dodis.ch/44694 Le Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess, au Chef du Département politique, G. Motta1

Mit Schreiben vom 5. März2 stellten Sie uns zur Ansichtsäusserung eine Note3 der englischen Regierung zu. Es wird darin darauf hingewiesen, dass im Obersten Rat in Paris die Frage geprüft worden sei, wie die Lasten Österreichs erleichtert werden könnten. Der eine Vorschlag war der «that the liens on Austrian state assets should be released» und dafür kommt nun nach der britischen Note in Betracht auch «the release of liens in respect of relief credits».

Die britische Note ladet die schweizerische Regierung nun ein, sich zu erklären, ob sie bereit sei, dabei mitzumachen. Die Schweiz hat sich bekanntlich bei den Crédits de relèvement mit einem Betrag von 25 Millionen Franken beteiligt (vergl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 17. Juli 1920)4, wovon 24 Millionen zur Lieferung von Lebensmitteln an Österreich und 1 Million zur Heimschaffung der Kriegsgefangenen in Russland Verwendung fanden. Die schweizerischen Lieferungen sind bis auf einen ganz kleinen Rest von ca. 180000 Fr. erfolgt und die Obligationen-Formulare sind uns dieser Tage zur Ausfüllung zugestellt worden.

Diese von den Staaten an Österreich bewilligten Crédits de relèvement nehmen nun insofern eine Vorzugsstellung ein, als dafür sämtliche Aktiven und Einnahmequellen des österreichischen Staates in dem Sinne haften, dass die Forderungen aus den von Österreich zu ermittierenden Obligationen die Priorität gegenüber den aus dem Friedensvertrag resultierenden Wiedergutmachungsansprüchen gemessen sollen, wobei allerdings eine Ausnahme zugunsten derjenigen Wiedergutmachungsansprüche eingeräumt ist, die Österreich gemäss den Bestimmungen des Friedensvertrages in natura zu leisten hat. Die Priorität der Kreditforderungen erstreckt sich demgemäss nur auf die übrigen Wiedergutmachungen, die im Friedensvertrag nicht im einzelnen nahmhaft gemacht sind und hinsichtlich welcher es im Ermessen der Wiedergutmachungs-Kommission steht, dieselben in Form von Geldwertpapieren oder Naturalleistungen zu verlangen.

Nach Erklärungen, die ein Vertreter der englischen Regierung in der Sitzung des House of Lords vom 7. März 1921 abgegeben hat, sollen Verhandlungen darüber im Gange sein, dass auf einen Teil der österreichischen Pfänder verzichtet werde. Es soll dadurch möglich werden, das in Brüssel diskutierte Ter Meulen – Projekt auch für Österreich anwenden zu können. Der Regierungsvertreter erklärte weiter, dass man an die Vereinigten Staaten und «other countries, which had given relief credits» heran getreten sei, um sie ebenfalls zu einem solchen Verzicht zu bewegen.

Nun ist bisher die ganze Angelegenheit der Crédits de relèvement von der Commission internationale des crédits de relèvement économique (C.I.C.R.E.) in Paris geordnet, in deren Sitzungen die Schweiz jeweilen durch die Gesandtschaft in Paris vertreten war.

Es ist nach unserer Ansicht ausgeschlossen, heute auf die Note der englischen Regierung eine bestimmte Antwort in bejahendem oder verneinendem Sinne abzugeben. Die Schweiz hat wie eine Reihe weiterer Staaten bei diesen Crédits de relèvement mitgemacht und hat dann in Ausführung der Abmachungen ihre Kredite speziell ihrem notleidenden Nachbarstaat Österreich allein zugewendet. Es kann nun nach unserer Meinung kaum angehen, dass speziell den Staaten, die Österreich unterstützt haben, allein ein Opfer zugemutet wird, während die ändern davon nicht betroffen würden. Wenn eine Hülfe für Österreich im angedeuteten Sinne zur absoluten Notwendigkeit wird, was wir heute nicht zu entscheiden vermögen, so wird diese Aktion wieder auf breiterer Basis durch die C.I.C.R.E. geordnet werden müssen. Wir wissen ausserdem aus der Note absolut nicht, wie sich die ändern Staaten, die an Österreich Kredite erteilt haben, zu der Angelegenheit stellen.

Wir stellten deshalb, weil wir von uns aus Ihnen eine definitive Erklärung nicht abgeben wollten, dem Bundesrat den Antrag:

Es sei der englischen Gesandtschaft mitzuteilen, dass die Schweiz nicht in der Lage ist, heute eine bestimmte Antwort mit Bezug auf einen Verzicht in dem von der Note angedeuteten Sinne in Aussicht zu stellen und dass sie vielmehr glaubt, die Angelegenheit sollte der C.I.C.R.E. unterbreitet werden, die sich bisher mit den Crédits de relèvement befasst hat.

Wir setzen voraus, dass Sie entsprechend diesem Antrag, den der Bundesrat zu seinem Beschluss erhoben hat, der englischen Gesandtschaft antworten werden und bitten Sie, uns Kopie dieser Note5 zustellen zu lassen.

1
Lettre (Copie): E EVD 20/111 + 112.
2
Non retrouvé.
3
Note du 3 mars 1921, non reproduite.
4
FF, 1920, Vol. III, pp. 731-736, cf. aussi DDS 712, no 371.
5
Le Département politique répondit par une note du 22 mars aux propositions britanniques contenues dans la note du 3 mars: Le Conseil fédéral a dû se convaincre que, comme elles sont présentées, ces propositions paraissent imposer des sacrifices particulièrement onéreux aux Etats qui, telle la Suisse, ont attribué la totalité de leurs prestations à la Commission internationale des crédits de relèvement économique à l’action en faveur de l’Autriche. Par contre, elles semblent assurer une situation privilégiée aux Etats qui ont autrement réparti leurs subsides. Le Gouvernement Suisse croit devoir attirer l’attention sur cette conséquence éventuelle des propositions en cause et attacherait du prix à connaître l’opinion des autres Etats intéressés à son sujet. Cela étant, le Conseil fédéral regrette de ne pas être en mesure, pour le moment, de se déterminer sur les propositions que la Légation Britannique a bien voulu lui communiquer. Il se permet de suggérer à ce propos que le Comité international spécialement formé à cet effet à Paris et qui s’est occupé jusqu’ici des crédits de relèvement économique soit invité à faire de cette affaire l’objet de ses délibérations (EVD 20/111 + 112).