Die Argumentation von BR Stich wird in den folgenden Gesprächsnotizen nicht wiedergegeben, da diese bekannt ist. Ausgehend von der hohen Quote, welche die Schweiz berechtigt sei zu erwarten, unterstrich BR Stich immer wieder die Überlegungen, welche die schweizerische Regierung veranlassen, auf einen Exekutivdirektorensitz zu bestehen.2
Herr Camdessus gibt zu verstehen, dass er sich der Bedeutung des Finanzplatzes Schweiz voll bewusst sei und die Schweiz eine dieser Bedeutung ensprechende Quote zugesprochen erhalten sollte. Er habe grundsätzlich zwei Interessenspole zu berücksichtigen:
Gegenwärtig ist es dem Fonds unmöglich, irgendwelche Prognosen über die Chancen der Erfüllung des Begehrens der schweizerischen Regierung nach einer zusätzlichen Stimmrechtsgruppe und einem eigenen Exekutivdirektor zu stellen. Es wäre auch kontraproduktiv, wenn er dazu aussagen würde, denn die Mitgliedländer würden dies als eine Einmischung in ihren Kompetenzbereich empfinden.
BR Stich weist auf den nicht kleinen Einfluss hin, den der Fonds bei der Berechnung der Ausgangsquote spielen kann, worauf Camdessus bekräftigt, dass die Analysen des Fonds die Wirtschaftskraft der Schweiz voll berücksichtigen werde. Ferner werde sich unser gutes Zeugnis in wirtschafts- und währungspolitischer Hinsicht positiv auswirken. Er findet auch, dass BR Stich gut beraten wäre, nicht nur mit den G-10 Ländern zu sprechen, sondern auch den Kontakt zu wichtigen Entwicklungsländern zu suchen,4 denn diese würden anlässlich der Beratungen im Exekutivrat eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Schliesslich meint Camdessus, je schneller der Bundesrat seinen offiziellen Mitgliedschaftsantrag stelle, desto besser. Mit Befriedigung nimmt er zur Kenntnis, dass dies bereits im Frühsommer der Fall sein könnte.5
Auf die Frage von BR Stich, wie weit die Arbeiten zur Eingliederung der Tschechoslowakei und Bulgarien unter die Fondsmitglieder fortgeschritten seien, antwortet Camdessus, dass die Bestrebungen dazu bestens liefen. Bereits sei eine Mission aus der Tschechoslowakei zurückgekehrt6 und Bulgarien werde demnächst vom IMF-Spezialisten besucht werden. Er erwarte, dass die Tschechoslowakei und Bulgarien an den Jahrestagungen bereits als Vollmitglied aufgenommen werden könnten. Er rechnet ferner damit, dass Namibia ebenfalls bald, wenn auch später als die beiden andern Ländern, Mitglied des Fonds werden wird.
Herr Conable macht von anfang an klar, dass die Schweiz in der Weltbankgruppe sehr willkommen sei und ihre bisherige Abwesenheit einer Anomalie gleichkomme, insbesondere wenn man berücksichtige, wie eng die Schweiz auf praktisch allen Gebieten bereits eng mit seiner Institution (Weltbank, IDA, IFC, MIGA) zusammenarbeite.7 Für ihn sei es klar, dass die Schweiz einer «significant representation» bedarf: «The Worldbank welcomes Switzerland under almost any term». Die Strategie, die G-10 Länder zu besuchen, findet Conable grundsätzlich richtig. Conable weist auch auf die nicht existierende Homogenität der mittel- und osteuropäischen Staaten hin, was bei der Eingliederung in eine bestehende bzw. Schaffung einer neuen Stimmrechtsgruppe berücksichtigt werden müsse.
Auf entsprechende Fragen von Stern erklärt BR Stich den intern schweizerischen Prozedurablauf, inkl. mögliches Referendum. Er macht auch klar, dass die Schweiz nicht etwa eine eigene Stimmrechtsgruppe alleine für sich verlange, sondern wünsche, den Exekutivdirektor in einer neuen Gruppe stellen zu können.
Stern weist darauf hin, dass die Frage des Exekutivdirektors bei den Amerikanern Schwierigkeiten auslösen könnte, denn die USA würden eher für eine Verkleinerung als eine Erhöhung der europäischen Sitze am Tisch der Exekutivdirektoren plädieren. Herr Lusser bestätigt, dass die amerikanische Regierung eine entscheidene Rolle spielen werde, was Conable zur Bemerkung veranlasst, er habe etwelche Mühe zu verstehen, welche Schwierigkeiten uns das Treasury bereiten könnte.
Herr Greenspan ist sich der wichtigen Rolle der Schweiz im Rahmen der G-10 und des internationalen Wirtschafts- und Währungssystems bewusst. Wie Conable empfindet er das bisherige Abseitsstehen der Schweiz als Anomalie, und er ist erfreut, dass die schweizerische Regierung diese zu korrigieren gedenke. Hingegen glaubt er zu wissen, dass unser Wunsch nach Erhöhung der Sitzzahl der Exekutivdirektoren der amerikanischen Regierung Schwierigkeiten bereite, und er frägt sich, ob nicht eine andere praktikablere Lösung ins Visier genommen werden sollte.
BR Stich weist nachdrücklich darauf hin, dass unser Begehren nach einem 23. Sitz vermutlich weit weniger Probleme schaffe als uns in eine bestehende Gruppe integrieren zu wollen.8 Die uns zustehende hohe Quote (über 2 Mia SZR) würde bestehende Gruppen kopflastig machen und deren jetzige Exekutivdirektoren möglicherweise verdrängen. Er unterstreicht die unabhängige Geld- und Währungspolitik der Schweiz und macht klar, dass unser Land diese Politik in einer eigenen Gruppe weit besser fortführen könne als in einer der bestehenden europäischen Gruppen. Dies sollte auch den amerikanischen Interessen dienen.
