dodis.ch/43386 Le Ministre de Suisse à Washington, P. Ritter, au Chef du Département politique, A. Hoffmann1

Ich beehre mich, Ihnen den Empfang Ihres vertraulichen Schreibens vom 24. März2 zu bestätigen. Meine Antwort dürfte Sie leider kaum befriedigen.

Die Administration war sehr enttäuscht, dass Colonel House in Europa so kühl empfangen worden ist. Man hatte sich hier mit Friedensfragen gar nicht beschäftigt, überhaupt noch nicht so weit gedacht.

Herr Bryan sagte mir heute im Laufe des Gesprächs, dass die Friedensfrage als solche noch nirgends berührt worden sei, man sich hier auch noch gar nicht mit der Art und Weise des Vorbringens derselben abgegeben, noch darüber nachgedacht habe, ob und welche Nationen dabei vereint handeln sollen (... «no consideration has been given here to the method of proposing peace, or as to the nations who should act together.»).

Präsident Wilson hofft aber jedenfalls bei den Friedensverhandlungen eine Rolle zu spielen, vielleicht gar den Anstoss dazu zu geben. Dies würde sein Prestige für die kommende Präsidentschaftskampagne heben und dürfte seinem Ehrgeiz genügen. Vermutlich würde er sich alsdann, und mit ihm die Vereinigten Staaten, wieder aus den Verhandlungen zurückziehen, und wenn es auch nur darum wäre, um seinem Rivalen Mr. Bryan, der stets noch auf dem Nobelpreis lauert, keine Chance zu bieten, sich ebenfalls hervorzutun.

Dass Deutschland eine Einmischung der Vereinigten Staaten in die Friedensfrage zu verhindern suchen wird, ist zu erwarten, aber die Alliierten sind der Wilson-Administration so starken Dank schuldig, dass sie, auf eventuelle Wünsche hin, die Vereinigten Staaten sicherlich hineinzudrängen vermöchten; anderseits denken die Alliierten vielleicht auch von sich aus daran, die Vereinigten Staaten zwecks Druckausübung zuzuziehen.

Erlauben Sie mir, Herr Bundesrat, Sie heute über einige allgemeine mit dem Kriege, bzw. Frieden im Zusammenhang stehende Fragen zu unterhalten.

Auf den Grafen Bernstorff ist man im Staatsdepartement, seitdem er den Text der deutschen Protestnote gegen die amtliche Waffenausfuhr - welche in einer Schublade in Bryans Pult geschlummert hatte - der Presse übergeben hat, ganz schlecht zu sprechen. Man hätte eine Antwort bereits gegeben, hoffte aber stets vorher noch auszufinden, ob es Bernstorffs eigene Note gewesen, oder ob ihm der Text von Berlin zugesandt worden sei. Bernstorff ist trotz seines vergnügten Aussehens zweifellos innerlich gedrückt, da er gegenüber Wilson so gar keine Resultate zu erzielen im Stande gewesen ist. Auch scheint es, dass man in Berlin findet, er habe den Amerikanern bei der Erledigung des «Frye»-Falles (amerikanisches Segelschiff «Frye» mit Weizen für England, versenkt durch «Prinz Eitel Friedrich») zu grosses Entgegenkommen gezeigt.

Ein anderer Grund, warum die Vereinigten Staaten sich zur Zeit nicht tiefer mit Einzelheiten der Friedensfragen beschäftigen, ist der, dass sie selbst von schweren Fragen geplagt sind: die immer drohender werdende Sprache der deutschen Presse wegen der Waffenlieferungen, die Komplikationen mit Mexiko, mit Japan und mit China, verbunden mit den Vorbereitungen für die im Herbst beginnende Präsidentschaftskampagne.

Die jetzt einsetzende «Prosperitätswelle», die grosse Hausse in einzelnen Industriepapieren, ist lediglich das Resultat der Waffenverkäufe an die Alliierten. Wie werden sich die Wähler dazu stellen?

