dodis.ch/54937Ausserordentliche Sitzung des Bundesrats vom 30. April 19901

Elemente der Sicherheitspolitik 90 • Neues Kampfflugzeug • Widerstandsorganisation

Vertraulich

Elemente der Sicherheitspolitik 902

Für Herrn Bundesrat Villiger erfordern die historischen Veränderungen in Europa und die damit verbundenen Ungewissheiten und Verunsicherungen in der Bevölkerung eine neue sicherheitspolitische Standortbestimmung.3 Volk und Parlament brauchen diese als Orientierungshilfe, auch im Hinblick auf das Projekt Armee 95.4 Das Problem liegt vor allem darin, dass im gegenwärtigen Zeitpunkt viele Entwicklungen und Tendenzen noch als unsicher zu betrachten sind. Der Bericht kann deshalb nicht wie derjenige von 19735 von einer als stabil geltenden Lage ausgehen. Soll er deshalb verschoben werden? Die Frage muss verneint werden,6 denn in dieser unsicheren Phase will das Volk wissen, welchen Gefahren es ausgesetzt ist und welche Massnahmen getroffen werden können. Gewiss wird der Bericht7 nur vorläufigen Charakter haben. Er soll deshalb im Sinne einer rollenden Planung ständig angepasst und aktualisiert werden. Auch werden nicht nur die militärischen Gefahren berücksichtigt, so dass dieser Bericht sogar als eine Art «State-of-the-Union-Botschaft» angesehen werden kann. Im Bericht werden Szenarien dargelegt. Es handelt sich nicht um Prognosen, sondern vielmehr um Möglichkeiten, die aufgezeigt werden. Wenn man im jetzigen Zeitpunkt auf die Erstellung des Berichts verzichtet, erweckt die ganze Sicherheitspolitik einen konservativen Eindruck. Dies gilt es zu vermeiden, damit auch die junge Generation wieder angesprochen werden kann. Ziele der Sicherheitspolitik bleiben die Bestimmungen des Artikels 2 der Bundesverfassung,8 wobei die Maximen der Aussenpolitik ebenfalls in die Philosophie des Berichts einbezogen werden müssen. Die strategischen Absichten sind: Beitrag zu Friedenssicherung und Stabilität, grösstmöglicher Schutz der Bevölkerung, nicht nur gegen Kriegseinwirkungen, indem die Instrumente der Sicherheitspolitik (Armee und Zivilschutz) auch gegen andere Gefahren einsatzbereit sein müssen, sowie ständige Bereitschaft, diese Instrumente an ein neues Umfeld anzupassen. Damit der Bericht lesbarer wird, ist vorgesehen, auch Bilder und Tabellen zu verwenden. Dadurch kann die Vernetzung sämtlicher Elemente der Sicherheitspolitik erklärt werden.

M. Cotti loue la réflexion considérable faite en si peu de temps. Il faut essayer de présenter un rapport susceptible de susciter la discussion dans le pays. Le problème est qu’actuellement, on enregistre nombre d’évolutions, mais aucune évolution définitive qui puisse nous permettre de faire un saut qualitatif. Il serait beau de pouvoir annoncer beaucoup d’ouverture, mais il est impossible de le faire car on ne sait pas encore la tournure que les événements prendront. Il faut donc éviter que le rapport manifeste une trop grande volonté pour des changements que l’on n’est pas en mesure de décider actuellement.

Herr Bundesrat Stich teilt diese Auffassung. Der Bericht muss überzeugen, doch ist dies im jetzigen Moment sehr schwer, denn vieles ist noch unsicher. Die Schwierigkeit liegt darin, dass man eine Situation darstellen muss, ohne zu wissen, wohin die Entwicklungen in Ost- und in Westeuropa uns führen werden. Die Sicherheitspolitik beinhaltet noch andere Komponenten, die noch ungenügend berücksichtigt wurden, so zum Beispiel die Wirtschaftsentwicklung, die soziale Politik, die Finanzprobleme usw. Auch wurden andere Bedrohungen wie der Sezessionismus in der Sowjetunion oder der religiöse Fundamentalismus in die Reflexion nicht eingebettet. Methodisch sollte deshalb ein erster Teil des Berichtes zusammen mit den anderen Departementen verfasst werden. Auch die Fragen «Wo stehen wir?» «Wohin gehen wir?» sollen eine Antwort erhalten. Die Wahrung der Flexibilität der Mittel der Sicherheitspolitik ist sicher gerechtfertigt, doch eine solche Option ist sehr teuer. Die finanzpolitischen Möglichkeiten sollten deshalb nicht unerwähnt bleiben. Flexibilität bedeutet unter anderem Prioritäten zu setzen. Der Sicherheitsbericht soll mit dem Leitbild der Armee9 koordiniert werden, denn wir müssen überzeugen, was die Armee kann und was nicht. Als Ziel sollte ein Bericht entstehen, der in einer breiten Öffentlichkeit, zum Beispiel in den Schulen Interesse findet.

