Als Beilage unterbreiten wir Ihnen den Botschaftsentwurf über einen neuen Rahmenkredit von 3600 Millionen Franken für die Weiterführung der technischen Zusammenarbeit und Finanzhilfe während einer 4-jährigen Mindestdauer ab Mitte Dezember 1990.2
Art. 9 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 19. März 1976 über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe3 (SR 974.0) sieht vor, dass die Mittel für die Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe als Rahmenkredite für jeweils mehrere Jahre bewilligt werden. Der gegenwärtige, seit 18. Dezember 1987 gültige Rahmenkredit von 2100 Millionen Franken (BB vom 23. September 1987, BBl 1987 III–261)4 wird voraussichtlich im Dezember 1990 ausgeschöpft sein.
Für die meisten Entwicklungsländer waren die 80er Jahre ein Jahrzehnt des Stillstands, wenn nicht der Krise. Grosse strukturelle Veränderungen in der Weltwirtschaft und die Gefährdung der globalen ökologischen Grundlagen haben die schwierige Situation der Entwicklungsländer noch akzentuiert. Die Botschaft stellt fest, dass die Zahl der in absoluter Armut Lebenden weiterhin zunimmt. Sie stellt die hauptsächlichen Probleme dar, durch die Armut entsteht und die gleichzeitig Symptom der Armut sind. Dazu zählt die Krise der staatlichen Institutionen in vielen Ländern und die prekäre wirtschaftliche Lage aufgrund der Überschuldung und der unangepassten Wirtschaftsstrukturen. Die Botschaft beschreibt die davon nicht zu trennenden Probleme der Umwelt – der Druck der Umstände veranlasst zum Raubbau an der Natur. Sie weist auf die verstärkt auftretenden Wanderungsbewegungen und die Probleme der Verstädterung hin.
Die Botschaft ist im Kapitel 2 den «Schritten aus der Krise» gewidmet. In der Tat sind von seiten vieler Entwicklungsländer grosse Anstrengungen unternommen worden, der sich verschlechternden Situation entgegenzuwirken. Viele haben, von der internationalen Gemeinschaft gestützt, tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Reformen eingeleitet. Es sind langfristige Prozesse, welche eine grosse Belastung mit sich bringen. Ihr Gelingen hängt nicht nur von Opfern auf seiten der Entwicklungsländer ab. Sie benötigen ebenso sehr eine langfristige direkte wie indirekte Unterstützung durch die Industrieländer. Direkt in der Form von Entwicklungszusammenarbeit; indirekt – aber genau so wichtig – über die von den Industrieländern weitgehend bestimmten weltwirtschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen.
Diesen indirekt wirkenden Rahmenbedingungen widmet die Botschaft das dritte Kapitel. Darin wird ausgeführt, was vor drei Jahren im Bericht über die Politik der Entwicklungszusammenarbeit 1976–85 bereits formuliert wurde.5 Es ist eine zentrale Aussage der Botschaft, dass die allgemeine Politik der Schweiz (ausserhalb der Entwicklungszusammenarbeit) die Entwicklungsanstrengungen der Länder der Dritten Welt sehr wirkungsvoll unterstützen, aber umgekehrt auch behindern kann. Das dritte Kapitel beschreibt die verschiedenen Bereiche, in denen eine kohärentere Politik der Schweiz gegenüber den Entwicklungsländern nottut: die Umwelt, den Handel, das Zollwesen, die Flüchtlingspolitik, die Technologiepolitik, die Verschuldung, die Kapitalflucht. Der wichtige Beitrag, den die Privatwirtschaft in diesem Zusammenhang leisten kann, wird hevorgehoben. In den meisten dieser Bereiche ist die Zeit der pauschalen Nord/Süd-Konfrontation vorüber. Es geht heute nicht um Positionen oder globale Konzepte, sondern um konkrete Schritte der Umsetzung einer kohärenteren Politik gegenüber den benachteiligten Ländern der Erde. Die Schweiz hat in vielen Bereichen erste Schritte unternommen, z. B. im Rahmen der Verhandlungen im GATT,6 oder in den globalen Anliegen der Umweltpolitik7 und der Flüchtlingspolitik.8 Die Botschaft bietet eine Grundlage für eine zukünftige Ausweitung dieser Rolle und eine stärkere Profilierung der Schweiz.
