dodis.ch/43145 Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 13. Juli 191 l1

3424. Reorganisation der Bundesverwaltung

Herr Bundesrat Comtesse: Es ist vor Allem nötig, dem Politischen Departement eine ebenso ständige und dauerhafte Organisation zu geben, wie den ändern Departementen. Es ist wünschenswert, dass der Vorsteher des Departements Zeit hat, die wichtigen Fragen seines Ressorts zu studieren, dass er Gelegenheit bekommt, das Personal seines Departements kennen zu lernen. Wenn eine spezielle Art der Leitung für die militärischen Angelegenheiten notwendig ist, so ist dies ebensosehr für die politischen Angelegenheiten der Fall. In allen ändern Ländern wird darnach getrachtet, in der Leitung der militärischen Angelegenheiten und in der Leitung des Äussern die Kontinuität zu sichern. Ich will die Tatsachen, die gegen das gegenwärtige System sprechen, vorerst unbesprochen lassen. Allein, was meine Erfahrungen mich lehren, das ist gleicherweise die Überzeugung eines grossen Teiles der eidg. Räte und des schweizerischen Volkes. Wenn wir nichts tun, so werden wir von den eidg. Räten ins Schlepptau genommen werden. Dies entspricht keineswegs der Würde des Bundesrates. Man muss also dem Politischen Departemente eine andere Gestalt geben. Es lassen sich zwei Wege begehen:

Entweder man verbleibt bei der Siebenzahl der Bundesräte und lässt das Präsidium bei den einzelnen Departementen jährlich wechseln,

oder man versucht es mit einer Erhöhung der Zahl der Bundesräte.

Zuerst war mir die erstgenannte Lösung die sympathischere. Die Anordnung ist die gleiche, wie sie für die kantonalen Regierungsräte getroffen ist. Allein sie führt zu einer erheblichen Belastung des Präsidenten während eines Jahres, wenn er zugleich sein Departement verwalten muss. Es wäre in diesem Falle die Schaffung einer Stelle, die dem Bundespräsidenten an die Hand ginge, gerechtfertigt.

Die gegenwärtige Situation ist unhaltbar. Die Einrichtungen waren gut vor 20, 10 Jahren, vielleicht noch zur Zeit unseres letzten Berichtes. Jetzt sind sie es bei den wachsenden Geschäften nicht mehr. Allzuviel können die Departementsvorsteher nicht auf die Abteilungschefs abwälzen, weil schnell gefunden würde, diese werden dadurch zu allmächtig.

Es ist noch daran zu erinnern, dass die Herren Bundesräte Müller und Forrer sich dahin ausgesprochen haben, die Vereinigung der Departementsverwaltung mit der Präsidialleitung wäre für sie kaum praktisch durchzuführen.

Nach allen diesen Erwägungen erscheint es mir nicht praktikabel zu sein, bei der jetzigen Zahl der Bundesratsmitglieder zu bleiben. Wenn wir dem Politischen Departement Ständigkeit geben wollen, müssen wir zu der Vermehrung der Zahl der Bundesräte übergehen. Diese Vermehrung ist auch nötig, wenn man an die Zukunft denkt. Der Bund wird immer mehr neue Aufgaben zugewiesen erhalten. Die vier Sessionen der eidg. Räte werden bleiben. Schon die Geschäfte, welche die Bundesbahnverwaltung gebracht hat - Büdget, Jahresrechnung, Geschäftsbericht - machen sich in der Beratung des Parlaments deutlich bemerkbar. Die Kommissionen der Räte werden ebenfalls zahlreicher werden. Dadurch werden die Bundesratsmitglieder gezwungen sein, häufiger abwesend zu sein. Es werden demnach 9 Bundesräte nicht zu viel sein. Auch der Regierungsrat von Bern zählt 9 Mitglieder. Schon Herr Bundesrat Hauser hat die Frage aufgeworfen. Damals wurde nicht auf sie eingetreten. Abschliessend und andere Gründe, die noch angeführt werden können, dem Gange der Beratung überlassend, ist meine Meinung die: wenn wir ein ständiges Politisches Departement wollen, so werden wir auch 9 Bundesratsmitglieder haben müssen.

Herr Bundesrat Forrer: Wir sind heute nur in der Lage, über das Gutachten Comtesse und nicht über das Gutachten Hoffmann zu sprechen. Wenn eine aufrichtige Aussprache über den Bericht Comtesse, der offen und lebhaft geschrieben ist, möglich sein soll, so muss die Voraussetzung der Geheimhaltung gegeben sein.

Einleitend muss gefragt werden, welche Übelstände denn eigentlich in der so viel angegriffenen Bundesverwaltung bestehen.

Hauptübelstand ist die Überlastung der Departementsvorsteher, weniger des Bundesrates.

Allerdings ist eigentlich der Hauptangriff, der gegen den Bundesrat gerichtet wird, der, dass die sog. Politischen Geschäfte schlecht geführt worden seien. Ist das richtig? Ich muss es bestreiten.

Was die Vorwürfe, die erhoben werden, anbetrifft, so ist einer der ersten der Mehlzollkonflikt gewesen. Es ist wohl richtig, dass die Schweiz den Kürzern gezogen hat. Es ist vom Bundesrat ein Detail übersehen worden; allein es ist ein Detail, das von den Unterhändlern beim Abschlüsse des Vertrages in erster Linie nicht hätte übersehen werden sollen. Dann will man am deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrag alles mögliche zu tadeln wissen. Allein auch hier ist nichts gefehlt worden. Während die Verhandlungen geführt wurden, hat Herr Bundesrat Brenner den Bundesrat fortwährend über den Gang derselben auf dem Laufenden gehalten. Die Beziehungen zum Deutschen Reiche sind übrigens von solcher Wichtigkeit, dass an einen vertragslosen Zustand nicht gedacht werden könnte.

Schliesslich sind die mit dem Auslande abgeschlossenen Eisenbahnverträge ein beliebtes Ziel der Angriffe geworden. So die Verhältnisse am Simplon. Die geschaffene internationale Delegation bedingt natürlich eine gewisse Beschränkung der Souveränität. Allein, da der Tunnel zweien Staatsgebieten angehört, ist die getroffene Vereinbarung aus der Natur der Verhältnisse heraus entstanden.