M. Delamuraz s’interroge sur la finalité du rapport. S’agit-il d’un mode d’emploi pour le futur ou doit-il avoir une signification immédiate en faveur du F-18?10 Le rapport tel qu’il est présenté11 n’est pas facile à lire et on pourrait en tirer la conclusion que le Conseil fédéral n’a pas réfléchi à une nouvelle politique de sécurité. Dans ce cas, quelle serait l’utilité d’un tel rapport? Il faut en outre coordonner la réflexion avec Armée 95. Pour ce qui concerne la substance, l’aspect de la protection de la neutralité prend une place assez ténue. Il s’agit d’un rapport sur la sécurité en Europe: il faut donc avoir le courage d’aller un peu plus loin dans la réflexion.

M. Felber admet qu’il est très difficile de répondre aux questions posées, mais que le Conseil fédéral doit assumer cette tâche politique. L’intérêt primordial d’un tel rapport est constitué par l’analyse de la situation d’abord, et ensuite par la définition des éléments qui constituent une menace. L’aspect de la neutralité a été un peu négligé. Il faut que le Conseil s’exprime sur la neutralité et sur la politique de neutralité.12 En Europe, l’évolution de la situation est loin d’être terminée et les menaces politiques restent réelles. Il faut analyser la situation, quitte à en déduire qu’on ne peut pas tirer de conclusions définitives. Il y a des risques et des moyens de leur faire face. Le danger est de définir des risques nouveaux contre lesquels nous n’avons pas de moyens. Il y a encore les risques économiques. L’analyse ne doit pas se limiter à l’Europe, mais englober aussi les évolutions dans le monde entier. Faut-il publier ce rapport ou donner plus de temps à la réflexion? Renvoyer la publication signifierait susciter de nombreuses critiques. Grâce au rapport, il sera possible d’ouvrir la discussion publique.

Herr Bundesrat Ogi bedauert, dass das Thema der Klausursitzung der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden ist. Bei dieser Diskussion geht es vor allem darum, der Armee den Stellenwert zu verleihen, den sie nötig hat. Der Auftrag an die Armee soll nicht verwässert werden. Folgende drei Feststellungen sollten wegleitend sein: In unserem Umfeld existieren weiterhin starke militärische Kräfte mit Offensivcharakter, die bisherigen strategischen Optionen sind nicht ausgeschlossen und militärische Konflikte sind weiterhin möglich. Ziel des Berichtes soll es sein, die Weiterführung der bisherigen Sicherheitspolitik in einem veränderten Umfeld zu ermöglichen. Der Bericht wird politischen Stellenwert haben. Der jetzige Zeitpunkt ist von der Ungewissheit der Entwicklungen geprägt, so dass der Bericht schon morgen überholt sein könnte. Kann der Bericht der Tatsache, dass innenpolitisch über die Landesverteidigung kein Konsens mehr möglich ist, entgegentreten? Dies ist zu bezweifeln; wird der Bericht ein Sammelsurium von Möglichkeiten, kann jeder darin finden, was er will. Auch die Energieszenarien haben keinen Konsens erlaubt. Es fehlt noch die Kombination möglicher Szenarien.

