classification | CH-BAR E 6100(A)-18/1000/1918 1 | |
Dossier title | Exportförderung der Textilindustrie (Dossier Nr. 1271) (1939–1939) | |
File reference archive | F.01-5 |
dodis.ch/46811
Mit Ihrem Schreiben vom 15. Februar a.c.3 ersuchten Sie uns um unsere Meinungsäusserung zu Punkt 5 der Eingabe des Schweizerischen Textilarbeiterverbandes und des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes vom 15. Januar 19394. Wir beehren uns, Ihnen folgende Bermerkungen zur gegenwärtigen Währungslage zukommen zu lassen.
Wir möchten vorausschicken, dass seit der am 26. September 1936 erfolgten Abwertung der Schweizerfranken nicht mehr fest an das Gold gebunden ist; die Nationalbank muss jedoch nach der bundesrätlichen Weisung den Franken auf einer Höhe halten, die einer Abwertung um ungefähr 30% entspricht5. Bei der Wahl dieses Satzes war die Überlegung massgebend, dass durch eine Abwertung in dem vorgeschlagenen Ausmass die Angleichung des inländischen Kosten- und Preisniveaus an das Ausland in genügender Weise herbeigeführt sein dürfte. Gewiss gab es schon damals Kreise, die eine stärkere Abwertung des Schweizerfrankens für notwendig erachteten. Die spätere Entwicklung unseres Aussenhandels hat gezeigt, dass der Abwertungssatz von 30°7o für die meisten Exportindustrien zur Wiederherstellung der internationalen Konkurrenzfähigkeit ausreichte. Allerdings kann die im Jahre 1937 eingetretene Belebung der schweizerischen Wirtschaftstätigkeit nicht allein der Abwertung zugeschrieben werden. Die Schweiz zog auch aus der aufsteigenden Weltkonjunktur und aus den allgemeinen Rüstungen Nutzen. Umgekehrt dürfen die im abgelaufenen Jahre aufgetretenen neuen Exportschwierigkeiten ebenfalls nicht allein der Abschwächung verschiedener Währungen zugeschrieben werden; diese sind in der ungünstigen Konjunkturlage in grossen Wirtschaftsräumen, in der Schutzzollpolitik und in den Exportförderungsmassnahmen des Auslandes mitbegründet. Auch die autarkischen Tendenzen in zahlreichen Ländern konnten nicht spurlos an der Schweiz vorübergehen.
Mitte März dieses Jahres steht das Pfund gegenüber dem Dollar um 6 °7o tiefer als vor Jahresfrist. Den Bewegungen der Pfundvaluten folgten die Länder des Sterlingblocks sozusagen automatisch. Der französische Franken hat innert Jahresfrist 9!/2% seines Goldwertes eingebüsst. Die Nationalbank vermag nicht zu beurteilen, in welchem Ausmass der Faktor Kursrückgang der ausländischen Valuten die Exportmöglichkeit der einen oder ändern Industrie beeinträchtigt. Sie kann auch nicht feststellen, inwieweit andere Faktoren, wie Zölle, Kontingente, Zahlungsschwierigkeiten etc., exporthemmend wirken und unter Umständen noch mehr ins Gewicht fallen als der Kursrückgang verschiedener Valuten. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass bei der Bestimmung des Goldwertes einer Valuta nicht nur Exportindustrie und Hotellerie, sondern die gesamte Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftslage eines Landes in Berücksichtigung gezogen werden muss. Infolgedessen ist es für die Nationalbank, bei der eben nicht alle Fäden zusammenlaufen, äusserst schwierig zu beurteilen, welcher Wechselkurs den Interessen der gesamten Volkswirtschaft am besten entspricht.
Die Nationalbank kennt vor allem die Währungs- und Kreditlage unseres Landes. Der aus Kreisen der Hotellerie stammende Vorschlag zur Einführung eines Touristenfrankens ist Beweis dafür, dass das Valutaproblem für die Schweiz erneut Bedeutung erlangt hat. Es ist uns auch bekannt, dass namentlich Genf wirtschaftlich unter der mehrmaligen Abwertung des französischen Frankens leidet. Auch die Begehren nach Zollerhöhungen zum Schutze der Binnenindustrie deuten nach der gleichen Richtung. Ferner besteht die Tatsache, dass gewisse Exportindustrien mit vermehrten Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
In der folgenden Übersicht vergleichen wir das ausländische Preisniveau mit dem schweizerischen. Beim Vergleich ist zu berücksichtigen, dass die Indexzahlen in den einzelnen Ländern verschieden aufgebaut sind und daher nicht ein mathematisch genaues Bild von der Preislage geben. Im weitern kann bei der Prüfung der Konkurrenzfähigkeit der Länder nicht nur auf das Preisniveau abgestellt werden; es müssen noch verschiedene andere Faktoren - Löhne, Qualität, Exportzuschüsse, um nur einige zu nennen, - in Betracht gezogen werden.
