Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
C. AVEC LES AMÉRIQUES
5. Etats-Unis
5.2. Relations économiques
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 34
volume linkBern 1991
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.36-08#1000/1746#96* | |
Old classification | CH-BAR E 2200.36-08(-)1000/1746 1 | |
Dossier title | Gueterzufuhr im Falle eines Kriegs (Mithilfe von Landsleuten) (1939–1940) | |
File reference archive | C1-4 |
dodis.ch/46791
Ich beehre mich, auf Ihr Schreiben vom 30. Dezember 19382 und unsere seitherige mündliche Rücksprache von Ende Januar, betreffend kriegswirtschaftliche Vorbereitungsmassnahmen, zurückzukommen.
Dem Durchschlag Ihres Briefes vom 30. Nov.3 an die eidgenössische] Handelsabteilung entnehme ich, dass Sie eine Rundfrage bei schweizerischen Importeuren über deren Beziehungen zu amerikanischen Exporteuren angeregt haben. Ein solches Verzeichnis dürfte für die Weiterbehandlung dieser Angelegenheit gute Dienste leisten.
Bei näherer Prüfung des ganzen Problems, dessen Bedeutung und Tragweite unverkennbar sind, sind mir, angesichts der Besonderheit der Verhältnisse in den USA, gewisse Zweifel über die Durchführungsmöglichkeit der gewünschten weitgehenden Einzelmassnahmen gekommen. Wohl war im letzten Weltkrieg vor Kriegseintritt der USA der Bezug und Handel von Nahrungsmitteln und Rohstoffen staatlich so gut wie frei, und waren somit direkte Einkäufe auf dem offenen Markte möglich. In einem künftigen Konflikt könnte dies jedoch, bei den heutigen bereits bestehenden behördlichen Eingriffen in die Wirtschaft, auch anders sein, und es kann damit gerechnet werden, dass im Falle eines europäischen Krieges, selbst ohne direkte Kriegsteilnahme der USA, eine staatliche Kontrolle sofort einsetzen würde4. Bei effektivem Kriegsbeitritt müsste dagegen bestimmt mit einer weitgehenden Reglementierung des Nahrungsmittel- und Rohstoffverkehrs, insbesondere der Ausfuhr gerechnet werden; sehr wahrscheinlich wiederum durch Einsetzung eines gesonderten, von der ordentlichen Verwaltung losgelösten «War Trade Board» mit entsprechenden Unterabteilungen. So setzten sich z. B. schon letztmals die einzelnen Sektionen der «U.S. Food Administration» überwiegend aus politisch unabhängigen Handels- und Finanzleuten zusammen. Das gleiche ist wohl von den übrigen Abteilungen des «War Trade Board» zu sagen.
Ich habe in dieser Sache vertraulich Mr. Julius Howland Barnes (den ich seit Jahren kenne), 1917/18 Präsident der «Grain Corporation» der «US Food Administration» konsultiert. Mr. Barnes hält es für sehr wohl möglich, dass im Falle eines neuen europäischen Konfliktes eine weitgehende Ausfuhrkontrolle schon frühzeitig, d/as/ h[eisst auch ohne Kriegsteilnahme der USA, einsetzen könnte. Der Zweck dieser Kontrolle würde wohl weniger in der Erhaltung der Selbstversorgung Amerikas zu suchen sein (indem diese bei dem grossen Reichtum des Landes wohl nicht gefährdet ist), als vielmehr in der Überwachung der Ausfuhr zur Sicherstellung der Bezahlung, der Aufrechterhaltung der Neutralitätsgesetze, der Preisregulierung usw.
Sobald dabei die erforderliche behördliche Exportbewilligung vorliegen würde, sollte in der Meinung des Mr. Barnes der effektive Einkauf - wie erwähnt wohl durch Vermittlung einer technischen Sonderkommission nach festgelegter Regelung inbezug auf Preise usw. - normalerweise keine allzu grosse Schwierigkeit bereiten.
Damit scheint es mir, dass wir es höchstwahrscheinlich mit einer neuen Situation und auch mit neuen Amtsstellen und neuen Männern zu tun haben würden. Wenn deshalb unsere Zentralbehörden auf politische Beziehungen Gewicht legen, so scheint mir dies gerade für die USA nur in beschränktem Masse von Bedeutung zu sein. Es ist hier, ungleich mehr als in der Schweiz, mit dem häufigen Wechsel auf der politischen Bühne und mit einer allgemeinen politischen Labilität zu rechnen, ferner mit der mehrheitlich negativen, teilweise stark oppositionellen Einstellung der Handelskreise zu den einzelnen Regierungsstellen, namentlich des «New Deal» und auch zu den Lokalpolitikern. So könnten im Ernstfälle gewisse, heute vielleicht nützliche politische Beziehungen unserer Vertrauensleute, unter Umständen eher zu einem Nachteil werden.
Weiter habe ich mich mit Herrn Frederic Rohner, dem Leiter des schweizerischen Einkaufsbüros aus der Zeit 1917/19 in Verbindung gesetzt. Herr Rohner hält im Falle eines neuen europäischen Konfliktes eine Zentralisation der schweizerischen Einkäufe in der Hand eines einzigen amtlichen schweizerischen Einkaufsagenten wiederum für erforderlich. Er macht hierbei auf die unbedingte Notwendigkeit einer durch und durch seriösen und zuverlässigen Persönlichkeit aufmerksam und weist auf seine zahlreichen Erfahrungen mit Bestechungsversuchen, Anschlägen auf Wirtschaftsspionage, dem Auftauchen dubioser Zwischenhändler und Agenten usw. hin.
