dodis.ch/42828 Sitzung der Delegation des Bundesrates für Eisenbahngeschäfte betreffend Massnahmen zu Gunsten des Frasne-Vallorbe-Projektes12

Herr Bundesrat Zemp eröffnet die Sitzung, indem er mitteilt, dieselbe sei einberufen worden, um auf ein Gesuch des Staatsrates des Kantons Waadt einer Abordnung des letzteren Audienz zu erteilen.

Herr Staatsrat Decoppet erklärt, die Audienz habe den Zweck zu erfahren, welche Schritte der Bundesrat zu tun gedenke, um das Projekt einer Bahnverbindung von Frasne nach Vallorbe zu fördern. Bekanntlich seien Volk und Behörden des Kantons Waadt, die sich in namhafter Weise am Simplon beteiligten, der Ansicht, dass Frasne-Vallorbe den Schlusstein zum Simplon-Unternehmen bilden müsse. In neuester Zeit seien aber ab Seite Genfs Schritte getan worden, die geeignet wären, dem Projekt des Faucille-Durchstichs zu Ungunsten des Projektes Frasne-Vallorbe Vorschub zu leisten, sodass man in der Waadt etwas unruhig geworden sei und gerne wüsste, was der Bundesrat vorzukehren beabsichtige. Vielleicht wäre es angezeigt, Herrn Minister Lardy in Paris mit den nötigen Schritten zu beauftragen, um die Frage der Erteilung der französischen Konzession für Frasne–Vallorbe ihrer Lösung entgegenzuführen.

Herr Bundesrat Zemp erwidert, dass der Bundesrat von jeher das Frasne– Vallorbe-Projekt unterstützt habe und auch heute noch der Meinung sei, dass eine Linie durch die Faucille den schweizerischen Interessen schaden müsste. Nachdem aber die Bundesversammlung die Konzession für die schweizerische Strecke von Vallorbe bis zur Grenze erteilt hatte3, musste auf unserer Seite abgewartet werden, ob die P.L.M. die Konzession für die französische Strecke ebenfalls verlangen werde. Die Initiative habe von dieser Gesellschaft auszugehen. Der Bundesrat habe immerhin Herrn Minister Lardy informiert und der Jura-Simplon-Direktion zu Händen der P.L.M. hievon Kenntnis gegeben. Hierauf habe sich Herr Dervillé, der Präsident des Verwaltungsrates der P.L.M., auf Veranlassung des Herrn Ruchonnet, zu Herrn Minister Lardy begeben. Aus dem Bericht des schweizerischen Gesandten4 gehe hervor, dass die P.L.M. den bestimmten Willen habe, Frasne–Vallorbe zu bauen und das Faucille-Projekt abzulehnen. Dieser Bericht sei als konfidentiell zu betrachten und es müsse daher auch an die HH. Mitglieder der Deputation das dringende Gesuch gestellt werden, die Mitteilungen, die ihnen auf Grund des Berichtes des Herrn Lardy gemacht werden, für sich zu behalten.

Herr Vizepräsident Comtesse liest auf Einladung des Herrn Vorsitzenden denjenigen Teil des Berichtes des Herrn Lardy vom 29. Januar 1902 vor, der von der Unterredung mit Herrn Dervillé handelt. Er fügt die Bemerkung bei, dass aus dem Berichte hervorgehe, dass das Gesuch der P.L.M. um Erteilung der französischen Konzession, beziehungsweise um Abschluss einer «Convention» schon gestellt sei, sodass man nun Herrn Lardy beauftragen könnte, sich mit Herrn Delcassé in Verbindung zu setzen und die Unterhandlungen für den Abschluss eines Staatsvertrages einzuleiten.

Herr Bundesrat Brenner glaubt, die Initiative müsse der P.L.M. überlassen bleiben. Man könne höchstens bei der französischen Regierung das Gesuch stellen, sie möchte das Begehren der Bahngesellschaft mit möglichster Coulanz und Beförderung behandeln. Sodann teilt er noch mit, dass der Bundesrat von dem Vorgehen der Genfer Deputation Kenntnis gehabt habe. Er habe aber nicht verhindern können, dass sie von Herrn Präsident Loubet empfangen wurde, sondern sich darauf beschränken müssen, durch Herrn Lardy dem französischen Minister des Äussern, Herrn Delcassé, mitteilen zu lassen, dass Herr Didier, und seine Begleiter keinerlei Mission von der schweizerischen Regierung haben.

Herr Vizepräsident Comtesse zitiert die Stellen des Berichtes Lardy, aus denen hervorgeht, dass die Initiative zur Erlangung der französischen Konzession von der P.L.M. schon ergriffen worden ist.

Herr Staatsrat Decoppet verdankt Namens der Deputation die Mitteilungen und bemerkt, dass der Bund als Nachfolger der Jura-Simplon-Bahn ein grosses Interesse daran haben dürfte, dass diese Angelegenheit bald erledigt werde.

Herr Bundesrat Zemp erklärt, dass der Bundesrat nunmehr, da die P.L.M. sich erwiesenermassen um die Konzession für den französischen Teil der Linie Frasne–Vallorbe beworben habe, sich veranlasst sehen werde, durch Herrn Minister Lardy bei Herrn Delcassé vorstellig zu werden und die französische Regierung zu ersuchen, dem Begehren der P.L.M. mit möglichster Beschleunigung zu entsprechen, da der Bund auf l.Mai das Netz der J.S. übernehme und ein Interesse daran habe, dass der Vertrag, den diese Gesellschaft mit der P.L.M. abschloss, noch vor dem 1. Mai perfekt werde.

Zum Schlüsse wiederholt der Herr Vorsitzende die dringende Mahnung an die Mitglieder der Deputation, ausser der Mitteilung, dass die P.L.M. am Frasne–Vallorbe-Projekt festhalte und dass auch die Stimmung in Frankreich günstig zu sein scheine, nichts von dem heute Vernommenen verlauten zu lassen.

Herr Staatsrat Decoppet gibt namens der Deputation die Erklärung ab, dass sie strengste Diskretion zu wahren wissen werde.

1
Etaient présents: les Conseillers fédéraux Zemp, président, Comtesse et Brenner et les Conseillers d’Etat du Canton de Vaud Virieux, Duboux, Decoppet. Le document est signé: Zemp et Muggli, secrétaire de la division des chemins de fer.
2
E 8001 (B) 3/4.
3
Cf. PVCN du 8 décembre 1902 (E 1001 (c) d 1/142, no 28).
4
Non reproduit.