Bekannt sind die Angriffe auf den Gotthardvertrag. Hier herrscht die allgemeine Meinung, schwere Missgriffe seien begangen worden. Dem Bundesrate war aber bis jetzt die Möglichkeit, sich wirksam zu äussern, nicht geboten. Ich erwarte mit Ungeduld die parlamentarische Diskussion, deren Verlauf allein das einzig gerechte Urteil an den Tag bringen wird. Nach dem, was in den Jahren 1869/78 gegangen war, war etwas Besseres nicht zu erreichen. Es wäre schlimmer, würde der alte Vertrag bestehen bleiben. Übrigens ist nicht einzusehen, was eine andere Organisation des Bundesrates an dem Ergebnis geändert hätte.

In einer Landsgemeinde wurde s. Z. behauptet, der Bundesrat sei schuld daran gewesen, dass die Schweiz das Haager-Schiedsgericht nicht erhalten habe. Allein dies ist doch gewiss kein Fehler. Wir haben genug an den bestehenden internationalen Institutionen.

Wenn ein Fehler in der Organisation des Politischen Departements besteht, ist es der, dass in der letzten Zeit die Zahl unserer diplomatischen Vertretungen unnötigerweise vermehrt worden ist, und dass man auch da, wo kommerzielle Agenturen genügen würden, Gesandtschaften eingerichtet hat.

In Bezug auf die Mitgliederzahl des Bundesrates habe ich längere Zeit geschwankt. Meine Überzeugung ist aber schliesslich die, dass wir bei sieben Mitgliedern bleiben sollen. Es ist eine geschlossene Zahl, der Rat ist noch ein geschlossener Körper. Es hat auch nie Hader gegeben. Man war bestrebt, nicht nur einig zu scheinen, sondern auch zu sein. Das einzige Mal, dass es zu etwas lebhafteren Diskussionen gekommen ist, war meines Erinnerns damals, als es sich bei der Präsidentschaft des Herrn Müller um die Bestellung des Militärdepartements handelte. Auch mit den Vertretern der Minderheit ist ein gutes und loyales Verhältnis stets möglich gewesen. Wird das bei neun auch so bleiben? Die Komposition wird eine andere werden und die Beziehungen werden andere sein.

Bei neun Mitgliedern kann die Vorschrift, dass jeder Kanton nur einen Bundesrat haben dürfe, nicht aufrecht erhalten werden. Fällt diese Vorschrift dahin, so fallen für mich auch die Bedenken gegen die Volkswahl des Bundesrates dahin. Ich hege vor der Volkswahl keine Befürchtungen, sie würde den Bundesrat nicht nur gegen Aussen stärken, sondern auch gegen Innen; man denke an das Verhältnis zu den Räten. Wenn wir die Zahl sieben verlassen, so kommen wir zur Volkswahl. Dass diese aber auch nach noch anderen Richtungen in unseren staatsrechtlichen Grundlagen Modifikationen bringen wird, ist selbstredend.

Ich resümiere daher dahin, dass wir richtiger handeln, wenn wir bei 7 Bundesräten bleiben. Es mag eine Zeit kommen, in der wir zur Vermehrung der Mitgliederzahl werden schreiten müssen. Doch ist sie noch nicht gekommen. Die Sieben-Zahl bildet, man kann sagen, was man will, die Stärke der Executive, die den Vergleich mit ändern Ländern wohl aushält.

Die innere Reorganisation des Bundesrates anlangend, ist zuzugeben, dass unnütze, kleinere Geschäfte den Rat belasten: Naturalisationen, Urlaubsbewilligungen, Besoldungsnachgenüsse, Jahresrechnungen der Eisenbahnen u.s.w. - Aber wichtiger ist, dass die Vorsteher der Departemente überlastet sind. Hier muss eine Änderung stattfinden. Die Entscheidungsbefugnis muss zum Teil nach unten verlegt, auf die Abteilungschefs übertragen werden. Das hat seine Lichtund Schattenseiten. Gegenwätig ist es so, dass jeder Chef sein Departement in der Hand hält. Das wird vielleicht in der Zukunft weniger der Fall sein. Dafür hat der Chef Musse, grössere Fragen zu studieren. Den Schritt muss man tun. Es ist nicht anders möglich. In Grossbetrieben geht es auch nicht anders. Möglich ist, dass dann der Vorwurf vermehrter Bureaukratie kommen wird; das wird aber zu ertragen sein. Des Bestimmtesten bin ich aber der Ansicht, dass auch diese innere Reform der Ausscheidung der Kompetenzen nur mit einer Revision der Bundesverfassung durchführbar ist.

In Bezug auf die Organisation der Präsidentschaft und des Politischen Departements bin ich der Ansicht, dass Präsidium und Politisches Departement in derselben Hand bleiben müssen. Ein Präsident ohne Departement steht in der Luft, er hätte nichts zu tun. Herr Bundesrat Comtesse nimmt an, der Präsident habe sich um die wichtigen Geschäfte zu interessieren. Allein bei uns sind alle Geschäfte den einzelnen Departementen übertragen, so dass ein Präsidium, das sich in einzelne Geschäfte mischen würde, lästig fallen müsste. Konflikte könnten nicht ausbleiben. Bei sieben Mitgliedern ist die Arbeit des Präsidiums neben der Verwaltung des eigenen Departements zu viel verlangt. Neben dem ständigen Politischen Departement spielt der Bundespräsident eine lächerliche Rolle, er ist ein Schattenpräsident.

Gewiss ist in der Leitung des Politischen Departements Stabilität wünschenswert. Allein, wer aus dem Bundesrate zum Politischen Departemente gelangt, ist kein Neuling in den Geschäften. Er hat mindestens zwei oder drei Jahre alles im Bundesrate mitgemacht. Übrigens muss nach dem System Comtesse mit 9 Mitgliedern ebenfalls ein Wechsel stattfinden, da auch der Vorsteher des Politischen Departements einmal das Präsidium wird übernehmen müssen. Die Hauptsache ist, dass die Behandlung der politischen Geschäfte durch den Gesamt-Bundesrat geschieht. So will es die Verfassung. Der Gesamt-Bundesrat ist eigentlich das Politische Departement.

Was im Berichte des Herrn Bundesrat Comtesse auf S. 8 und 9 ausgeführt wird, trifft zum mindesten auf das Eisenbahndepartement nicht zu. Das Politische Departement ist vom Eisenbahndepartement, sobald es sich um Geschäfte mit auswärtigen Staaten gehandelt hat, nie umgangen worden. Auch ist dafür gesorgt worden, dass Geschäfte des Verkehrs mit dem Auslande durch den Bundesrat behandelt worden sind.

