Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.3 ALLEMAGNE. LES PERSÉCUTIONS ANTISÉMITES
Également: Statistique des avoirs des Suisses israélites d’Allemagne. Annexe de 23.9.1938
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 280
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#8254* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 317 | |
Dossier title | Anmeldung jüdischen Vermögens in Deutschland (1938–1938) | |
File reference archive | C.43.21.22 • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/46540
Le Chef de la Division des Affaires étrangères du Département politique, P. Bonna, au Ministre de Suisse à Berlin, P. Dinichert1
Der Beauftragte für den Vier jahresplan hat unter dem 26. April 1938, zusammen mit dem Reichsminister des Innern, die im Reichsgesetzblatt 1/1938, Seite 414, vom 26. April veröffentlichte Verordnung über die Anmeldung jüdischer Vermögen in Deutschland erlassen, die durch eine weitere Verordnung vom gleichen Tage über die Veräusserung von Betrieben mit jüdischer Beteiligung und die Eröffnung neuer nichtarischer Unternehmungen ergänzt und gesichert wird. In diesem Zusammenhang ist übrigens auch die Verordnung gegen die Unterstützung der Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe vom 22. April zu nennen.
Nach deutschen und österreichischen sowie ausländischen Pressekommentaren soll die Anmeldepflicht vorläufig die Inventarisierung und genaue Feststellung des jüdischen Einflusses in der deutschen Wirtschaft bezwecken und vor allem wegen der besondern israelitischen Verhältnisse in Österreich nötig geworden sein. Die zweite Verordnung, die eine Genehmigungspflicht für Veräusserungen und Neueröffnungen von Unternehmungen mit Beteiligung von Juden einführt, scheint der Verhinderung weiterer Ausbreitung des jüdischen Einflusses im deutschen Wirtschaftsleben dienen zu müssen. Es ist klar, dass die erwähnten Verpflichtungen empfindliche Auswirkungen für die in Deutschland lebenden Juden deutscher und ausländischer Nationalität mit sich bringen und noch nicht die letzten Massnahmen im Arisierungsprozess darstellen werden. So ist denn in der internationalen Presse die Befürchtung zum Ausdruck gelangt, dass die Erfassung des jüdischen Kapitals über RM. 5000.– der erste Schritt zur Konfiskation der Judenvermögen bedeute, die wahrscheinlich irgendwie auf dem Zwangswege in den Dienst der deutschen Wirtschaft und insbesondere des Vierjahresplanes gestellt werden dürften. Es wird ferner vermutet, dass das jüdische Kapital zur Durchführung der vollständigen Arisierung, d.h. zur Deckung der mit der Arisierung verbundenen Bedürfnisse an Geldmitteln herangezogen werden solle. Die Bestimmung des § 7 der ersten Verordnung vom 26. April gibt jedenfalls dem Beauftragten für den Vierjahresplan die Ermächtigung, «die Massnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Einsatz des anmeldepflichtigen Vermögens im Einklang mit den Belangen der deutschen Wirtschaft sicherzustellen».
