dodis.ch/48714Notiz des Vorstehers des Volkswirtschaftsdepartements, E. Brugger1

Notiz über das Treffen in Salzburg vom 12./13. August 19762

Vertraulich

UN-Zentrum in Wien

Man habe zu Beginn der Planung den Österreichern seitens der UNO erklärt, man brauche 4500 neue Arbeitsplätze. Heute würden nur 2800 benötigt. Die Frage trete nun in ein konkretes Stadium. Es gehe nicht bloss um die teilweise Besetzung der geschaffenen Räume, sondern auch um die Stellung Wiens3. Ein Teil Österreichs gravitiere nach München, ein anderer Teil nach Zürich. Eine Verstärkung der Stellung Wiens sei deshalb auch aus innenpolitischen Gründen notwendig. Die USA seien bereit, einige technische Dienste (nicht aber politische) abzutreten. Genf sei teurer als New York, vor allem aber bedeutend teurer als Wien. Man sollte die internationale Lebenshaltungsstatistik revidieren4. Ein Gespräch zu dritt sei notwendig. Nach Meinung Waldheims sollten diese Gespräche unter seiner Leitung stattfinden. Selbstverständlich wolle man die Stellung Genfs nicht tangieren oder gar die guten Beziehungen zur Schweiz in Frage stellen5. Es gehe um die Verlegung marginaler Dienste. Man sollte sich also einigen können, was umso nötiger sei, als auch die Staaten der Dritten Welt Anspruch auf ein UN-Zentrum erheben könnten.

Schweizerischerseits wurde nachdrücklich betont, dass die heutige Stellung Genfs erhalten bleiben müsse6. Eine Konferenz zu dritt unter der Leitung Waldheims sei solange problematisch, als man sich nicht bilateral habe einigen können. Eine Konzertation der Betroffenen sei nötig, bevor die Organe der UNO eingeschaltet werden. Die Gespräche sind daher fortzusetzen.

EFTA-Gipfelkonferenz7

Kreisky betont, dass schon bei der Gründung der EFTA die Idee intensiver Konsultationen in wirtschafspolitischen Fragen bestanden habe. 1964 (?) habe im Rahmen der europäischen Integrationsbestrebungen bereits eine Gipfelkonferenz stattgefunden. Die Gefahr bestehe, dass man in der übrigen Welt Europa mit der EWG identifiziere8. Eine Profilierung, vor allem der Neutralen, sei deshalb notwendig. Folgende Probleme sollten besprochen werden:

  • - Die Beziehungen zu Spanien9 und Jugoslawien10.
  • - Die bessere Ausnützung der Evolutivklausel des Freihandelsvertrages11. Das gelte vor allem für den Bereich der Landwirtschaft, wo Ö[sterreich] zunehmende Schwierigkeiten mit der EWG habe.
  • - Die Besprechung der West-Ost-Beziehungen (Handelsaustausch, Energielieferung, Verkehrsproblem, insbesondere Gütertransporte).
  • - Die Beziehungen zur EWG12.

Ein Ausbau der EFTA scheine umso notwendiger, als Norwegen auch längerfristig keinen Anschluss an die EWG suche.

Wir erklärten unsere grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme an einer solchen Konferenz unter folgenden Bedingungen:

  • - Eine gründliche Vorbereitung sei nötig, da ein solch spektakuläres Unternehmen unter Erfolgszwang stehe, wenn es nicht kontraproduktiv wirken soll. Diese Vorbereitung müsste unter Führung hoher Beamter der Hauptstädte vorangetrieben werden.
  • - Notwendig sei eine gemischte Traktandenliste mit Themen, die zu Beschlüssen führen, und mit allgemeinen Aussprachethemen.
  • - Die Zeit reiche nicht, um die Konferenz noch 1976 abzuhalten, der früheste Termin wäre Frühjahr 1977.
  • - Es sei auch die Frage zu prüfen, ob neben den Gemischten bilateralen Kommissionen mit der EWG auch eine Gemischte Kommission EWG-EFTA zu ernennen wäre13.
  • - Was die Harmonisierung der Landwirtschaftspolitik betrifft, so handelt es sich hier um Gemeinschaftsrecht, weshalb wir schweizerischerseits aus politischen und sachlichen Gründen alle Vorbehalte anbringen müssten14.
  • - Im Verhältnis zu Drittstaaten, die ihre Beziehungen zur EWG neu regeln, geht es ganz allgemein um die Frage der Handelsdiskriminierung. Dieses Problem müsse gelöst werden, wobei auch Griechenland und Israel in die Untersuchung einzubeziehen seien.

Die österreichischen Gesprächspartner anerkennen im wesentlichen unsere Argumentation.

