dodis.ch/44244
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 4 août 19191

2763. Völkerbund, Beitritt der Schweiz

Politisches Departement. Entwurf Botschaft

In der Eintretensdebatte über die Frage des Beitritts der Schweiz zum Völkerbund erfolgt zuerst ein allgemeiner Gedankenaustausch. Aus demselben ergibt sich, dass alle Mitglieder des Bundesrates darin übereinstimmen, dass den eidgenössischen Räten der Beitritt zu empfehlen sei.

Herr Bundesrat Müller2 gibt die Erklärung zu Protokoll, dass er bezüglich der Neutralität mit der Auffassung des politischen Departements, wie sie in der Botschaft auseinandergesetzt ist, nicht einig gehen kann. Die Neutralität, wie sie bisher verstanden und gehandhabt worden ist, ist mit der Mitgliedschaft beim Völkerbunde nicht vereinbar; inwieweit wir künftighin noch an der Neutralität werden festhalten können, ist zur Zeit sehr ungewiss und bedarf weiterer Abklärung; wir werden suchen, von dem alten Neutralitätsgedanken zu erhalten, was möglich ist, aber die Ungewissheit des Erfolges unserer daherigen Bestrebungen kann uns nicht abhalten, jetzt schon dem Völkerbunde beizutreten, weil die Weltlage uns dazu nötigt und die Schweiz nicht vereinsamt werden darf. Auch ohne Beitritt zum Völkerbund ist es um unsere Neutralität im alten Sinne doch sehr schlecht bestellt; sie wird nicht mehr viel anderes sein, als eine schöne Illusion. Den subtilen Unterscheidungen zwischen militärischer und wirtschaftlicher Neutralität kann Herr Müller nicht folgen. Militärische und wirtschaftliche Massnahmen gehn, heute mehr als je, notwendig Hand in Hand. Sie dienen beide der Kriegführung; die Kriegführung aber dient der Politik und die Neutralität ist und bleibt eine Frage der Politik. Inwiefern der Nachrichtendienst unter einigen Vorbehalten mit der Neutralität als vereinbar angesehen werden kann, ist unverständlich und stimmt mit der bisherigen Auffassung des Bundesrates nicht überein.

Die Botschaft nimmt den Standpunkt ein, dass die Neutralität in modifiziertem Sinn mit dem Völkerbunde vereinbar sei. Damit liefert man den Gegnern des Vertrages nur Waffen in die Hand; es sollte deshalb hinsichtlich der Neutralitätsfragen die Botschaft einer Umarbeitung im Sinne dieser Ausführungen unterzogen werden.

Herr Bundesrat Schulthess stimmt der Ansicht des Herrn Bundesrat Müller bei; es muss dem Volke erklärt werden, dass man bezüglich der Neutralität vor einem Wendepunkte steht. Die Botschaft sollte so abgefasst werden, dass alle Mitglieder des Bundesrates dafür eintreten können.

Herr Bundesrat Calonder vertritt das in der Botschaft aufgestellte System der Neutralität, das er für das allein richtige hält. Die Botschaft soll die Stellung der Schweiz nach aussen festlegen. Die Neutralität muss von vorneherein feststehen; deshalb muss auch erklärt werden, dass die Schweiz im Interesse der Rechtsordnung gegen Friedensbrecher vorgeht.

Herr Bundesrat Motta hält dafür, eine Änderung der Neutralität werde nur bei den sogen. Exekutionskriegen eintreten, nicht aber bei den gewöhnlichen Kriegen, die doch die grosse Mehrzahl bilden werden. Bei den erstem wird die wirtschaftliche Neutralität aufgehoben und die militärische Neutralität wird wertlos. Tritt die Schweiz dem Völkerbunde nicht bei, so hat die Neutralität keinen Nutzen mehr.

Herr Bundespräsident Ador konstatiert mit Vergnügen, dass für den Beitritt zum Völkerbund Einstimmigkeit herrscht. Er teilt den Optimismus, der sich in der Botschaft kundgibt, da sicher zu erwarten steht, dass die Völker gemeinsam verhandeln werden. Die Neutralität wird mit dem Völkerbund, der eine Notwendigkeit geworden ist, leben oder mit ihm untergehen. Diejenigen Abschnitte der Botschaft, welche den Gegnern des Beitritts Waffen liefern, müssen abgeändert werden.

Der Bundesrat beschliesst einstimmig Eintreten auf die Vorlage des politischen Departements. Dieses Departement wird ermächtigt, Abänderungen rein redaktioneller Natur von sich aus vorzunehmen [...]3.

Der Beschlussesentwurf wird in folgender Fassung angenommen:

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. August 1919 und nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. August 1919 und unter ausdrücklicher Feststellung, dass die immerwährende Neutralität der Schweiz, die insbesondere in der Akte vom 20. November 1815 anerkannt worden ist, in Art. 435 des zwischen den alliierten und assozierten Mächten und Deutschland am 28. Juni 1919 abgeschlossenen Friedensvertrages als ein Abkommen zur Sicherung des Friedens anerkannt ist und dass sie nach Art. 21 des Völkerbundsvertrages als mit keiner Bestimmung dieses Vertrages als unvereinbar anzusehen ist, beschliesst:

I. Der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 ist ein vierter Abschnitt, Art. 124, beizufügen, welcher lautet:

Die Schweiz tritt dem Völkerbundsvertrag bei, der am 28. April 1919 von der Pariser Friedenskonferenz angenommen worden ist.

Für die Ratifikation der Abänderungen des Völkerbundsvertrages, sowie für die Genehmigung von mit dem Völkerbund zusammenhängenden Übereinkünften jeder Art kommen die von der Bundesverfassung für die Genehmigung von Staatsverträgen aufgestellten Bestimmungen zur Anwendung.

Beschlüsse über Kündigung des Völkerbundsvertrages oder über Rücktritt von diesem sind dem Volke und den Ständen zur Abstimmung vorzulegen.

II. Der vorliegende Bundesbeschluss ist der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten.

III. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Gemäss Antrag des politischen Departements werden die vorgesehenen Beilagen als Anhang besonders gedruckt.

1
E 1004 1/272.
2
Sur la position du Conseiller fédéral E. Müller, cf. aussi no 25.
3
Suivent diverses modifications, d’ordre rédactionnel, du Message à l’Assemblée fédérale. Pour les références de ce message, cf. no 25, note 9.