Herr Rohner erwähnt ferner die seinerzeitige plötzliche Entstehung zahlreicher neuer Firmen der Nahrungsmittel- und Rohstoffbranche (meistens Schieber firmen), sowie der Transportbranche, und verweist auch hier auf die grosse Beweglichkeit des Wirtschaftslebens in den USA, im Gegensatz zu unseren stabilen Verhältnissen in der Schweiz.
Nun ersuchen Sie mich um eine weitgreifende Erfassung «aller jener Landsleute, die, sei es als Geschäftsinhaber oder Geschäftsteilhaber, sei es als Mitarbeiter oder Angestellte, mit der Exportindustrie verbunden sind, » vorzunehmen. Sie möchten von mir ein «genaues Verzeichnis aller jener Landsleute» - welche dank ihrer beruflichen Stellung in der Lage sind, der Schweiz im Kriegsfälle wirtschaftlich und propagandistisch wichtige Dienste zu leisten» und «die wichtige Verbindungen zur Wirtschaft, zur Finanz, zur Industrie, zur Politik, zu Behörden und einflussreichen Persönlichkeiten des Landes haben» erhalten, wobei ich Sie «in jedem einzelnen Fall genau über die Natur und Wichtigkeit der Unternehmung, über die Stellung die der in Frage stehende Landsmann dort einnimmt, sowie über dessen Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Beruf und genaue Adresse zu unterrichten» habe; Sie bitten mich ferner «noch anzugeben, seit wie lange der betreffende Landsmann in den USA niedergelassen ist und welche Beziehungen er zur Schweizer Kolonie unterhält», ferner soll ich «in jedem Falle... Vorschläge unterbreiten und kurz ausführen, welche speziellen Aufgaben unserem Landsmann... im Kriegsfälle anvertraut werden könnten». Ich möchte nicht unterlassen hervorzuheben, dass es vollständig ausgeschlossen ist, ein derartiges Verzeichnis überhaupt anzufertigen. Der Konsularbezirk New York umfasst ein Territorium, das grösser ist als Italien, in welchem 50000 Schweizer niedergelassen sind; von diesen wiederum sind verhältnismässig wenige im Konsulat eingetragen. Erfahrungsgemäss sind aber nicht sehr viele effektiv erreichbar, da unsere Landsleute nicht sesshaft sind. Ganz abgesehen von der Unmöglichkeit der Anlegung eines derartigen Verzeichnisses, möchte ich darauf hinweisen, dass meines Erachtens der praktische Wert irgend eines Verzeichnisses dieser Art sehr problematisch ist. Es wäre jedenfalls verkehrt, wenn man sich durch den Umfang von Adressenmaterial blenden liesse und sich in einer falschen Sicherheit wiegen würde. Was mir dagegen in erster Linie erforderlich scheint, ist die Ermittlung einer auserlesenen Zahl (20-25) absolut zuverlässiger, erfahrener und patriotisch gesinnter Landsleute, die sich uns voll und ganz zur Verfügung stellen würden, und in welche wir volles Vertrauen besitzen. Diese Vertrauensleute, auf die wir im Notfälle rechnen könnten und die jede Gewähr leisten, dass sie keinerlei Bestechungsmanövern und Spionageversuchen zugänglich sind, dürften sich zur Hauptsache im «Trade Council» finden, der in ständigem Kontakt mit uns steht. Als einer der Vorsteher eines Schweiz. Einkaufsbüros zur Landesversorgung wäre wieder an Frederic Rohner, der in Bern von seiner letzten Tätigkeit her bekannt ist, zu denken. Was die Verbindungen zu Schiffahrtsgesellschaften anbelangt, so kann ich im Augenblick einzig an die hiesige schweizerische Transportfirma Rohner, Gehrig & Co. Inc. denken. Daneben vielleicht an die Gondrand Shipping Co., Inc., New York, welche zwei Landsleute in leitender Stellung beschäftigt. Es scheint mir jedoch sehr fraglich, ob diese beiden Firmen über entsprechende Verbindungen verfügen, die uns im Kriegsfälle wirklich nützliche Dienste leisten würden. Ich erfahre übrigens, dass im letzten Krieg die Frachtzuteilungen Amerika/Europa stets von London aus stattfanden, und nicht von den USAImmerhin bitte ich Sie, die in meinem Brief vom 14. Dezember5 übermachte provisorische Liste zu zerstören und sie durch das beiliegende Verzeichnis zu ersetzen6. Wenn unsere eidgenössischen] Behörden ein umfassenderes Verzeichnis wünschen, könnte ich keine Gewähr für die Vertrauenswürdigkeit übernehmen und müsste mich darauf beschränken, weitere Namen aus bestehenden zum Teil gedruckten Verzeichnissen zu nehmen. Ich müsste Sie dann überdies bitten, mir einen weiteren Beamten zuzuteilen, der die umfangreichen Erhebungen durchführen könnte, welche mehrere Monate beanspruchen würden.
- 1
- Lettre: E 2200 Washington 16/1. Kriegswirtschaftliche Vorbereitungen..↩
- 2
- Non reproduit.↩
- 3
- Non reproduit.↩
- 4
- Sur la contribution des Etats- Unis au ravitaillement de la Suisse pendant la Première Guerre mondiale, cf. DDS, vol. 6, Table méthodique, II. Les négociations économiques et financières avec les Alliés.↩
- 5
- Non reproduit.↩
- 6
- Non reproduit.↩
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United States of America (USA) (Economy)