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Auch wenn, wie soeben gesagt, internationale Preisindexzahlen nur unter Vorbehalten verglichen werden können, so geht aus der vorstehenden Übersicht doch eindeutig hervor, dass seit Mitte 1938 vom Preisstandpunkt aus sich die Konkurrenzfähigkeit der Schweiz verschlechtert hat, und zwar ganz besonders gegenüber England und Frankreich. Während im Jahresdurchschnitt 1937 nach dem auf Goldbasis reduzierten Grosshandelsindex nur die Vereinigten Staaten etwas günstiger dastanden als die Schweiz, ist anfangs 1939 das Preisniveau mit Ausnahme von Holland in allen übrigen erwähnten Ländern tiefer als bei uns. Inbezug auf die Lebenskosten fällt nur die starke Senkung, in Gold gerechnet, bei Frankreich ins Gewicht.
Wie aus der Gestaltung unserer Ausfuhr hervorgeht, kommt es inbezug auf die Exportmöglichkeiten nicht nur auf den Verlauf der Preisindexzahlen an.
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Trotz der Abschwächung des englischen Pfundes, des französischen Frankens und des holländischen Guldens konnte die schweizerische Ausfuhr nach England, Frankreich und Holland erheblich gesteigert werden. Die Gründe dürften allerdings im starken Rüstungsbedarf und auch in der Tatsache liegen, dass das Ausland wegen eigener Rüstung nicht mehr in vollem Umfang oder überhaupt nicht mehr lieferfähig ist.
Die Ausfuhr nach den wichtigsten Industrien zeigt folgendes Bild.
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In Anbetracht dessen, dass die Textilindustrie in den beiden ersten Monaten des laufenden Jahres den Exportwert gegenüber den korrespondierenden Monaten 1937 um rund 10% steigern konnte, ist es zum vornherein nicht ohne weiteres verständlich, dass die Begehren nach einer weitern Anpassung des Schweizerfrankens an das englische Pfund gerade von seiten der Textilindustrie kommen. Der Grund dürfte darin zu suchen sein, dass einzelne Zweige dieser Industrie besonders stark unter der Abschwächung des englischen Pfundes und des französischen Frankens leiden.
Es ist nicht möglich, sich ein genaues Bild über die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Währungen für den Güter- und Kapitalverkehr unseres Landes zu machen. Zahlreiche Posten der Zahlungsbilanz sind uns in unserer länderweisen Aufteilung nicht bekannt.
In der uns übermittelten Eingabe wird eine Hebung des Pfundkurses auf das durchschnittliche Niveau von 1937 befürwortet. Vom 1. Januar bis 26. September 1936 betrug der durchschnittliche Pfundkurs in der Schweiz Fr. 15,30; im Jahresdurchschnitt 1937 erreichte er Fr. 21,55 und Ende Februar stand er auf etwa Fr. 20,62. Eine Hebung des Pfundkurses auf die Höhe von 1937 bedeutet aber eine Senkung des Schweizerfrankens gegenüber allen Valuten um rund 5%. Bei der Ende Februar bestehenden Dollar-Pfund Relation von 4,69 würde der Dollarkurs in der Schweiz auf etwa Fr. 4,59 ansteigen. Gleichzeitig müsste eine Erhöhung des Goldpreises auf Fr. 5136.- eintreten. Am Golde gemessen betrüge die Abwertung des Schweizerfrankens rund 33%. Sie hielte sich immer noch innert der im Bundesratsbeschluss vom 27. September 1936 festgelegten Grenzen. Hingegen wäre es der Nationalbank ohne eine Änderung der währungspolitischen Weisung des Bundesrates vom 27. September 1936 nicht möglich, den Schweizerfranken dem Pfunde folgen zu lassen. Die geringe Spanne, innert der sie den Franken schwanken lassen kann, genügt nicht, um den Vorsprung, den verschiedene Länder mit der weitern Entwertung ihrer Währungen erhielten, kompensieren zu können. Infolgedessen müsste der Bundesrat seine Weisung an die Notenbank in der Weise abändern, dass der Franken entweder zwischen den im Bundesratsbeschluss fixierten Punkten - 190 und 215 Milligramm - schwanken dürfte oder der Spielraum um die 30*7oige Abwertung vergrössert würde.
