dodis.ch/43970
Le Ministre de Suisse à
Berlin, Ph.
Mercier, au Chef du Département de Justice et Police,
E. Müller1
In einem Schreiben B/Sp. vom 20. Februar 1919 der Zentralstelle für Fremdenpolizei lese ich folgenden Passus:
«Bei diesem Anlasse bemerken wir, dass wir für Frühjahr und Sommer eine Erleichterung der Einreisebewilligung für ausländische Kurgäste in Aussicht genommen haben. Es werden voraussichtlich auch wieder Vergnügungsreisende und Sportsleute nach der Schweiz kommen können. Ein demnächst ergehendes Kreisschreiben wird Sie übrigens über diesen Punkt noch aufklären.»
Aus diesen Zeilen erhalte ich den Eindruck, dass die Verhältnisse in Deutschland bei der Zentralstelle für Fremdenpolizei allzu optimistisch beurteilt werden. Die Situation wird, wie schon weiter oben bemerkt, immer ungünstiger, und wenn die Schweiz die Einreise für Frühjahr und Sommer erleichtert, so kann ich mir nicht vorstellen, wie es ihr gelingen wird, sich den Bolschewismus vom Halse zu halten.
Ich verkenne die Notlage der schweizerischen Hotelerie, unter der ich persönlich als Aktionär und Obligationär auch zu leiden habe, keineswegs, doch erlaube ich mir der Meinung Ausdruck zu geben, die Bekämpfung des Bolschewismus sei wichtiger als die sofortige Förderung der Hotelerie. Es ist eben nicht ausser acht zu lassen, dass der Bolschewismus alles ruiniert und dass er, falls er in der Schweiz Fuss fassen sollte, auch den Untergang der Hotelindustrie bedeuten würde.
Meines Erachtens müssen die Grenzen so hermetisch als möglich geschlossen bleiben bis die Gefahr des Bolschewismus vorbei ist.
Sollte die Entente die Hungerblockade bald aufheben und auch Lebensmittel liefern, so kann Deutschland eventuell die Schweiz vor dem Weitergreifen dieser aus dem Osten stammenden Seuche bewahren. Erst dann dürfte es an der Zeit sein, mit Bezug auf die Erteilung von Einreisebewilligungen liberaler vorzugehen.