Greenspan sichert BR Stich zu, dass die Haltung der amerikanischen Regierung zu unserem Begehren nicht leichtfertig getroffen werden wird. Er werde sich persönlich mit Schatzsekretär Brady und seiner Kollegen im Rahmen der G-7 und G-10 unterhalten. Für die Schweiz spreche neben den von BR Stich genannten Argumenten ihr «unlimited goodwill», den sie zweifellos zu Recht geniesse.
(Staatssekretär Brady an Grippe erkrankt)
Bundesrat Stich erläutert umfassend das Anliegen der Schweiz und streicht die Argumente heraus, die aus US-Sicht für eine Mitgliedschaft der Schweiz mit Exekutivdirektor sprechen.
Mulford stellt zwei Fragen: Ist der Beitritt der Schweiz untrennbar mit der Forderung nach einem Exekutivdirektor verbunden? Welche Quote stellen wir uns vor?
Bundesrat Stich: Quote grösser als 2 Milliarden SZR. Der Exekutivdirektor ist für uns eine sine qua non-Bedingung, einmal aus innenpolitischen Gründen, aber auch weil wir sonst schlechter gestellt würden als die andern G-10-Länder.
Mulford begrüsst unser Vorhaben, betont die engen Beziehungen zur Schweiz und zeigt Verständnis für unseren Standpunkt: schliesslich wären wir ja ein grosses Land, wenn man die Alpen plattwalzen würde. Er stellt Übereinstimmung in wirtschaftspolitischer Hinsicht fest und schätzt unser Bemühen um Vermittlung in schwierigen internationalen Fragen wie letzthin bei der EBR. Die Schweiz wäre eine Stärkung des IMF. Allerdings wirft unser Verlangen äusserst komplexe Fragen auf. Erinnert sei an die zähflüssige Quotenverhandlung, die durch unser Begehren noch beeinflusst werden könnte. Ein empfindlicher Punkt für die USA ist die Zahl der europäischen Sitze im Board. Die USA würde eine Lösung unseres Problems ohne zusätzlichen europäischen Sitz vorziehen. Angesichts des entstehenden Binnenmarktes in der EG sollte das eine oder andere EG-Land seinen Sitz aufgeben. Der Abtausch eines EG-Sitzes im Board gegen einen europäischen Nicht-EG-Sitz wäre für die USA interessant. Leider gibt niemand freiwillig etwas auf. Im übrigen ist für die Frage eines Schweizer Beitritts nicht der Treasury allein zuständig; vielmehr ist es auch eine aussenpolitische Frage, die wir entsprechend in der Administration diskutieren werden. Mulford schlägt vor, wir sollten Staatssekretär Brady an der Frühlingstagung des IMF im Mai unsere Aufwartung machen.9 Die USA wird bis dahin ihre Position konsolidieren. Wie ernst ist es übrigens mit der Bereitschaft der Schweiz, eine Ländergruppe mit den Osteuropäern zu bilden?
Bundesrat Stich bekräftigt, dass wir diese Frage intensiv prüfen, jedoch noch keine Kontakte aufgenommen haben. Wir sehen in einem zusätzlichen Sitz zusammen mit Neumitgliedern die beste Möglichkeit, unser Ziel zu erreichen, ohne das Gleichgewicht im IMF zu stören. Wir wollen keine EG-Ländergruppe sprengen, schon nur deshalb nicht, weil wir dann gezwungen wären, EG-Positionen zu vertreten. Dies liefe unserem, aber auch den Interessen der USA zuwider.
Präsident Lusser unterstreicht, dass wir eine EG-unabhängige Gruppe bilden möchten. Wir wollen für die ganze Welt offen bleiben, ob es gelingt, ist praktisch eine Frage der uns offerierten Quote.10
Mulford erkundigt sich nach unseren Vorstellungen bezüglich Quote und der japanischen Reaktion auf unser Begehren.11 Die Festlegung unserer Quote müsste mit der generellen Quotenerhöhung im IMF verknüpft werden.
Bundesrat Stich und Präsident Lusser situieren unsere Quotenvorstellungen im Bereich der Belgier (2,31 Prozent) und Holländer (2,51 Prozent). Unser Beitritt hätte quantitativ einen minimen Einfluss auf die relative Höhe der Quoten der Mitgliedländer und wäre deshalb für die generelle Quotenerhöhungsdiskussion kaum relevant.
Mulford verspricht eine solide Prüfung unseres Anliegens. Die Bedenken der USA wegen der Vergrösserung des Board bleiben zwar bestehen, aber «you have some appeal to us and strong arguments for your case».
Präsident Lusser betont, dass wir zu einem starken Gläubiger des Fonds würden; einige Länder würden auf den Schweizerfranken ziehen, und wir wären deshalb zur Führung unserer Geldpolitik auf frühzeitige und umfassende Informationen aus dem Board angewiesen, was unseren Wunsch nach einem Exekutivdirektor untermauert.
Bestani: Wurde im Zusammenhang mit unserem eventuellen Beitritt nicht bereits die Frage eines alternierenden Sitzes diskutiert?
Bundesrat Stich verneint. Wir beabsichtigen nicht, in eine EG-Ländergruppe einzutreten. Die Gruppe würde zu gross und mit alternierendem Direktor wäre unsere Position im G-10 nicht adäquat wiedergegeben. Wir wären dankbar, wenn wir Staatssekretär Brady im Mai sehen könnten,12 wir möchten eine gewisse Garantie erhalten, dass unser Anliegen nicht ins Leere stösst.