Entspannungspolitik – Sicherheitskonferenz

Ö[sterreich] habe ein eminentes politisches Interesse, dass die Entspannungspolitik zu einem Erfolg werde. Die Konferenz von Belgrad15 sei daher äusserst wichtig. Vor allem der wirtschaftliche Korb sollte angereichert werden. Die Helsinki-Staaten des Westens sollten die Probleme vorher diskutieren können. Das wäre allenfalls in Strassburg16 möglich. Es scheint, dass Kreisky diese Idee weiterverfolgt.

Rüstungs-Zusammenarbeit

Kreisky erklärt dem Unterzeichneten in einer Gesprächspause, dass sich Ö[sterreich] nach wie vor für den schweizerischen Panzer17 interessiere. Das österreichische Heer brauche neue Panzer; die Beschaffung in der Schweiz wäre die politisch angenehmste Lösung. Die Gespräche sollten weitergeführt werden, an denen die Frage, ob einzelne Teile in Ö[sterreich] hergestellt werden könnten oder ob Kompensationen möglich seien, konkret abgeklärt werden müsste.

Mittelosten

Kreisky hat enge Beziehungen zu hohen Persönlichkeiten in arabischen Staaten. Er gibt einen Überblick über die politische und militärische Entwicklung im Libanon18 und über die Stellung Syriens und Ammans in diesem Konflikt.

1
Notiz: CH-BAR#E7001C#1987/102#627* (2520.01). Kopie an P. Graber, A. Weitnauer und P. R. Jolles.
2
Anwesend: Österreich: B. Kreisky und E. Bielka; Schweiz: P. Graber und E. Brugger. Zum Treffen vgl. auch das BR-Beschlussprot. II vom 27. August 1976 der 29. Sitzung vom 25. August 1976, dodis.ch/48617.
3
Vgl. dazu das Telegramm Nr. 88 von R. Keller an das Politische Departement vom 30. März 1976, dodis.ch/49953.
4
Zu den von der Schweiz befürchteten Konsequenzen einer Verlegung nach Wien vgl. das BR-Prot. Nr. 511 vom 24. März 1976, dodis.ch/49951 sowie das Protokoll vom März 1976 der Sitzung der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats vom 24. Februar 1976, dodis.ch/49952.
5
Zum Einfluss dieser Frage auf die Beziehungen der Schweiz zu Österreich vgl. die Notiz von F. Pometta an A. Weitnauer vom 5. Januar 1976, dodis.ch/49949 sowie das Schreiben von J. Manz an F. Pometta vom 16. Juni 1978, dodis.ch/49957.
6
Vgl. dazu die Notiz von F. Gruber an F. Muheim vom 13. Februar 1976, dodis.ch/49950.
7
Zur Vorbereitung des EFTA-Gipfels vom 13. Mai 1977 in Wien vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 33, dodis.ch/48716; die Notiz von F. Nordmann vom 25. März 1976, dodis.ch/48618; die Notiz von P. R. Jolles an E. Brugger vom 12. Oktober 1976, dodis.ch/48715; die Notiz von Ch. Boesch vom 1. November 1976, dodis.ch/48628; die Notiz von M. von Walterskirchen vom 9. November 1976, dodis.ch/48629; die Notiz von Ch. Faessler an die Politische Direktion des Politischen Departements vom 24. Februar 1977, dodis.ch/48634 sowie die Notiz von F. Blankart vom 1. April 1977, dodis.ch/48635. Zum Gipfel selber vgl. das BR-Prot. Nr. 767 vom 11. Mai 1977, dodis.ch/48638; das Referat vom E. Brugger vom 23. Mai 1977, dodis.ch/48643 sowie die Rede von P. Graber vom 13. Mai 1977, dodis.ch/48645. Zu den Ergebnissen vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 183, dodis.ch/49374.
8
Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 112, dodis.ch/49604.
9
Vgl. dazu die Notiz vom H. Cuennet vom 31. August 1976, dodis.ch/48490; das BR-Prot. Nr. 1114 vom 6. Juli 1977, dodis.ch/48640 sowie die Notiz von Ch. Boesch vom 8. September 1977, dodis.ch/48791.
10
Zur ersten Sitzung der Gemischten Kommission EFTA-Jugoslawien vgl. die Aufzeichnung von P. Niederberger vom 23. November 1978, dodis.ch/48941. Allgemein zu den Wirtschaftsbeziehungen mit Jugoslawien vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 118, dodis.ch/48925, Punkt 2.
11
Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 183, dodis.ch/49374.
12
Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 85, dodis.ch/49373.
13
Handschriftliche Marginalie: Institutionalisierte Ministerkonf. EWG–EFTA.
14
Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 187, dodis.ch/48717.
15
Zu den Vorbereitungen zum Belgrader Treffen der KSZE vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 79, dodis.ch/49213.
16
Vgl. dazu die Notiz von A. Hegner vom 23. Juli 1976, dodis.ch/48620 sowie die Notiz von A. Hegner an P. Graber und E. Brugger vom 6. August 1976, dodis.ch/48622.
17
Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 73, dodis.ch/51705.
18
Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 15, dodis.ch/50290, bes. Anm. 2.