Für Herrn Bundespräsident Koller stellt sich die Frage, ob die Zeit für einen solchen Bericht günstig ist. Der Bundesrat wird am sehr guten Bericht von 197313 gemessen. Was erwarten Volk und Parlament? Zunächst eine Beurteilung der Lageentwicklung vor allem in Europa. Diese Beurteilung muss aber auch andere Elemente berücksichtigen, wie zum Beispiel die Migrationen, die ebenfalls als Gefährdung gelten müssen, oder das organisierte Verbrechen. Es geht deshalb primär um eine Beschreibung und eine Bewertung der Lage. Dann sollte der Bundesrat aber feste Pflöcke einschlagen. Die sicherheitspolitischen Ziele bleiben die gleichen. Der Bundesrat kann wenig im Sinne einer neuen Politik sagen. Es bleibt deshalb nur der Einsatz der Mittel. In dieser instabilen Übergangsphase kann der Stellenwert der einzelnen Mittel noch nicht dargelegt werden. Genügt es, wenn der Bundesrat als Schlussfolgerung den flexiblen Einsatz der Sicherheitspolitik ankündigt? Angesichts dieser Lage kann man sich fragen, ob eine andere Form nicht besser wäre. Man könnte die Situation der Schweiz darlegen, die Werte und Zielsetzungen der Sicherheitspolitik bestätigen, einen flexiblen Einsatz der Mittel offen halten und – auch im Hinblick auf das Jubiläumsjahr – eine breite Diskussion ermöglichen.

Herr Bundeskanzler Buser unterstreicht die Notwendigkeit, eine klare und verständliche Sprache zu benützen. Nur so wird der Bericht auch breit gelesen und verstanden. Die vorgeschlagenen Illustrationen sind wenig aussagekräftig. Die staatspolitischen Ziele von Artikel 2 der Bundesverfassung14 bleiben weiterhin gültig. Ziele und Mittel dürfen nicht vermischt werden. Anstatt den Bericht alle paar Jahre zu überprüfen, könnten diese Gedanken in die Regierungsrichtlinien eingebettet werden.

Herr Bundesrat Villiger dankt für die offene und konstruktive Diskussion. Gewiss ist der jetzige Zeitpunkt von Unsicherheiten behaftet. Doch in ein paar Jahren wird die Situation nicht viel anders sein. Die Akzente haben sich verschoben, viele Dinge haben nicht mehr den gleichen Stellenwert. Der Bundesrat muss jetzt klar zum Ausdruck bringen, dass eine Armee weiterhin notwendig ist. Die heute vorliegenden Papiere15 sind nur als Skizzen gedacht, die von einem Journalisten in einer griffigeren Sprache neu redigiert werden müssen. Die Szenarien sind nur als Denkhilfe gedacht. Die Darstellung der Entwicklungen soll es ermöglichen, die neuen Risiken einzuschätzen. Bei der Neutralitätspolitik sind noch viele Fragen offen: Welcher Stellenwert misst der Bundesrat der Neutralität bei? Trotz vielen noch offenen Fragen und grossen Schwierigkeiten wäre es politisch falsch, auf einen neuen Sicherheitsbericht zu verzichten. Höchstens können die Resultate der Studie als Zwischenbericht deklariert und die weiterhin gültigen Schwerpunkte aus dem Bericht von 1973 übernommen werden. Der Stellenwert des Berichtes kann vom Bundesrat später festgelegt werden. Ohne eine Revision der Sicherheitspolitik wäre es im jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, neue Waffen für unsere Armee zu kaufen.

Herr Bundespräsident Koller schlägt einen klareren Bezug zum Bericht von 1973 vor, mit einer Stellungnahme zu den Änderungen und zu den Zielen.

M. Cotti, il serait faux de tomber dans l’illusion que les accents puissent être mis par le Conseil fédéral. Ce sera l’opinion publique qui les mettra. De ce rapport, il y a beaucoup d’attentes. Les éléments essentiels de la politique de sécurité sont la rapide évolution de la situation, le fait que tous le scénarios sont possibles et que l’armée reste un élément déterminant de la politique de sécurité.

Herr Bundesrat Stich unterstreicht, dass der Bericht als Grundlage für das Projekt Armee 95 und für das Leitbild der Armee gelten soll. Die heutige Situation muss dargestellt werden, und der Bundesrat muss klar sagen, was der Bund tut und was er tun kann, ohne sich auf Prognosen einzulassen. Deshalb wird es nötig sein, den Bericht in einen grösseren Zusammenhang einzubetten.