Das dreijährige Präsidium ist gleichfalls nicht nach meinem Geschmack, wie ich ebenso die Bestellung eines dreigliedrigen Komitees ablehnen möchte.

Die Bundeskanzlei zu ändern, ist nicht wohl möglich. Der Bundeskanzler soll nach Herrn Comtesse die rechte Hand des Bundespräsidenten werden. Da aber nach Herrn Comtesse die Bundespräsidentschaft eine Sinekure würde, so wäre das noch weit mehr für den Bundeskanzler der Fall. Der Kanzler und seine Adlati sollen für die Speditivität der Kanzleigeschäfte besorgt sein. Immerhin etwas sollte geändert werden. Die Kanzler sollten nicht mehr die Protokollführer der eidg. Räte sein.

Neben all den vorgeschlagenen Reformen sollte die des Parlamentes nicht übersehen werden. Die Behandlung der Geschäfte zieht sich zu sehr in die Länge. Noch sind z.B. der Geschäftsbericht des vergangenen Jahres und der Bericht der S.B.B. nicht erledigt. Man wiederholt sich beim Geschäftsbericht, bei der Staatsrechnung, beim Büdget. Hier ist Reform nötig.

Ich postuliere resümierend:

Erstens eine Revision von Art. 103 der Bundesverfassung zum Zwecke der Neuordnung der Kompetenzen;

zweitens die Enthebung der Bundeskanzler bezw. Vizekanzler als Protokollführer der eidg. Räte, und

drittens eine Reform des Parlamentes.

Herr Bundesrat Deucher: Ich bin auch der Meinung, dass die Aussprache unter uns geheim bleiben solle. Es stehen ja schon merkwürdige Sachen in den Zeitungen, so z. B. in der Zürcherpost.

Grundsätzlich stehe ich auf dem Standpunkt, den Herr Bundesrat Forrer eingenommen hat. Es ist von ihm richtig bemerkt worden, dass mit der Reform des Bundesrates eine gleichzeitige Reform des Parlamentes wünschbar wäre. Immerhin habe ich die Meinung, dass, wenn von einer Revision der Bundesverfassung gesprochen wird, man sich vergegenwärtigen muss, dass eine Anregung nach dieser Richtung zu ungewollter Ausdehnung der Bundesrevision führen kann. Ist es daher nicht klüger, wenn wir auf dem Standpunkte der jetzigen Verfassung bleiben? Wir können, auch auf dem Boden der geltenden Verfassung bleibend, Reformen einführen, die sich sehen lassen dürfen. Ich habe den Bericht des Justizdepartements über die Verwaltungsgerichtsbarkeit noch nicht studieren können, allein ich kann wohl annehmen, dass nach dieser Seite hin Entlastung der Departementsvorsteher eingeführt werden kann.

An den Vorschlägen des Herrn Bundesrat Comtesse gefällt mir das Präsidialdepartement auch nicht. Das gäbe ein Faulenzerdepartement. Mit 9 Mitgliedern des Bundesrates wäre übrigens die Überlastung einzelner Departemente, z.B. des Militärdepartements, nicht gehoben. Die Entlastung der Departementschefs kann entschieden auch auf anderem Wege als durch die Vermehrung der Mitgliederzahl gefunden werden, und zwar durch Wegräumen einer Menge kleinlicher Beschäftigungen. Dadurch gewinnen die Abteilungsvorsteher an Autorität nach aussen. Man riskiert damit den Vorwurf der Bureaukratie. Allein, der Schritt muss gewagt werden. Dann wäre es vielleicht möglich, das Präsidium neben den Departementsgeschäften auszuüben. Im Departemente, das ich vertrete, wäre die Entlastung des Departementsvorstehers wohl durchführbar. Vor allem ist im Auge zu behalten, dass die Vermehrung der Zahl der Bundesräte nicht mit einer Entlastung gleichbedeutend ist.

Wir verkehren vielleicht zu häufig unter Umgehung des Politischen Departements mit unseren Vertretern im Auslande. Aber solche Fehler können ohne Weiteres von uns aus korrigiert werden.

Ein besonderes Politisches Departement, dem, wie selbstredend, die Handelsabteilung angeschlossen würde, hätte kaum genügend Arbeit.

Ein ständiges Politisches Departement kann man bei 9 und bei 7 Mitgliedern des Bundesrates einrichten. Die Gründe, die gegen 9 Mitglieder sprechen, sind schon in dem bekannten Berichte Schenk und auch in den spätem Berichten des Bundesrates ausgesprochen worden. Die Verhältnisse haben sich seitdem nicht geändert. Nun sagt Herr Bundesrt Comtesse, es sei die allgemeine Meinung, dass in der Leitung des Politischen Departements die Kontinuität fehle, und dass daher nicht alles in guter Ordnung gegangen sei.

Dem gegenüber kann man aber sagen, wenn in dem einen oder ändern Falle Fehler begangen worden sein sollten, so liege dies nicht in der fehlerhaften Organisation des Bundesrates. Der Mehlzollkonflikt hat sich nicht deshalb ungünstig gewendet, weil die Einrichtung des Politischen Departements ungenügend war und ist. Die Schuld trifft höchstens den Bundesrat, der hinwiederum durch die Verabredung der Unterhändler in Berlin gebunden war. Auch in manchen ändern Fällen liegt die Sache ganz gleich. Den Vorwürfen gegenüber muss ich mich im wesentlichen ablehnend verhalten; zum mindesten bilden sie für mich keinen Grund zu einer Reorganisation. Der Bundesrat ist in der Lage, zu beweisen, dass die Interessen der Schweiz nicht verletzt worden sind.

Wenn einzelne Departemente im Verkehr mit dem Ausland zu selbständig vorgegangen sind, so liegt dies in der Praxis, die geändert werden kann.

Ich halte, wie Herr Bundesrat Forrer, daran fest, dass der Gesamtbundesrat sozusagen das Politische Departement ist; in den Entscheidungen des Bundesrates liegt die Kontinuität. Auch bei einem ständigen Politischen Departement müssen verschiedene Departemente jeweilen Zusammenwirken. Eine Organisation des Departements des Äussern, wie in Grossstaaten, ist bei uns nicht möglich.

Das ständige Politische Departement hat seine Nachteile. Sie sind zum Teil persönlicher Natur. Der Vorsteher des Departements kann sich binden und dann ist der Bundesrat in übler Lage.