Das vierte Kapitel stellt detaillierter als bis anhin die in der Laufzeit des kommenden Rahmenkredits absehbaren Schwerpunkte der technischen Zusammenarbeit und Finanzhilfe dar. Die Darstellung erfolgt länderweise sowie nach Hauptsektoren. Ein besonderer Akzent wird auf die Umwelt gesetzt; spezielle Erwähnung finden Massnahmen im Flüchtlingsbereich und im informellen Sektor der Städte, die multilaterale Zusammenarbeit und die Forschungspolitik gegenüber Entwicklungsländern. Das Programm zeigt den Einsatz der traditionellen wie der erst in den letzten Jahren ausgebildeten Formen der Zusammenarbeit. Einen grossen Raum nehmen die Strukturanpassungsprogramme ein, die in vielen Ländern vor allem Afrikas unterstützt werden.9 Die multilaterale Hilfe bleibt unverändert auf einem Niveau von rund 30% des Volumens.10 Rechnet man die Kofinanzierungen einzelner Projekte internationaler Entwicklungsbanken und -fonds dazu, so wird die Marke von 48% erreicht.
Wichtig ist, dass diese Form der Planung als indikativ aufgefasst wird. Ebenso wichtig: die Planung gerade von entscheidenden Programmen ist nicht vorhersehbar. Grosse Rückwanderungen in Sri Lanka11 oder in Afghanistan12 – abhängig von politischen Veränderungen – können sich im Lauf der nächsten vier Jahre ereignen. Ebenso sind umfassende internationale Aktionen im Umweltbereich13 denkbar: z. B. zugunsten von Tropenwäldern,14 in Bezug auf das Klima,15 usw. In allen diesen Bereichen sind rasche Entwicklungen zu umfassenden Abkommen – mit Kostenfolgen – vorstellbar.
Der Darstellung bisheriger Erfahrungen ist ein eigener Anhang als «Rechenschaftsteil» gewidmet. In einigen wichtigen Bereichen wird die Arbeit der drei letzten Jahre dargestellt: Massnahmen im Umweltbereich;16 schweizerische Beteiligung an Strukturanpassungsprogrammen unter spezieller Darstellung von Bolivien;17 Arbeit im südlichen Afrika,18 im informellen Sektor der Städte, und mit den multilateralen Organisationen. Diese neue Form der Berichterstattung wird ergänzt durch die übliche Gesamtdarstellung der Tätigkeit in Tabellenform.
Ein weiteres Kapitel ist den Problemen der Organisation der Entwicklungszusammenarbeit und den Personalproblemen gewidmet. Die Arbeitsbelastung der DEH hat eine kritische Grenze erreicht; die stetige Ausweitung der Entwicklungszusammenarbeit entspricht einem nur zu deutlich feststellbaren Bedürfnis der Entwicklungsländer. Andererseits ist die Nutzung von organisatorischen Möglichkeiten zur Vereinfachung der Arbeit und Einsparung von Arbeitsaufwand weitgehend ausgeschöpft.19 Die DEH muss – um das vorgelegte Programm bewältigen zu können – ihr Personal in der Rahmenkredit-Periode um sechs bis acht Stellen pro Jahr ausweiten können. Ein gesonderter Antrag, der Ihnen im gleichen Zeitpunkt wie diese Botschaft vorgelegt wird, stellt zwei mögliche Alternativen vor, wie dem Personalproblem bei der Entwicklungszusammenarbeit begegnet werden kann. Die Vorlage zum Personal wird Ihnen deshalb gleichzeitig mit dieser Botschaft vorgelegt, weil sich das Programm nur mit einem positiven Personalentscheid in verantwortbarer Weise verwirklichen lässt.20