Herr Bundespräsident Koller stellt fest, der Rat sehe trotz Bedenken die Notwendigkeit einer neuen Lagebeurteilung ein. Der Stellenwert werde vom Bundesrat erst nach Vorliegen des Berichtes diskutiert.

Herr Bundesrat Villiger dankt für die Zustimmung zum Versuch, einen Bericht zu redigieren. Er wird nach dieser Diskussion einen Zeitplan für die weiteren Arbeiten vorlegen.16

Neues Kampfflugzeug

BR Villiger kommentiert das Aussprachepapier,17 das die militärische Notwendigkeit eines neuen Kampfflugzeugs unterstreicht. Vom militärischen Standpunkt aus bestehen keine Zweifel: Ein neues Kampfflugzeug ist für die Glaubwürdigkeit des Neutralitätsschutzes unerlässlich. Der Kauf des F/A-18 würde auch die Dissuasionskraft erhöhen und Führungsstärke zeigen, hätte eine positive Wirkung auf die wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA und würde unser Interesse nicht nur an Europa bezeugen, wäre finanzierbar und könnte die Abwanderung der Militärpiloten zu der Swissair etwas bremsen. Anderseits aber scheint die Volksmeinung klar gegen eine solche Ausgabe gerichtet zu sein. Die Medien sind ebenfalls gegen die Anschaffung. Zu denken gibt aber vor allem die Stimmung im Parlament und bei den politischen Parteien. Die Opposition ist gross, und ein Antrag bringt das Risiko mit sich, abgelehnt zu werden.

34 Flugzeuge des Typs F/A-18 würden 3,48 Milliarden kosten, 24 Stück nur 660 Millionen weniger. Andere Flugzeuge existieren auf dem Markt im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, auch nicht Occasions F-16, die man beschaffen könnte.

Damit die Akzeptanz etwas erhöht würde, könnte man sich vorstellen, die Militärausgaben einzufrieren oder gar leicht zu senken und dem Flugzeugkauf höchste Priorität einzuräumen. Dabei müssten aber die bereits beschlossenen Rüstungsprogramme zu Ende geführt werden. Die heutige Diskussion soll einen Entscheid zwischen einer sachlich guten Lösung und einem politisch bedingten Verzicht erlauben.

M. Cotti remercie le chef du DMF de la présentation sincère et honnête des données du problème. Il faut partir de l’idée que ces avions sont nécessaires. Or, la réaction du Parlement est prévisible: le Conseil fédéral risque un échec qui pourrait mettre en cause l’armée et la défense nationale. Pour maintenir sa crédibilité, le Conseil fédéral ne peut renoncer tout simplement à cette acquisition. La proposer maintenant est une opération risquée. La seule solution est donc d’ajourner toute décision, en arguant qu’avant de faire de tels investissements, il faut revoir toute la politique de sécurité. Cette solution serait plus facile s’il n’y avait pas les élections de 1991. On pourrait accuser le Conseil fédéral de prendre une décision tout de suite après ce rendez-vous électoral s’il décidait au début de 1992.

BR Stich teilt diese Auffassung. In einem Wahljahr bringt ein solches Geschäft eine Zerreissprobe, die für die Landesverteidigung nur von Nachteil sein kann. Wenn das Parlament einen solchen Antrag ablehnt, sind die Folgen noch schlimmer als eine Verschiebung um 2 oder 3 Jahre,18 welche in der heutigen Situation vertretbar ist. Vom militärischen Standpunkt aus gibt es ebenfalls noch Fragen: Brauchen wir tatsächlich solche Flugzeuge? Wie weit geht der Neutralitätsschutz? Sind 34 F/A-18 genügend oder brauchen wir nicht mehr, um diese Aufgabe zu erfüllen? In der jetzigen Lage soll der Bundesrat nichts überstürzen: Zuerst muss die Sicherheitspolitik überprüft und neu definiert und anschliessend das neue Leitbild der Armee erstellt werden. Beide Studien werden als Grundlage für den Entscheid sehr nützlich sein.