Der Vorschlag der 9 Mitglieder hat auf den ersten Blick etwas Bestechendes. Allein, wenn 9 sind, so wird der Vorwurf noch berechtigter werden, man habe nur Departemente und keinen Bundesrat. Die Komposition des Rates nach sprachlichen, volkswirtschaftlichen, parteipolitischen und kantonalen Rücksichten würde ausnehmend schwierige Fragen aufgeben.

Wenn 9 Mitglieder postuliert werden, so würde ich gleichfalls für die Volkswahl eintreten. Der Bundesrat würde entschieden einen festem Halt bekommen. Es wäre aber nach anderer Seite eine Gefahr, die Frage jetzt schon aufzuwerfen.

Im ganzen glaube ich, dass man die Reform in erster Linie dahin befürworten sollte, dass die vorgeschlagene Zuwendung der Kompetenzen an die Abteilungschefs durchgeführt würde. Im übrigen bliebe der Bundesrat in seiner Stellung, wie sie in Art. 102, Ziff. 8, der B.V. ihm gegeben ist. Am liebsten würde ich ohne Verfassungsrevision durchzukommen suchen. Die Frage der Stellung des Bundeskanzlers ist nicht wichtig genug, um wegen derselben eine Verfassungsrevision anzuregen.

Herr Bundesrat Müller:

Wir haben zwei Fragen zu untersuchen:

Einmal die Frage der Entlastung der Vorsteher der Departemente.

Dann die der Reorganisation des Bundesrates.

Die Entlastung der Departementschefs ist auf zwei Wegen zu versuchen:

1. Entlastung durch Mittel in der innern Administration. Nach dieser Seite hin darf wohl angenommen werden, dass die von Herrn Bundesrat Comtesse in seinem Berichte ausgesprochene Meinung im wesentlichen nicht anzufechten sein wird. Mit einer zweckmässigen Verteilung der Verantwortlichkeiten kann gewiss vieles erreicht werden. Man kann als Analogie auf die neue Militärorganisation hinweisen, in welcher auch die Truppenführer zum Wohle des Ganzen selbständiger gemacht worden sind und ein grösseres Mass von Verantwortlichkeit erhalten haben. Man wird natürlich mancherorts mit bestehenden Gewohnheiten zu brechen haben. Auch nehmen die einen die Verantwortlichkeiten gerne auf sich, während sich andere ihnen ebenso gerne entziehen. Es ist einigermassen eine Illusion, zu glauben, man habe das Departement in der Hand, wenn man sich mit allen Kleinigkeiten beschäftigt. Man muss seinen Beamten Vertrauen entgegenbringen und daneben gute Aufsicht führen. Beim Militärdepartement hat sich dieses Verfahren, soweit es durchgeführt ist, bewährt.

Dass in der finanziellen Gebarung nach den bestehenden Regiementen manches zu umständlich ist, ist unbestritten. Doch ist ersichtlich, dass auch der Herr Vorsteher des Finanzdepartements der Ansicht ist, es sei in Bezug auf die Zahlungsanweisungen der Departemente eine Vereinfachung durchführbar. Es liesse sich durch einen Beschluss des Bundesrates, eventuell durch eine Verordnung, ohne zu grosse Schwierigkeiten, das Richtige einführen, indem man den Abteilungschefs auch hierin Verantwortlichkeit überträgt. Die Entlastungsfrage im Sinne der Verbesserung der Administration scheint mir, im Grunde genommen, reif zu sein. Sie könnte jetzt an die Hand genommen werden.

2. Die zweite der Entlastungsfrage berührt der neueste Bericht des Justizdepartements über die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Verhältnisse, über die der Bericht des Justizdepartements sich ausspricht, sind gleichfalls durch die wiederholten Untersuchungen für eine baldige Neuordnung reif geworden, so dass einer Ausarbeitung von Vorlagen nicht mehr viel im Wege steht. Im Einzelnen mag man vielleicht zu dem Berichte des Justizdepartements seine Vorbehalte machen. Doch treffen die Vorbehalte meinerseits nicht das Wesentliche. Es wird sich z.B. fragen, ob die Entscheidungen über Militärpensionen nicht richtiger dem künftigen Versicherungsgerichte, wenn es kommt, als dem Verwaltungsgerichte überlassen werden. Auch muss dafür gesorgt werden, dass nicht die Entscheidungen der Departementsvorsteher, die infolge einer Delegation des Bundesrates geschehen, an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden können. Doch sind das Einzelheiten, die noch geprüft werden können. Von der vorgeschlagenen Disziplinargerichtsbarkeit bin ich nicht gerade erbaut. Wenn sie kommen muss, mag sie kommen. Ein wohlgeordnetes Verfahren wird bewirken können, dass dem Ansehen der obersten Exekutive kein Eintrag geschieht.

Was nun die grosse Frage der Reorganisation des Bundesrates anbetrifft, so sehen wir zwei Anschauungen vertreten:

Die eine will bei der jetzigen Mitgliederzahl bleiben, die andere will zur Vermehrung auf neun schreiten.

1. Will man bei dem jetzigen Bestände bleiben, so stehen nur zwei Möglichkeiten offen. Die erste Möglichkeit besteht in der Einrichtung des sog. Systems Droz. Die zweite führt zum Wechsel der Präsidentschaft gleichzeitig mit dem des Politischen Departements. Das sog. System Droz führt zweifellos dazu, dass der Bundespräsident zu einem Schattenpräsidenten wird. Es war früher so und wird wieder so werden. Der Präsident sah die Diplomaten nur, wenn sie ihn gegen das Politische Departement ausspielen wollten. Nach der Bundesverfassung ist der Präsident nicht nur der Vorsitzende des Bundesrates, sondern Bundespräsident. Des Weitern ist es zweifellos, dass die Arbeitslast, die mit dem Zusammentreffen von Departementalverwaltung und Präsidentschaft eintreten wird, für mehrere Departemente eine zu grosse sein wird. Es ist nicht zu übersehen, dass nicht nur die Arbeit der Departemente, sondern auch die des Präsidiums zugenommen hat.

Wenn behauptet wird, dem Politischen Departemente mangle es an zielbewusster Führung, so mag darauf geantwortet werden, dass, wenn Fehler begangen worden sein sollten, diese ebenso gut unter dem System Droz, als unter dem jetzigen begangen worden sein dürften.