Wie ich es schon oft hervorgehoben habe, sind die Vereinigten Staaten zu See schlecht, zu Lande sozusagen gar nicht gerüstet. Munitionsvorräte fehlen. Es muss daher Frieden bewahrt werden um jeden Preis. Die Mexikaner haben schon das Menschenmögliche geleistet, um die Vereinigten Staaten zum Losschlagen zu veranlassen, den Präsidenten beleidigt, zahlreiche Amerikaner ermordet, das Stars und Stripes-Banner erst kürzlich wieder auf unbeschreibliche Art beschmutzt! Herr Bryan hat bei China durch breitspuriges Getue den Glauben erweckt, dass die Union den Chinesen gegenüber Japan helfen werde. Man wird nichts tun! Man will sogar geflissentlich nicht mehr sehen, dass durch Japans Vorgehen der ganze amtliche Handel in China vernichtet werden wird. Von amerikanischen Residenten in China ist letzte Woche ein dringliches Kabel von 5000 Worten eingelaufen. Der Wortlaut ist gar nicht gegeben worden! Man wird über das Einnisten der Japaner in mexikanisch Nieder-Kalifornien beide Augen zudrücken, vielleicht in der Hoffnung, dass wenn einmal der europäische Friede geschlossen ist, Russland und England sich wohl gegen Japan wehren und ihm, nach dem Vorbild des Shimonoseki-Friedens, das zuviel Genommene wieder abjagen werden.

Im Konflikt mit Japan würde heute so viel heissen, als dass die Vereinigten Staaten die Alliierten Deutschlands würden. Das klingt fast absurd! In Wirklichkeit aber wäre es für die Vereinigten Staaten gar nichts Ungünstiges, denn ein künftiges deutsch-japanisches Bündnis scheint mir trotz allem Vorgefallenen zu den Unmöglichkeiten zu gehören.

Bezüglich des Ortes der Friedens Verhandlungen drängt sich uns Überseern der Eindruck auf, dass durch Bülows Einfluss wohl Rom in Betracht fallen dürfte. Vertrauliche Agenten verschiedener Mächte scheinen jetzt schon dort zu sitzen, ihre Instruktionen zu erhalten und von dort aus die öffentliche Meinung zu leiten. Der Schacher dürfte durch jene Agenten begonnen werden.

Was die Waffen- und Munitionsverkäufe dieses Landes an die Alliierten anbetrifft, so findet sie jeder Durchschnittsamerikaner und selbst jede mitleidige Dame, welche im Theater und im Konzert ostentativ Wollsachen «für die armen Soldaten» strickt, durchaus rechtmässig (quite legitimate). Vorgestern kam ein New Yorker Universitätsprofessor, Mr. E. J. Clapp, zu mir, der ein Buch «Pro America» in Arbeit hat und darin über England herfallen will, weil es die Vereinigten Staaten verhindert, noch unendlich viel mehr Dollars aus dem Kriege zu machen als dies schon der Fall ist. Er hätte gern von mir wissen wollen, wie hoch wohl der den Amerikanern durch die englische Kupfer-Anhaltungen in Gibraltar entgangene Gewinn gewesen sein könnte. Der gelehrte Herr sagte wörtlich folgendes: «Allerdings schicken wir viel Waffen und Munition nach Europa, machen aber gleichzeitig den Schaden wieder gut, indem wir mit den gleichen Schiffen Krankenschwestern, Verbandstoffe, künstliche Gliedmassen und gläserne Augen hinübersenden. Mein Vorschlag wird sein, dass die Schrapnellfabrikanten einen Teil ihres Gewinnes abgeben sollen, damit daraus nach Beendigung des Krieges ein neuer Flügel an den Haager Friedenspalast angebaut werden möge.»

[...]3

1
Rapport politique: E 2300 Washington 32.
2
cf. no 105.
3
Le rapport se termine par des commentaires sur le comportement des représentants diplomatiques des Etats belligérants.