M. Delamuraz souligne que le débat sur les F 18 est caractérisé par nombre de facteurs irrationnels. Le Conseil fédéral doit rester lucide et éviter le risque de devenir irrationnel à son tour. Il sera difficile au Conseil fédéral de proposer l’achat de 34 avions sans avoir démontré qu’il a reconsidéré la question. Pour cela, le rapport sur la politique de sécurité tel qu’on le discute actuellement ne suffit pas, il faut avoir d’autres arguments. Il s’agit alors de dire que l’on est prêt à sacrifier d’autres secteurs de l’armée, d’affirmer que si l’avion est indispensable, c’est qu’il est prioritaire par rapport à d’autres dépenses d’armement. Il en va également de la crédibilité des militaires, car si l’avion est refusé au Parlement, il sera nécessaire de revoir l’organisation de notre armée. Un échec au Parlement serait plus grave pour la crédibilité du Conseil fédéral qu’une décision de différer cet achat.

Pour M. Felber, l’acquisition de l’avion de combat est discutée de façon subjective. On veut donner une leçon au Conseil fédéral. Le langage du Conseil fédéral doit être clair: Gouvernement, Parlement et peuple veulent maintenir une armée crédible, donc une armée qui doit objectivement pouvoir bénéficier d’une couverture aérienne. Mais le moment est tout sauf favorable et il ne suffira probablement pas d’affirmer que l’on va économiser dans d’autres secteurs. Il faut une attitude prudente pour éviter un échec.

BR Ogi unterstreicht die militärischen, aussenpolitischen und staatsrechtlichen Argumente, die für den Kauf sprechen. Was die Zahl der Flugzeuge betrifft, so sind 34 gegenüber nur 24 Stück klar vorzuziehen. Bleibt aber die Frage der Bewaffnung, vor allem der Rakete der neuen Generation, die noch nicht zur Verfügung steht. Die innenpolitische Beurteilung kann noch nicht definitiv vorgenommen werden. Es ist klar, dass das Verständnis für teure Vorhaben der Armee gesunken ist. Was passiert, wenn die Vorlage am gespaltenen Bürgerblock scheitert? Wie kann man den Vertrauensverlust einschätzen? Wie gross ist die Verunsicherung? Das EMD sollte ein Konzept erarbeiten, um die Parlamentarier zu überzeugen. Es gilt, mit jedem einzelnen zu sprechen. Ist es aber nicht zu spät?

Bundespräsident Koller stellt fest, dass im Rat der militärische Bedarf nach 34 F/A-18 nicht bestritten ist. Trotzdem hat der Rat zwischen zwei Übeln zu wählen: Der Entscheid, keinen Kauf zu beantragen, hätte schwerwiegende Konsequenzen. Ohne Verschärfung der internationalen Lage kämen wir in eine ähnliche Situation wie die österreichische Armee. Die Alternative besteht darin, dem Flugzeug höchste Priorität zu gewähren und den Kauf gleichzeitig mit der Verwirklichung des Projektes Armee 95 zu tätigen. Welches wäre der Zeitpunkt? Ist es möglich, den Verteilungskampf innerhalb der Armee vorzunehmen? Die Unpopularität dieses Geschäftes wird auch nach den Wahlen weiterhin gross sein.

BR Villiger dankt für die wertvollen Anregungen. Bis vor kurzem war er der Meinung, der Bundesrat müsse führen, indem er dem Parlament diesen notwendigen Kauf beantrage. Heute ist er über dieses Vorgehen nicht mehr sicher. Es wird aber schwierig sein, eine Verschiebung zu begründen, denn sie bedeutet auch eine neue Evaluation in ein paar Jahren. Es wird zudem nicht einfach sein, Projekte, die noch nicht bewilligt sind, als Sparanstrengungen zu präsentieren. Das Projekt Armee 95 wird es ermöglichen, altes Material auszuscheiden. Darüber sind aber die Meinungen bereits jetzt geteilt.

Für Bundespräsident Koller kann der Kauf des F/A-18 nur vorgeschlagen werden, wenn der Bundesrat gleichzeitig verdeutlicht, wo er Militärausgaben kürzen will. Ein solcher Plan soll ebenfalls geprüft werden.

BR Stich würde einen negativen Entscheid des Parlaments als das Schlimmste betrachten, was passieren könnte, denn dies wäre einmalig für die Landesverteidigung.