Gegen das System Droz bestehen indessen augenscheinlich bei den Räten wenig Bedenken. Die Sache ist schwierig zu entscheiden. Soviel scheint mir indessen gewiss zu sein, dass, wenn man bei den 7 Mitgliedern bleiben will, man auch bei dem jetzigen Verfahren des Wechsels im Politischen Departemente anlässlich der Übernahme der Präsidentschaft bleiben muss.

2. Nun ist der Vorschlag gemacht worden, die Mitgliederzahl auf 9 zu vermehren. Ich stehe diesem Vorschläge nicht unsympatisch gegenüber. Folgt man dem Vorschläge, so müsste die Präsidentschaft eine andere Gestalt bekommen. Wenn ein leitender Präsident geschaffen würde, könnte man ihm genug Arbeit geben. Es fiele ihm zu, alle einlaufenden Geschäfte eingehend zu prüfen. Er müsste für den rechtzeitigen Eingang wichtiger Geschäfte besorgt sein. Er hätte die nötige Musse, durch persönliches Eingreifen den Geschäften, wenn nötig, zur Erledigung zu verhelfen. Er wäre besser als bisher in der Lage, der Repräsentation vorzustehen. Er hätte immerhin jedes Jahr zu wechseln. Wenn ein richtig ausgebautes Präsidium vorhanden wäre, wäre auch ein ständiges Politisches Departement ohne grosse Gefährde. Wenn man sagt, ein Politisches Departement habe nicht genügend Arbeit, so kann man ja neben dem Handel auch die Polizei dem Politischen Departemente zuteilen. Die wichtigste Rolle in unsern Beziehungen zum Auslande spielen immerhin die wirtschaftlichen Beziehungen, weshalb es kein Zufall ist, dass die Gesandten am häufigsten beim Handelsdepartement vorsprechen. Es lässt sich, die Präsidentschaft ausgestaltet, wie ich es mir denke, nebenbei sicherlich eine gute und erspriessliche Organisation für die Departemente finden.

Es ist nicht anzunehmen, dass durch die Erhöhung der Mitgliederzahl die Kollegialität und die Einheit des Rates schaden leiden würde. Es wäre kein Nachteil, wenn auch andere Minderheitsgruppen zur Vertretung gelangen würden. Ob mit der Vermehrung der Zahl der Bundesräte auch zugleich die Frage der Volkswahl aufgerollt würde, scheint mir doch nicht zweifellos zu sein. Jedenfalls sollte sie, meines Erachtens, nicht vom Bundesrate aufgerollt werden. Die Volkswahl der Exekutive ist an und für sich gut; im Kanton Bern hat ihre Einführung nur gute Früchte gezeitigt. In der Eidgenossenschaft treten natürlich schwierige und komplexe Erwägungen in den Vordergrund. Die Möglichkeit will ich nicht bestreiten, dass die Verfassungsrevision, zu einem Teile angeregt, zu einer Gesamt-Verfassungsrevision führen kann.

Darauf möchte ich noch hinweisen, dass die ganze Reorganisationsarbeit nicht getan werden kann, ohne zugleich ein Beamtengesetz zu schaffen.

Zusammenfassend komme ich zu folgenden Schlüssen:

Die Frage der Reorganisation des Bundesrates ist noch nicht völlig spruchreif und es sollte die Entscheidung hierüber vertagt werden.

Die Entlastung - die durch innere, administrative Verfügungen sowohl, als auch die durch die Einführung des Verwaltungsgerichtes bedingte - kann durchgeführt werden.

Sollte die Vertagung der Reorganisation des Bundesrates nicht belieben, so würde ich mich für die Vermehrung der Mitgliederzahl auf neun aussprechen.

Herr Bundesrat Schobinger: Ich möchte auf die in Beratung stehenden Punkte mehr aus praktischen Erwägungen eingehen. Da sage ich mir denn vor allem, dass die Durchführung der Revision unserer Verfassung, welcher Art immer, eine schwierige Aufgabe sein wird. Es wird fürs erste lange Zeit dauern, bis der Entscheid der Räte gefasst sein wird. Dann wird es nicht leicht sein, dem Volke die Annahme der Vermehrung der Zahl der Bundesräte beliebt zu machen. Dieser Weg wird also lang sein und nicht sicher zum Ziele führen. Anderseits sind wir aber sicher, auf dem Boden der gegenwärtigen Verfassung eine Reihe von Verbesserungen durchführen zu können.

Vor allem ist wichtig, die Kompetenzen der Abteilungschefs zu ordnen. Ich kenne nun 4 Departemente und habe erfahren, dass auf diesem Gebiete weder Gleichmässigkeit, noch Übereinstimmung herrscht. Es besteht weder Gesetz, noch Verordnung, nichts, abgesehen vielleicht von einem ziemlich vag gehaltenen Bundesratsbeschlusse, als Tradition. Einzelne Abteilungen haben sozusagen kaum eine Fühlung mehr mit dem Departementsvorsteher. Dieses Gebiet muss in Ordnung gebracht werden, wobei man sehr wohl zugleich die Kompetenzen der Abteilungsvorsteher erweitern kann. Dadurch würde die gewünschte Entlastung sicherlich eintreten. An der Durchführung dieser Reform ist man meines Erachtens weder durch Gesetz noch Verfassung gehindert. Die Verfassungsvorschrift, der Bundesrat als solcher habe die Entscheidungen zu treffen, ist doch gewiss, zum mindesten in den letzten Jahren, nie buchstäblich interpretiert worden.

Die postulierte Entlastung der Departementschefs rücksichtlich der Vereinfachung im Rechnungswesen ist gleicherweise durch Anordnungen des Bundesrates möglich. Ebenso sehr könnte der Bundesrat von sich aus das Nötige Vorkehren, um eventuellen Übelständen, die im Verkehr der Departemente mit den Vertretern im Auslande vorhanden sein sollten, entgegenzutreten und in gewisser Beziehung mehr Konzentration und Kontinuität in der Behandlung der Geschäfte des Politischen Departements anzubahnen.

Wenn die Anordnungen des Bundesrates nicht genügen sollten, kann man immer noch an eine Verfassungsrevision denken.

Ich persönlich habe keine Bedenken gegen ein ständiges Politisches Departement.

Die Bundesverfassung kennt keinen Bundespräsidenten mit besonderen Kompetenzen; er ist grundsätzlich lediglich der Vorsitzende des Bundesrates, dessen Geschäfte formell er leitet. Die oberste Gewalt ist unpersönlich. Ich glaube daher nicht, dass die Einrichtung eines ständigen Politischen Departements dem Ansehen des Bundespräsidenten, wie ihn die Verfassung aufgefasst wissen will, nachteilig sein würde.

