dodis.ch/43114 Der schweizerische Gesandte in Washington, L. E. Vogel, an den Vorsteher des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartementes, J. A. Schobinger1
Bezugnehmend auf meinen gestrigen Bericht2 beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, dass mir heute der Chef der Handelsabteilung im Staatsdepartement wiederum gesagt hat, die Schweiz könne sicher sein, dass man ihr Entgegenkommen nicht vergessen und sie nicht schlechter behandeln werde als irgend eine andere Nation. Das ist natürlich nur eine vertrauliche Äusserung und keine offizielle Zusicherung, aber sie ist wegen der Stelle, von der sie ausgeht, nicht ohne Bedeutung.
Vom deutschen Botschafter hörte ich vertraulich, Herr Staatssekretär Knox habe ihm gesagt, er werde dahin zu wirken suchen, dass das neue Gesetz eine Bestimmung über die Gültigkeit der bestehenden Handelsabkommen enthalte. Ohne eine solche Bestimmung wäre nämlich zu befürchten, dass nach hiesiger Anschauung die im neuen Tarifgesetz vorgesehenen Administrativ-Bestimmungen trotz der Übereinkünfte sofort zur Anwendung kommen müssten. Wie ich gestern schon bemerkte, ist Herrn Knox daran gelegen, die zur Zeit gültigen Verträge und Abmachungen bis zum 31. März 1910 laufen zu lassen, um in der Zwischenzeit auf der Grundlage des neuen Gesetzes Verhandlungen einzuleiten. Herr Knox glaubt, dass die Handelsbeziehungen zu allen Staaten bis dahin geregelt werden können. Natürlich würde es sich nur um die Zugeständnisse der Sektion 3 des Dingley Tarifs und um das in den Abkommen vorgesehene System der Zollabschätzung und Verzollung handeln. Jedenfalls wird versucht werden, eine Änderung des Systems für alle Importe gleichzeitig eintreten zu lassen. Es ist nicht möglich vorauszusagen, was der Senat über diese Frage beschliessen wird. Sind doch die Absichten und Vorschläge der Senatskommission in diesem Punkte noch nicht bekannt gegeben worden. Aber es ist anzunehmen, dass das Gesetz in der einen oder ändern Weise eine Lösung bringen wird.
Weder die deutsche noch die französische Botschaft haben einen Auftrag erhalten, bei etwaigen Protesten oder Reklamationen gemeinschaftlich mit ändern Nationen vorzugehen. Der französische Botschafter hat vor wenigen Tagen eine mehrwöchentliche Reise nach dem Westen angetreten und mir kurz vorher mitgeteilt, dass er fernere Versuche, den Kongress zu beeinflussen, für nutzlos halte. Er sowohl wie der deutsche Botschafter sind der Ansicht, man werde das endgültige Gesetz abwarten und sich dann erst schlüssig machen müssen, welche Stellung man den neuen Zollerhöhungen gegenüber einnehmen könne. Ich glaube, die Schweiz wird sich kaum auf einen ändern Standpunkt stellen können3.