Es ist ausser Zweifel, dass die von den neuen Verordnungen betroffenen Juden in ihrer Existenz mehr als bisher bedroht werden, und wir verweisen in dieser Beziehung auf Wiener Pressemeldungen, gemäss welchen der Jude in Deutschland «bis aufs Hemd ausgezogen» werden solle, um dann an die Grenze gestellt zu werden. Da durch die Verordnungen auch schweizerische Juden beeinträchtigt werden dürften und die Gefahr besteht, dass diese eines Tages ohne jegliche Existenzmittel in ihre Heimat zurückkehren und hier der öffentlichen Wohltätigkeit zur Last fallen, so können die Vorgänge in der deutschen Arisierung für uns nicht gleichgültig sein. Wenn sich wahrscheinlich eine Anmeldung der Vermögen, - wobei nach den einschlägigen Bestimmungen nur das in Deutschland liegende Kapital in Betracht fällt - für unsere jüdischen Landsleute nicht wird verhindern lassen, so ist vor allem danach zu trachten, dass die fraglichen Guthaben gegen den Willen der Betroffenen nicht irgendwie gebunden werden, sondern unangetastet bleiben. Es ist wohl zurzeit noch ungewiss oder unbekannt, was gerade bezüglich der ausländischen Juden gehörenden Vermögen geplant ist, und es ist Ihnen vielleicht möglich, in dieser Hinsicht Näheres in Erfahrung zu bringen. In diesem Zusammenhang dürfen wir Sie auch ersuchen, mit ändern Vertretungen fremder Staaten in Verbindung zu treten, um festzustellen, welche Haltung sie in der deutschen Arisierungsfrage einnehmen. Es ist nicht ausgeschlossen, das dritte Staaten bezüglich der Arisierungsbestrebungen in Deutschland (Amerika, Grossbritannien, Holland) diesmal ihr bis jetzt an den Tag gelegtes passives Verhalten aufgeben. Eine Mitteilung im «Bund» vom 1. Mai könnte darauf schliessen lassen, die, unter dem Titel «Amerikanische Juden betroffen», folgendes besagt:
«Washington, 29. d. (Havas.) Summer Welles hat Pressevertretern gegenüber erklärt, dass er den Botschafter der Vereinigten Staaten in Berlin ersucht habe, ihm rasch einen Bericht über das Dekret betr. die jüdischen Vermögen in Österreich und Deutschland zukommen zu lassen. Von dieser Verordnung sollen zahlreiche amerikanische Staatsbürger betroffen werden.»
Wenn in der Angelegenheit eine Demarche von mehreren Regierungen zugleich unternommen würde, so wäre natürlich mehr Aussicht auf Erfolg vorhanden, als wenn wir beispielsweise in der Sache allein vorgingen.
Im übrigen wäre es wohl auch zweckdienlich, die schweizerischen Juden in Deutschland und Österreich gehörenden Vermögenswerte wenigstens schätzungsweise zu ermitteln, dies schon deshalb, weil wir gegenwärtig, veranlasst durch die neue Wendung im Arisierungsprozess, nach weitern Möglichkeiten zur Heimschaffung von schweizerischen Rückwanderervermögen suchen, da durch die neuesten deutschen Massnahmen das Bedürfnis und der Zwang zur Rückkehr in die Schweiz sich noch verstärken werden. Auf das Finanzierungsproblem werden wir in den nächsten Tagen in einem besondern Schreiben zurückkommen. Wir wären Ihnen aber zu Dank verpflichtet, wenn Sie bei den Ihnen unterstellten Konsulaten über dem Umfang des schweizerischen Judenvermögens in Deutschland und Österreich Umfrage halten wollten2. Vorbehalten bleibt die Prüfung der Frage, ob nach dem Ablauf der Anmeldefrist, d. h. nach dem 30. Juni 1938, die deutsche Regierung um nähere Auskunft über die bei ihr deklarierten Vermögen schweizerischer Juden angegangen werden könnte.
Aus der Verordnung vom 26. April geht nicht eindeutig hervor, ob nur das in Deutschland liegende Vermögen ausländischer, in Deutschland wohnender Juden angemeldet werden muss, oder ob eine Anmeldung solchen Vermögens auch dann in Frage kommt, wenn der Eigentümer nicht in Deutschland ansässig ist. Auch hierüber wäre eine Aufklärung uns sehr erwünscht.
Ihres Berichtes3 gerne gewärtig, versichern wir Sie, Herr Minister, unserer ausgezeichneten Hochachtung.
- 1
- Lettre (Copie): E 2001 (D) 2/293.↩
- 2
- Les résultats de cette enquête, communiqués notamment dans une lettre de Kappeler à Berne du 23 septembre 1938, sont les suivants: [...] Für die Tabelle vgl. dodis.ch/46540. Pour le tableau, cf. dodis.ch/46540. For the table, cf. dodis.ch/46540. Per la tabella, cf. dodis.ch/46540.↩