Das ständige Politische Departement würde dem jetzt notwendigen, leidigen Wechsel, bezw. der Wanderung des jüngsten Ratsmitgliedes abhelfen. Der Wechsel im Politischen Departemente hat Nachteile in Bezug auf das Verhältnis des Vorstehers zu seinen Beamten und in Bezug auf die von ihm auszuübende Autorität. Er hat Nachteile namentlich rücksichtlich der nicht wenig wichtigen Betätigung auf dem Gebiete der Gesetzgebung.

Ich bin daher nicht gegen die Einrichtung eines ständigen Politischen Departements, um so weniger, als dadurch dem hauptsächlichen Angriffspunkte auf die Verwaltung des Bundesrates begegnet werden kann. Dass diese Änderung unserer Einrichtungen gewisse Nachteile besitzt, ist mir natürlich wohl gegenwärtig. Von meinem Standpunkte aus würde ich also von einer Verfassungsrevision Umgang nehmen und sie allfällig nur auf die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit beschränken. Dagegen wüde ich dazu stimmen, diejenigen Reformen zu treffen, die auf Grund der bestehenden Verfassung zum Zwecke der Entlastung der Departementschefs in unserer Verwaltung und von uns aus angeordnet werden können. Wir haben beim Postdepartemente starke Entlastung des Departementschefs durchgeführt, ähnlich wird man auch bei ändern Departementen vorgehen können.

Herr Bundesrat Hoffmann: Im Schosse des Bundesrats kann ich mich weniger auf praktische Erfahrung in der administrativen Verwaltung der obersten Behörde berufen, dagegen stehe ich vielleicht den Strömungen in den Räten noch etwas näher. Die Stimmung ist im jetzigen Zeitpunkte so, dass, wenn der Bundesrat die gewünschten Reformen nicht von sich aus durchführt, sie von den Räten gegen den Bundesrat durchgeführt werden. Ursprünglich unterschied sich die Kommission des Ständerates in der Auffassung von derjenigen des Nationalrates; das ist nun anders geworden und beide Kommissionen vertreten grundsätzlich dieselben Gesichtspunkte.

Nach meiner Auffassung wird der Bundesrat gut daran tun, mit seiner Arbeit von unten anzufangen, und vor allen Dingen die mögliche und gewünschte Reform in der Verwaltung zur Entlastung der Departementschefs zur Ausführung bringen, das heisst also die vorgesehene Vereinfachung im Rechnungswesen und vor allem die vorgesehene Vermehrung der Kompetenzen der Abteilungschefs. Ich glaube nicht, dass durch eine solche Vermehrung dem Departementschef der Überblick über die Geschäfte seines Departements verloren gehen werde. Man kann zum Vergleiche die Anordnungen heranziehen, die grosse Industriebetriebe eingeführt haben, um der obersten Geschäftsleitung eine fortdauernde Einsicht in die Abwicklung der einzelnen Geschäfte und dadurch die Beherrschung des Betriebes zu ermöglichen.

Im Anschlüsse an diese Massnahmen ist an die vorgesehene Einführung der Verwaltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit zu erinnern. Ich verweise auf den neuesten Bericht des Justizdepartements, auf dessen Inhalt ich heute nicht näher eintreten möchte, von dem ich aber ohne weiteres annehmen darf, dass er die Überzeugung verschaffen wird, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine wesentliche Erleichterung bringen wird.

Des weitern ist die Novelle zur Organisation der Bundesrechtspflege anzuführen. Auch sie wird die Ursache einer Verbesserung werden.

Man darf daher in der Beurteilung nicht vom heutigen Zustande ausgehen, sondern man muss sich vergegenwärtigen, wie die Verhältnisse in der Zukunft aussehen werden.

Immerhin glaube ich, dass man nicht ohne die Revision von Art. 103 der B.V. auskommen kann. Eine Übertragung wichtiger Entscheidungsbefugnisse auf die Abteilungschefs ist nicht im Einklang mit Art. 103.

Was nun die Beurteilung der Reform des Politischen Departements anbetrifft, so stehe ich nach einer Richtung grundsätzlich auf dem Standpunkt, den Herr Bundesrat Comtesse vertritt. Ich will nicht auf die einzelnen, kritisierten Vorfälle eintreten. Für mich geht es aus der Natur der Dinge hervor, dass die Geschäfte des Politischen Departements derselben kontinuierlichen Bearbeitung bedürfen, wie die Geschäfte eines jeden ändern Departements. Der Bundesrat als solcher kann praktischerweise nicht, wie gesagt wird, die auswärtigen Geschäfte leiten, dies muss ein Einzelner tun. Der Bundesrat als Gesamtbehörde kann in diesem oder jenem Falle seine Entscheidung abgeben. Allein er tut es wohl, in der Regel, ohne die Möglichkeit des Aktenstudiums zu haben, auf den Vortrag des Departementschefs. Dieser ist es, der die Angelegenheit im Einzelnen kennen und für die Entscheidung den grösseren Teil der Verantwortung, wie sich das von selbst ergibt, tragen muss. Die Bestellung eines ständigen Leiters unserer politischen Geschäfte ist daher durchaus nötig. Wir sind ja gewiss ein kleines Land, allein auch wir haben grosse wirtschaftliche Interessen zu verfechten. Die Nachteile, die dem sog. System Droz nachgesagt werden, sind keine solchen, die diesem sogenannten System als solchem zur Last gelegt werden können.

In Bezug auf die Beurteilung der Bundespräsidenten-Qualität stehe ich auf dem Standpunkte, den Herr Bundesrat Schobinger eingenommen hat. Der Bundespräsident hat als solcher keine besondere Stellung. Er ist als Mitglied des Bundesrates der Leiter der Verhandlungen. Es ist auch anzunehmen, dass die Übernahme der Präsidentschaft zugleich mit der Verwaltung eines jeden Departements möglich sein wird, wenn die angestrebte Entlastung der Departementschefs durchgeführt sein wird.

Im weitern habe ich gegenüber den Vorschlägen des Herrn Bundesrat Comtesse, sofern er über meine Ausführungen hinausgeht, entschieden Bedenken. Die Schaffung eines besonderen Präsidialdepartements würde zu Konflikten Anlass geben. Dies dann, wenn der Präsident seinen Einfluss auf die Geschäfte anderer Departemente geltend zu machen suchen würde. Würde gegenteils die Einflusssphäre des Präsidialdepartements klein umschrieben, so führte dies zu einer Sinekure.