Die Botschaft beantragt für die 4-Jahresperiode einen Verpflichtungskredit von 3600 Millionen Franken. Der Betrag hat sich gegenüber dem letzten Rahmenkredit von 2100 Millionen Franken nominell stark ausgeweitet. Einmal enthält er eine Erhöhung von 33% nur schon aufgrund der Tatsache, dass die Laufzeit des Rahmenkredits von drei auf vier Jahre verlängert worden ist. (Ohne Teuerung käme der alte Rahmenkredit somit auf 2800 Millionen Franken.) Diese Verlängerung entspricht der Legislaturperiode des Parlaments und entlastet Parlament sowie Bundesrat. Dies umso mehr, als dieses Jahr auch noch gleichzeitig der ebenfalls auf vier Jahre ausgelegte Rahmenkredit für handels- und wirtschaftspolitische Massnahmen vorgelegt wird, welcher ebenfalls der Entwicklungszusammenarbeit dient.21
Zum zweiten ergibt sich eine nominelle Ausweitung des Rahmenkredits durch die aus technischen und entwicklungspolitischen Gründen erfolgende Verlängerung der im Rahmen unseres Programms einzugehenden Verpflichtungen. Durch die verstärkte Zusammenarbeit in grossen Kofinanzierungsprogrammen oder in Strukturanpassungen ergeben sich naturgemäss längerfristigere gegenseitige Verpflichtungen. Der verstärkte Einsatz von Regieträgern mit Rahmenmandaten wirkt in die gleiche Richtung. Entwicklungspolitisch ist dies ein erwünschter Prozess, indem stärker auf Institutionen der Entwicklungsländer abgestellt wird. Grössere Programme brauchen zudem längere technische Vorbereitungszeiten nach der erfolgten Absichtserklärung von seiten der Geber. Während sich so das Volumen der Verpflichtungen erhöht, bleiben die effektiven Zahlungen im Rahmen der jährlichen Budgets.
Am 2. Oktober 1989 haben Sie durch einen Budgetentscheid an unserem erklärten Ziel der Legislaturplanung, die Leistungen der Schweiz dem Durchschnitt der OECD-Länder anzugleichen, festgehalten.22 Ein Kürzungsbegehren der Finanzkommission wurde in der Dezembersession vom Parlament abgelehnt.23 Dies bestärkt uns, mit dieser Vorlage an unseren Legislaturzielen festzuhalten.
Da der Rahmenkredit auf eine längere Zeitdauer als bisher ausgelegt worden ist, muss mit dem Eintritt grösserer Aktionen gerechnet werden, die im bestehenden Programm der technischen Zusammenarbeit nicht vorgesehen sind. Solche Ereignisse sind vor allem in den in einem ausserordentlich raschen Wandel befindlichen Bereichen der globalen Umweltpolitik und der Flüchtlingspolitik absehbar. Der Bundesrat muss sich dabei die Möglichkeit offen halten, rasch, flexibel und angemessen handeln zu können, damit er seine Aussenpolitik mit Entschlossenheit gestalten kann. Der Rahmenkredit enthält somit erstmals eine Reserve von 300 Millionen Franken, die für absehbare, aber noch nicht planbare Ereignisse in den erwähnten Bereichen reserviert werden soll. Aus dem Budget 1990 und den Finanzperspektiven für die darauffolgenden Jahre ergibt sich für die Weiterführung der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern ein Betrag von 3300 Millionen Franken. Mit dem Einschluss der Reserve erhöht sich der Betrag auf 3600 Millionen Franken. Wir erachten den Einschluss einer solchen Reserve aus den geschilderten Gründen als notwendig. Die gleiche Ansicht vertreten die konsultierten Bundesämter, mit Ausnahme der Eigenössischen Finanzverwaltung.
Folgende Bundesämter sind mit diesem Antrag einverstanden: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bundesamt für Gesundheitswesen, Bundesamt für Bildung und Wissenschaft, Eidgenössisches Personalamt, Eidgenössische Finanzkontrolle, Bundesamt für Organisation, Delegierter für das Flüchtlingswesen, Bundesamt für Aussenwirtschaft sowie das Bundesamt für Landwirtschaft.
Die Eidgenössische Finanzverwaltung hat gegenüber der Bildung einer Reserve ausserhalb der Finanzperspektiven Vorbehalte angebracht.24