In der Nacht vom 2. auf den 3. dieses Monats sind auf die Botschaftsresidenzen Spaniens, Griechenlands und Portugals Bombenanschläge verübt worden; in der gleichen Nacht wurde in die spanische Kanzlei eingebrochen und darin alles durcheinander geworfen und Tinte über Dokumente und Möbel ausgeleert. Der Sachschaden war im ganzen genommen verhältnismässig gering, und glücklicherweise sind keine Todesopfer zu beklagen; immerhin wurden acht Polizisten und Feuerwehrleute verletzt und sind gegenwärtig wegen Schock und Brandwunden vom Dienst dispensiert.
Bisher fehlt jeder präzise Hinweis auf die Täter. Die Presse bezeichnet die Terrorakte als «unholländisch» und sinnlos und ist der Ansicht, dass die Schuldigen in extrem linksorientierten oder in Emigrantenkreisen zu suchen seien. Ein Sprecher der Polizei hat andererseits der Vermutung Ausdruck gegeben, dass ein Einfluss aus Deutschland zu spüren sei; er konstruierte einen Zusammenhang zwischen den Explosionen und dem kürzlichen Besuch des ostdeutschen «Studenten-Emigranten» Rudi Dutschke2, der vor kurzem in Amsterdam Jugendversammlungen aufgehetzt hat. Und ebenfalls ist hier zu erwähnen, dass holländische Zeitungsredaktionen und ausländische Nachrichtenagenturen am 4. dieses Monats Briefe in spanischer und englischer Sprache erhielten, in denen die Weiterleitung an die «Mörder im Pentagon» und «White House» gefordert wird und die Vereinigten Staaten angeklagt werden, das vietnamesische Volk3 auszurotten, Lateinamerika4 zu knechten und die Freiheit zu erdrosseln. Die Briefe waren mit «First of May Group, Revolutionary Solidarity Movement»5 gezeichnet (vide infra).
Was vor allem beunruhigend wirkt, ist die Tatsache, dass zur selben Zeit in London und Turin6 ähnliche Attentate verübt wurden, sodass eine gemeinsame Urheberschaft mit ausländischen Verbindungen nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann. In diesem Zusammenhang ist eine Meldung der sozialistischen Zeitung «Het Vrije Volk» nicht ohne ein gewisses Interesse. Es wird darin ein Mann zitiert, der ungenannt bleiben wolle und den das Blatt deshalb mit «B» bezeichnet. Dieser «B» soll über «inside information» verfügen und erklärt haben, dass in Zukunft weitere Angriffe gegen Botschaften durchgeführt würden, und zwar nicht nur in Holland sondern auch in Paris und Kopenhagen. Es handle sich bei den Urhebern um eine internationale Solidaritätsbewegung, die sich «1. Mai-Gruppe» nenne und sich zum grösseren Teil aus Pro-Peking-Kommunisten zusammensetze; sie zähle zu ihren Mitgliedern eine gewisse Anzahl holländischer «Provos7» und plane die Entfachung einer «kulturellen Revolution» nach maoistischem Vorbild8 (!) in Holland. Aus einer heute im «ANP News Bulletin» des Allgemeinen Niederländischen Pressebureaus publizierten Mitteilung ergibt sich übrigens, dass ein vom holländischen Radio interviewter Mann erklärt habe, es seien weitere Bombenanschläge in Holland, Frankreich, Dänemark, Westdeutschland und Grossbritannien zu erwarten.
Die Schweiz bleibt, wie Sie sehen, unerwähnt. Ich frage mich aber doch, ob es nicht vielleicht angebracht wäre, in den nächsten Tagen oder Wochen bei der Berner Stadtpolizei eine verstärkte Überwachung der am meisten gefährdeten Botschaften9 (d. h. der USA10, Spaniens, Griechenlands, Portugals und evtl. der Südafrikanischen Republik11) zu beantragen12. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich ganz besonders des bekannten Attentats gegen die rumänische Gesandtschaft in Bern, welches in der Folge zu heftigen Vorwürfen der rumänischen Regierung wegen des angeblich unzulänglichen Polizeischutzes Anlass gab13.
Die niederländischen Behörden haben jedenfalls den Schutz der Botschaften sehr aktiv an die Hand genommen. Auf Gesuch des Bürgermeisters von Den Haag14 wurde die Polizei durch 50 königliche Schutzleute verstärkt, und zahlreiche Polizeiwagen zirkulieren ständig, mit «walkie-talkies» ausgerüstet, zwischen den besonders gefährdet erscheinenden diplomatischen Vertretungen.