Die Zahl der Mitglieder auf 9 zu erhöhen, wird nicht möglich sein. Das Verhältnis zu den Italienisch-Sprechenden, zu Welschen und Deutschschweizern, zu den Kantonen und Parteien würde uns in Schwierigkeiten bringen, denen man schwerlich gewachsen sein würde.

Also man beginne mit der Entlastung, wie eingangs ausgeführt wurde, und im übrigen versuche man es mit der Schaffung eines ständigen Politischen Departements.

Herr Bundespräsident Ruchet: Ich glaube, dass die Ausführungen auf Seiten 6 und 7 des Berichtes von Herrn Bundesrat Comtesse richtig sind. Es wird möglich sein, ohne weiteres die Vorsteher der Departemente zu entlasten, besonders wenn die Einrichtung des Verwaltungsgerichtes in Betracht gezogen und die Novelle zur Organisation der Bundesrechtspflege berücksichtigt wird. Es frägt sich, ob diese Erleichterungen genügen werden, um, wie es allgemein gewünscht wird, den Departementschefs Zeit und Musse zum Studium der wichtigen Vorlagen ihres Departements zu ermöglichen. Ich glaube ja. Ich wäre daher geneigt, im wesentlichen der von Herrn Bundesrat Schobinger vertretenen Ansicht zu folgen, auf dem Boden der jetzigen Verfassung so weit als möglich die Verbesserungen in der Verwaltung anzubringen.

Mit einer Vermehrung der Zahl der Bundesräte kann ich mich nicht einverstanden erklären. Der kritische Ausspruch «wir haben keinen Bundesrat, sondern nur 7 Bundesräte» würde noch mehr Geltung bekommen bei einer Vermehrung der Mitgliederzahl. Überdies würden sich im Rate Gruppen bilden; die Einheit ginge verloren. Die Verschiedenheit der Sprachen, der Parteien, der wirtschaftlichen Interessengruppen u.s.w. würde die gerechte Bestellung der obersten Behörde zu einer Unmöglichkeit machen. Das System der 9 Mitglieder entspricht nicht dem Gedankengange, wie er von der Verfassung von 1848 ausgegangen ist. Nach diesem war eine einheitliche, geschlossene Körperschaft und die Unpersönlichkeit der obersten Gewalt vorgesehen. Mit 9 Mitgliedern hätte man ein Präsidialdepartement, dessen Inhaber schlimmer als ein Schattenkönig wäre.

Wenn eine Entlastung, wie sie vorgesehen ist, vorgenommen wird, so glaube ich, dass den Anforderungen Genüge getan und der Ruf nach Reorganisation, der nicht vom Volke, sondern von einigen Mitgliedern des Parlaments ausgeht, verstummen wird.

Wenn wir 9 Mitglieder vorschlagen, so wird es in verschiedenen Dingen eine gründliche Änderung geben.

Mit einer Volkswahl des Bundesrates bin ich nicht einverstanden. Im Grunde genommen ist doch die Bundesversammlung die kompetente Wahlbehörde.

Was die Anregung eines ständigen Politischen Departements betrifft, so gründet sie sich auf den Vorwurf mangelnder Kontinuität in der Geschäftebehandlung und auf die Kritik einiger Vorgänge (Mehlzoll, deutsch-schweizerischer Niederlassungsvertrag u.s.w.). Im wesentlichen tut man indessen in der Kritik dem Bundesrate unrecht.

Es mag sein, dass hinwiederum seitens einzelner Departemente in Bezug auf die Mitwirkung des Politischen Departements bei der Erledigung der auswärtigen Geschäfte gefehlt wird. Man sollte den Mitbericht des Politischen Departements, sobald es sich um Beziehungen mit dem Auslande handelt, regelmässiger einfordern. Einzelne Departemente handeln korrekt, in ändern Fällen wurde schon sehr eigenmächtig vorgegangen. Wenn in dieser Richtung Sorgfalt angewendet wird, so bedarf es keines ständigen Politischen Departements. Die tatsächlichen Verhältnisse werden den Inhaber immer, selbst ohne dass er es will, in eine präponderierende Stellung bringen und den Bundespräsidenten zu einem verminderten Ansehen verurteilen.

Die Frage einer Delegation für die auswärtigen Geschäfte, die aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und dem ab tretenden Präsidenten zu bestehen hätte, ist nicht diskutiert worden. Mir persönlich würde die Idee gefallen. Es wäre dann allerdings gut, der Delegation einen erfahrenen, gut besoldeten Juristen beizugesellen, der die rechte Hand der Delegation wäre und die Tradition zu wahren hätte. Es wäre gewiss der Prüfung wert, ob nicht ein solches Organ Schätzungswerte Dienste leisten könnte.

Herr Bundesrat Comtesse: Ich kann manches unterschreiben, was gesagt worden ist. Vor allem liegt auch mir daran, die gute Kollegialität, die vielleicht grösser ist als in früheren Jahren, aufrecht zu erhalten.

Zur Sache selbst möchte ich noch beifügen, dass nach meiner Überzeugung gesagt werden muss: Der Bundesrat arbeitet, aber er kommt nicht vorwärts. Schon seit drei Jahren schwebt die Reorganisationsfrage, sie ist indessen nicht weit vorgerückt; die parlamentarischen Kommissionen erwarten unsern Bericht. Die versprochene Organisation des Eisenbahndepartements ist nicht erledigt. Die Ausländerfrage steht vor der Türe. Wir sind für eine Reihe neuer Gesetze verantwortlich, die wir noch nicht vorgelegt haben und doch vorlegen sollten. Als Grund gaben wir an, wir seien überlastet. Nun antwortet man uns, wir sollen der Überlastung abhelfen und mit Vorschlägen kommen. Das müssen wir daher tun.

Es gibt Abhilfsmittel: Erstens die Erleichterung im Rechnungswesen, zweitens die Ausscheidung der Kompetenzen. Das erste wird sich leicht machen lassen. Das zweite ist schon schwieriger. In den Organisationen der einzelnen Departemente herrscht keine Übereinstimmung. Es ist daher ein einheitliches Organisationsgesetz für den Bundesrat und die einzelnen Departemente notwendig. Diese Organisation wird verschiedene Gesetze berühren, weshalb es notwendig sein wird, an die eidg. Räte zu gelangen.

