dodis.ch/46335 Le Président de la Confédération, G. Motta, à l’«Europa-Union, Schweizerische Bewegung für die Einigung Europa1

Wir beehren uns, den Empfang Ihres Schreibens vom 25. April2 zu bestätigen, dem wir entnommen haben, dass Ihre Delegiertenversammlung den Beschluss gefasst hat, die eidgenössischen Behörden zur Prüfung der Frage einzuladen, wie sie sich, unter Wahrung unserer überlieferten Grundsätze, an Ihrer Bewegung beteiligen könnten.

Wir können nicht umhin, jeder Bestrebung zugunsten einer Europa-Union gegenüber die Vorbehalte zu erneuern, die der Bundesrat in seinem, über dieselbe Frage an die französische Regierung gerichteten Antwortschreiben vom 4. August 19303 vorgebracht hatte. Wir erklärten damals unter anderm, eine kontinentale Organisation «hätte offensichtlich nur dann ihre Daseinsberechtigung, wenn sie einem so gut wie allgemein empfundenen Bedürfnis entspräche». «Sollte das Unternehmen der Mitwirkung gewisser Staaten entraten müssen, so würde es zwischen den Beteiligten und den Aussenstehenden Gegensätzlichkeiten schaffen, welche die Störung im politischen und wirtschaftlichen Gleichgewicht noch vergrössern müsste, die zu beseitigen sich die Europäische Union doch gerade zum Ziele gesetzt hat.» Fast sieben Jahre sind seither verstrichen, doch würde der Bundesrat, wie wir glauben, diese Erwägung in keinem Punkte abändern.

Der Bundesrat machte ferner geltend, dass der Völkerbund einer lebenswichtigen Notwendigkeit entspricht und dass eine europäische Union nicht mehr wünschenswert sei, wenn sie dazu führen sollte, den Wirkungsbereich und die Entwicklungsmöglichkeiten des Völkerbundes einzudämmen. Wir sind nach wie vor gegen einen ungesunden Wettstreit zwischen der Genfer Institution und derjenigen, für welche Sie eintreten. Diese dürfte jene keineswegs ersetzen; sie müsste ihr untergeordnet sein. Eine «geographische» Beeinträchtigung des Völkerbundes könnte der Bundesrat zweifellos nicht befürworten; er hat sich im Gegenteil immer entschieden zur Universalität des Völkerbundes bekannt.

Angesichts der heutigen Lage hegen wir die grössten Zweifel an der Möglichkeit, auf europäischer Grundlage eine internationale Zusammenarbeit ins Leben zu rufen, welche wirksamer und fruchtbarer als diejenige des Völkerbundes wäre. Dafür, dass diese Zusammenarbeit zu wünschen übrig lässt, ist der Völkerbund nicht verantwortlich zu machen; wie wir in einer Genfer Versammlung zu betonen Gelegenheit hatten, liegt die Verantwortung in erster Linie bei den Staaten, die den Völkerbund bilden. Wenn es nun diesen Staaten schwer fällt, ihre Belange im Schosse eines Völkerbunds in Einklang zu bringen, so ist es umso fraglicher, dass sie in einem enger gezogenen Rahmen besseres zu leisten vermöchten. Es wäre ungerecht, den aussereuropäischen Staaten mehr als den europäischen vorzuwerfen, die ordentliche Tätigkeit des Völkerbundes durchkreuzt oder gelähmt zu haben.

Diese Erwägungen gehen alle schon aus dem vorerwähnten Schreiben des Bundesrates vom 4. August 1930 hervor; wir glauben nicht, etwas beifügen zu müssen.

Unter diesen Vorbehalten sind wir nichts destoweniger bereit, die praktischen Anregungen, über welche Sie uns unterrichten möchten, ausnahmslos und mit grösstmöglicher Sachlichkeit zu prüfen.

1
Lettre (Copie): E 2001 (D) 4/46. Paraphe: MC.
2
Non reproduite, elle était signée: Der Zentralvorstand der Europa-Union, im Namen und Auftrag der Delegierten-Versammlung, Der Präsident: Dr H. Bauer, Der Sekretär: R. Staiger.
3
Cf. FF, 1931, vol. 1, p. 243. Cf. aussi DDS 10, No 29.