Wäre auch das Ausmass der erneuten Senkung unserer Währung relativ bescheiden, so würden doch zum Teil wieder die gleichen Probleme und Diskussionen wie vor der Abwertung im September 1936 aufgerollt, da ja bekanntlich die Meinungen über Erfolg und Misserfolg der Abwertung immer noch auseinandergehen. Es lässt sich heute, in den politisch unruhigen Zeiten, wohl kaum Voraussagen, welche Wirkungen eine weitere Währungsanpassung auslöste. Die Aufwertung der Gold- und Devisenbestände hätte zweifelsohne eine weitere Verflüssigung des Geld- und Kapitalmarktes zur Folge. Diese könnte durch den Zustrom ausländischer Gelder noch verstärkt werden, falls die Währungsanpassung in politisch ruhigen Zeiten erfolgte. Sollte dies der Fall sein, so würde die Abdrängung ausländischer Gelder aus der Schweiz unter Umständen zu einem noch dringenderen Problem werden als es heute schon ist. Es handelt sich hier aber keineswegs um eine leicht zu lösende Aufgabe.
Ebenso bleibt die Auswirkung einer allfälligen Währungsanpassung auf die Zinssätze ungewiss. Eine weitere Verflüssigung des Geld- und Kapitalmarktes führte zu einer Senkung des Zinsniveaus. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass einerseits der billige Zinsfuss für sich allein nicht genügt, um die Wirtschaft anzukurbeln oder in Gang zu halten und anderseits die niedrigen Sätze für viele Gläubigerkategorien, vor allem für die Versicherten, erhebliche Nachteile in sich bergen. Es wäre aber auch denkbar, dass eine weitere Entwertung des Schweizerfrankens eine gewisse Beunruhigung unter der schweizerischen Bevölkerung und damit einen Kapitalabfluss aus unserm Lande auslöste. In diesem Fall wäre mit einer Befestigung der Zinssätze zu rechnen. Je nach den äussern Umständen, unter denen die Angleichung des Schweizerfrankens an den Pfundkurs erfolgt, werden die Wirkungen verschieden sein. Die Eingabe des Textilarbeiterverbandes und des Gewerkschaftsbundes verlangt allerdings keine sklavische Bindung an das Pfund. Wir erlauben uns immerhin darauf hinzuweisen, dass eine Währungspolitik, die sich bald an eine Valuta bindet und bald sich wieder von ihr löst, nicht ohne erhebliche Nachteile für die Wirtschaft eines Landes bleiben kann.
Gewiss wäre eine weitere Anpassung des Schweizerfrankens an das englische Pfund dazu angetan, den Export nach einer Reihe von Ländern zu stimulieren. Aber man darf nicht vergessen, dass eine Senkung unserer Währung ein Ansteigen sämtlicher ausländischer Devisenkurse und damit eine Verteuerung des Importes im Gefolge hätte. Besonders ungünstig würde sich der Clearingverkehr mit Deutschland und Italien gestalten. Schon jetzt hat die Schweiz wegen des Rückgangs der Einfuhr aus Deutschland und Italien erhebliche Clearingsorgen, so dass der Export nach diesen Ländern eingeschränkt werden muss. Denn aus den Erträgnissen der schweizerischen Einfuhr aus Deutschland z. B. werden nicht nur der Reiseverkehr in die Schweiz und die Zahlungen an die Finanzgläubiger sondern vor allem die Exporte nach Deutschland finanziert. Das Ansteigen des Clearingmarkkurses würde zweifelsohne einen weitern Rückgang der Einfuhr aus Deutschland nach sich ziehen. Wir sehen, dass selbst für unsern Export eine Abwertung des Frankens nicht nur Vorteile sondern auch gewisse Nachteile bringt.
Wir verkennen die Sorgen und Schwierigkeiten unserer Exportindustrie und der Hotellerie keineswegs. Die Prüfung der Frage, ob eine weitere Anpassung des Schweizerfrankens an das englische Pfund anzubahnen sei, darf aber nicht nur auf die Schwierigkeiten weniger Industrien abstellen, sondern sie muss die Interessen unserer gesamten Wirtschaft berücksichtigen.
- 2
- Lettre: E 6100 (A) 18/1271.↩
- 3
- Non reproduite.↩
- 4
- Non reproduits.↩
- 5
- Cf. DDS, vol. 11, doc. 297, dodis.ch/46218 et ses trois annexes.↩
- 6
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/46811. Pour le tableau, cf. dodis.ch/46811. For the table, cf. dodis.ch/46811. Per la tabella, cf. dodis.ch/46811.↩
- 7
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/46811. Pour le tableau, cf. dodis.ch/46811. For the table, cf. dodis.ch/46811. Per la tabella, cf. dodis.ch/46811.↩
- 8
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/46811. Pour le tableau, cf. dodis.ch/46811. For the table, cf. dodis.ch/46811. Per la tabella, cf. dodis.ch/46811.↩