M. Delamuraz est favorable à la solution du renvoi à condition que toutes les chances pour une acquisition ultérieure soient réunies. Il s’agit de faire un rapport sur la politique de sécurité plus étoffé et de présenter en même temps Armée 95. Il faut présenter globalement cette nouvelle conception.19

Widerstandsorganisation

Der Generalstabschef20 hat zuhanden des Bundesrats einen geheimen Bericht über diese Widerstandsorganisation für den Fall einer Besetzung der Schweiz vorbereitet.21 Für BR Villiger stellen sich primär drei Fragen: Ist eine solche Organisation funktionsfähig? Ist sie angesichts der Bedrohungslage noch notwendig? Ist sie mit unserer offenen Gesellschaft kompatibel? Technisch scheint diese Organisation gut vorbereitet zu sein. Das Problem sind aber die Menschen, die relativ alt sind. Fragen hierüber sind noch offen. Was die Bedrohung betrifft, ist eine Besetzung nicht sehr wahrscheinlich, eher eine Erpressung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass besetzte Länder kaum zu halten sind. Schliesslich ist in unserem Land alles, was geheim ist, suspekt. Könnte eine solche Organisation auch für andere Zwecke missbraucht werden? Die PUK 222 hat sich bereits erkundigt, ob eine rechtliche Grundlage besteht und welche Möglichkeiten der Bundesrat sieht, eine solche zu schaffen. Der Rat muss entscheiden, ob eine solche Organisation aufrechterhalten werden sollte, und die Rechtsgrundlage sowie die Finanzierungsfragen lösen. Eine Arbeitsgruppe könnte diese Fragen prüfen, aber es gilt zu bedenken, dass die PUK 2 diese Prüfung bereits vornimmt. Schliesslich kann der Rat diese Übung abbrechen.

Für BR Stich ist wahrscheinlich eine Rechtsgrundlage vorhanden. Eine neue soll nicht geschaffen werden. Es ist falsch, Leute für eine solche Aufgabe im voraus rekrutieren zu wollen. Im Ernstfall muss man Leute finden, die bereit sind, eine solche Aufgabe zu übernehmen. Man sollte die technischen Vorbereitungen beibehalten, aber auf die Rekrutierung verzichten.

M. Delamuraz affirme qu’en principe l’idée d’une telle organisation est bonne. Il faudrait néanmoins étudier si elle est actuellement efficace. En ce moment, il faut éviter tout activisme.

M. Felber précise qu’une telle organisation ne devrait pas exister dans le cadre d’une armée secrète. Il faut prévoir de telles actions mais avec du personnel que l’on recrutera en cas de besoin.

BR Ogi frägt sich, ob die Organisation effizient ist oder ob sie eher als «Indianerspiel» oder «Pfadfinderübung» angesehen werden muss. Sie ist kein Putschinstrument. Bei solchen Organisationen sind die Chefs und die Mitglieder massgebend. Dies bringt Probleme in bezug auf die Erpressbarkeit. Die Frage der Kontrolle durch das Parlament bleibt offen. Eine Lösung wie im deutschen Bundestag sollte in Erwägung gezogen werden. Auch sollte die Organisation einen klaren Auftrag haben. Es wäre falsch, die Übung abrupt zu stoppen.

Bundespräsident Koller teilt diese Meinung. Die Auflösung dieser Organisation würde als Zeichen der Schwäche interpretiert.23 Dagegen müssen alle offenen Fragen geprüft und die nötigen Konsequenzen gezogen werden.

