Am Freitag, 10.11.1989, empfängt der Unterzeichnete den DDR-Botschaftsrat Tschierlich, auf dessen dringendes Ersuchen und, in T[schierlich]2’s Worten, als offizielle Vorstellung der DDR gegenüber den schweizerischen Behörden mit Blick auf das heutige historische Ereignis.
T[schierlich] erscheint ausgesprochen «dépassé par les évènements». Er übergibt zunächst die beiliegende Informationsnotiz3. Sowohl die darin enthaltene Regelung wie auch T[schierlich]’s Anmerkung, die Mauer bestehe unveränderlich weiter und habe weiterhin ihre Funktion als Grenze sind zum Zeitpunkt seiner Intervention (später Freitag Nachmittag) teilweise bereits überholt. Zwei Aspekte in T[schierlich]’s teilweise etwas wirren Ausführungen verdienen indes Aufmerksamkeit:
– In seiner Botschaft hatten sich heute eine grosse Anzahl Schweizer nach formlosen Ausreisemöglichkeiten DDR – Schweiz (für Verwandte etc.) rsp. ebensolche Reisemöglichkeiten in die DDR erkundigt. Die DDR-Behörden gingen davon aus, dass die geltenden Visa-Vorschriften zwischen der DDR und der Schweiz weiterhin gelten.
– T[schierlich] scheint sich, allerdings sehr verklausuliert, zu erkundigen, ob die Schweiz einer «nun reformierten» DDR Unterstützung gewähren würde, «da durch die neue Reiseregelung sehr viel Substanz verloren gehe».
Ich antwortete T[schierlich] im Sinne der heute von Presse- und Informationsdienst aufgelegten Mitteilung, dass wir die Öffnung der DDR-Grenze als Schritt Richtung Freiheit und Demokratie sehr begrüssten.
Abzuklären: Soll und muss die schweizerische Visapraxis mit der DDR im Lichte der jüngsten Ereignisse überprüft werden? Dies auch im Lichte der eben eingetroffenen Mitteilung unserer Botschaft in Berlin (Tlx 72 vom 10.11. in Beilage4) die ebenfalls mit Anfragen überschwemmt wird.