Dass die Verwaltungsrechtspflege und die Novelle zum Organisationsgesetze der Bundesrechtspflege Abhilfe schaffen werden, scheint mir klar zu sein.

Die Hauptentscheidung wird aber immer darin liegen: wollen wir eine Reform des Politischen Departements?

Die Wanderung des jüngsten Ratsmitgliedes durch verschiedene Departemente ist entschieden unwürdig. Wollen wir die gegenwärtige Zahl der Mitglieder des Bundesrates beibehalten und trotzdem ein ständiges Departement schaffen? Ich habe nur deshalb gezögert, diese Frage unbedingt zu bejahen, weil mir erklärt wurde, dass einzelne Departementschefs vor der Unmöglichkeit stehen, die Präsidentschaft zu führen und zugleich ihr Departement zu verwalten. Indessen wird man die Räte und die öffentliche Meinung nicht überzeugen können, dass das, was für jedes andere Departement gut ist, nicht auch für das Politische Departement gut sein muss.

Das Politische Departement ist, so wie es organisiert ist, kein geeignetes Werkzeug, um dem Bundesrate zu ermöglichen, die ihm übertragene Entscheidung in voller Verantwortung zu treffen. Es kann sich nicht darum handeln, die Zahl unserer Vertreter im Auslande zu vermindern. Keinswegs. Unsere wirtschaftlichen und Handels-Interessen sind von solcher Wichtigkeit, dass es nötig werden wird, die Aufgabe unserer Vertreter anders zu gestalten und aus ihnen taugliche Vertreter unserer wirtschaftlichen Interessen zu schaffen.

Die Verhältnisse auf dem Politischen Departement sind keineswegs einwandfrei. Es liesse sich dies an einer Reihe von Beispielen beweisen. Wenn nicht mehr Ungeschicklichkeiten vorgekommen sind, so liegt dies nicht an der Vorzüglichkeit der Organisation des Politischen Departements, sondern weil wir eben Glück gehabt haben. Man hat das Gefühl der Unsicherheit. Und wenn es heisst, man wolle Ordnung in der Behandlung der auswärtigen Geschäfte herbeiführen, so sage ich: es ist nicht möglich, weil die Institution hiezu nicht tauglich ist.

Wenn der Bundesrat auf die Vermehrung der Mitgliederzahl nicht eintreten will, so will ich mich nicht darauf versteifen. Übrigens kann die Volkswahl der Bundesräte sowohl bei 7 als auch bei 9 Mitgliedern verlangt und eingeführt werden. Es wäre eine weitsichtige Politik gewesen, auch den Minderheiten ausgiebigere Möglichkeit zu verschaffen, an der Executive teilnehmen zu können. Die Gefahren, welche die Einführung einer vermehrten Mitgliederzahl des Bundesrates in sich schliesst, will ich indessen nicht verkennen.

Wenn eine Reorganisation des Politischen Departements erreicht und auf die gleiche Form gebracht wird, wie die ändern Departemente, so kann ich mich auch zufrieden erklären.

Herr Bundespräsident Ruchet geht nun zur Abstimmung über.

Er nimmt an, dass die auf S. 6 und 7 des Berichtes des Herrn Bundesrat Comtesse enthaltenen Anregungen unwidersprochen geblieben sind und daher die Zustimmung des Rates gefunden haben. Gegen diese Auffassung wird keine andere geltend gemacht.

Es wird hierauf abgestimmt: Vermehrung der Zahl der Bundesratsmitglieder oder nicht.

Für Vermehrung stimmen zwei Mitglieder (die HH. Comtesse und Müller), dagegen die übrigen.

Herr Bundesrat Deucher erklärt, dass er heute sich nicht durch Abstimmung entscheiden könne. Er wäre indessen geneigt, wenn gewisse Kautelen geboten würden, auf die Vorschläge eines Polit. Departements einzutreten.

Herr Bundesrat Forrer glaubt nicht, dass zurzeit alle Departemente mit der Departementalverwaltung zugleich die Präsidentschaft werden führen können. Doch schliesslich wird man sich in irgend einer Weise einrichten können oder müssen.

An der Notwendigkeit der Revision von Art. 103 der B.V. hält er fest.

Hierüber solle abgestimmt werden.

Es wird zunächst darüber abgestimmt, ob ein ständiges Politisches Departement in Aussicht genommen werden soll oder nicht.

Für ein ständiges Politisches Departement stimmen 4 Mitglieder, dagegen 2 (HH. Forrer und Müller).

Herr Bundesrat Deucher hat sich der Stimme enthalten.

Herr Bundesrat Müller wäre der Ansicht, hier abzubrechen und dem Berichte des Herrn Comtesse über alle in der Diskussion aufgeworfenen Punkte entgegenzusehen.

Herr Bundesrat Forrer erklärt, dass er sich seine definitive Stimmgabe in Bezug auf das Verwaltungs- und Disziplinargericht Vorbehalte.

Herr Bundesrat Deucher erklärt, er habe sich der Stimmabgabe enthalten. Wenn er aber sehe, dass durch die geplante Entlastung die Möglichkeit geschaffen werde, dass jedes Mitglied die Präsidentschaft führen könne neben der Departementalverwaltung, wenn überhaupt die richtigen Kautelen geboten werden, so wird er der Neuordnung nicht entgegentreten.

Herr Bundesrat Forrer glaubt, dass es richtig wäre, wenn über seinen Antrag betreffend Revision von Art. 103 abgestimmt würde.

Herr Bundespräsident Ruchet lässt demnach abstimmen.

Vier Mitglieder stimmen für die Notwendigkeit der Revision von Art. 103 B.V.

Drei Mitglieder stimmen dagegen.

Es wird indessen auf die Abstimmung zurückgekommen und abgestimmt: ob über die Revision von Art. 103 entschieden werden soll, oder ob Herr Bundesrat Comtesse eingeladen werden soll, die Revisionsfrage in seinem Berichte zur Diskussion zu stellen.

Für die letztangeführte Alternative stimmen 4 Mitglieder, während 2 Mitglieder sich für sofortige Entscheidung ausgesprochen haben.

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E 1004 1/245. Comtesse führte in dem Begleitschreiben vom 30. Juni 1911 zu seinem Reformbericht aus, die Angelegenheit müsse nun behandelt werden, weil die nationalrätliche Kommission ihren Bericht in der Dezembersession vorlegen möchte.