1
CH-BAR#E1003#2003/92#1* (4.32). Dieses BR-Beschlussprot. II wurde verfasst von Vizekanzler Achille Casanova. Der Bundesrat hielt seine zweite Klausursitzung des Jahres von 17 bis gegen 21 Uhr im von Wattenwyl-Haus in Bern ab. Kopien des Protokolls gingen an die sieben Departementsvorsteher, an den Bundeskanzler sowie die beiden Vizekanzler.
2
Als Diskussionsgrundlage galt das gleichnamige Aussprachepapier, das Bundesrat Kaspar Villiger, Vorsteher des EMD, am 9. April 1990 den anderen Mitgliedern des Bundesrats hatte zukommen lassen, dodis.ch/56935.
3
Vgl. dazu auch die Kurzansprache von Bundesrat Villiger an der regionalen Botschafterkonferenz vom 22. Juni 1990, dodis.ch/56517.
4
Vgl. dazu die Botschaft betreffend das Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung sowie den Bundesbeschluss über die Organisation der Armee vom 8. September 1993, dodis.ch/56809.
5
Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz (Konzeption der Gesamtverteidigung) vom 27. Juni 1973, dodis.ch/56098.
6
Vgl. das BR-Prot. Nr. 146 vom 31. Januar 1990, dodis.ch/56588.
7
Bericht 90 des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 1. Oktober 1990, dodis.ch/56097. Zur Genese des Berichts vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C1840.
8
«Der Bund hat zum Zweck: Behauptung der Unabhängigkeit des Vaterlandes gegen aussen, Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern, Schutz der Freiheit und der Rechte der Eidgenossen und Beförderung ihrer gemeinsamen Wohlfahrt.» AS, 1874–1875, S. 2 und BS, 1947, S. 3.
9
Das Leitbild der Armee wurde ebenfalls überarbeitet und als Armeeleitbild 95 1992 von den eidgenössischen Räten verabschiedet, vgl. Amtl. Bull. NR, 1992, V, S. 2088–2100 bzw. Amtl. Bull. SR, 1992, III, S. 494–511.
10
Pour la décision du Conseil fédéral d’acheter des avions de combat le 3 octobre 1988, cf. dodis.ch/57249. Cf. également la compilation thématique F/A-18, avion de combat, dodis.ch/T1818 et le point suivant de l’ordre de jour.
11
Cf. la note 2.
12
Cf. DDS 1990, doc. 24, dodis.ch/54523.
13
Vgl. Anm. 5.
14
Vgl. Anm. 8.
15
Vgl. Anm. 2.
16
Die verschiedenen Entwürfe des Berichts wurden in der Ablage der Zentralstelle für Gesamtverteidigung unter CH-BAR#E5680C#435 archiviert. Der Bundesrat unterbreitete den Bericht 90 am 1. Oktober 1990 dem Parlament, vgl. Schweizerische Sicherheitspolitik im Wandel. Bericht 90 des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz, dodis.ch/56097.
17
Nicht ermittelt. Bei der Notiz des Kommandos der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen vom 20. April 1990, dodis.ch/57207, handelt es sich höchstwahrscheinlich um einen Entwurf für das Aussprachepapier. Der Bundesrat hatte in seiner Sitzung vom 24. Januar 1990 entschieden, er wolle «an einer Klausursitzung im April die Analyse der Bedrohung vornehmen und über die allfällige Notwendigkeit einer Anpassung der Sicherheitspolitik Beschluss fassen. Erst danach wird er die Botschaft zum Kampfflugzeug beraten und zuhanden des Parlaments verabschieden», vgl. dodis.ch/56520.
18
Vgl. Anm. 19.
19
Suivant la proposition du DMF, le Conseil fédéral décide dans sa séance du 27 juin 1990 de soumettre aux Chambres fédérales en premier le rapport 90 sur la politique de sécurité suisse puis de présenter le message sur l’acquisition des avions de combat à l’évaluation d’une nouvelle version du Mirage 2000, cf. dodis.ch/56568 et la compilation thématique F/A-18, avion de combat, dodis.ch/T1818.
20
Heinz Häsler.
21
Die Unterlagen des Stabs der Gruppe für Generalstabsdienste zum Projekt 26 (P-26) sind unter CH-BAR#E5563#1 und CH-BAR#E5563-01* abgelegt. Diese Dossiers unterstehen gemäss BGA Art. 12.1 zurzeit einer verlängerten Schutzfrist und konnten nicht ausgewertet werden.
22
Parlamentarische Untersuchungskommission zur besonderen Klärung von Vorkommnissen von grosser Tragweite im EMD.
23
Am 14. November 1990 beschloss der Bundesrat die Aufhebung der Kaderorganisation P-26 in ihrer damaligen Form, vgl. das BR-Prot. Nr. 2368 vom 14. November 1990, dodis.ch/56590. Vgl. dazu auch DDS 1990, Dok. 56, dodis.ch/54945.