dodis.ch/42776 Le Ministre de Suisse à Berlin, A. Roth, au Président de la Confédération et Chef du Département politique, E. Brenner1

Der Entwurf zu einem neuen deutschen Zolltarif ist vor einigen Tagen dem deutschen Bundesrathe zugegangen und gegen Ende des Jahres (momentan heisst es gegen Ende November) soll derselbe an den Reichstag geleitet werden, zur verfassungsmässigen Beschlussfassung.

Ob dieser Entwurf, den Intentionen der kaiserlichen Regierung gemäss, bis dahin wird geheim gehalten werden können, bleibt abzuwarten. Da derselbe nunmehr behufs Feststellung der sachbezüglichen Instructionen für die Bundesraths-Bevollmächtigten von diesen letzteren den betreffenden Bundesregierungen mitgetheilt werden wird, und da Presse-Meldungen zufolge, bei einzelnen dieser Regierungen die Absicht walten soll, den Tarif noch zum Gegenstände gründlicher Berathungen mit den Hauptinteressenten etc. zu machen, ist es nicht ausgeschlossen, dass schon vor dem obengedachten Termin dies und jenes über die Ökonomie und auch über die einzelnen Positionen des Tarifs in die Öffentlichkeit durchsickern werde.

Bis jetzt ist die Geheimhaltung der Vorarbeiten zu dem Tarif und des Inhalts der successive aus- und umgearbeiteten Entwürfe aufs peinlichste gewahrt worden und haben wir, fremde Missionschefs, uns wiederholt überzeugen müssen, dass jeder Versuch, Positives und Zuverlässiges über die materielle Sachlage in Erfahrung zu bringen, absolut aussichtslos wäre.

In meinen frühem Unterhaltungen mit dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Baron von Richthofen, und mit dem Direktor der Handels-Abtheilung, H. von Koerner, glaubte ich mich denn auch aller und jeder direkten Fragestellung betreffend Einzelheiten des zu gewärtigenden Tarifs enthalten und mich vielmehr auf ganz allgemein gehaltene Bemerkungen und Desiderien beschränken zu sollen. Was ich auf diesem Wege erfahren, habe ich dem eidgenössischen Handels-Departement successive berichtet2.

Mittlerweile und zwar in der allerletzten Zeit hat nun bekanntlich hier, in Berlin, eine von dem Reichskanzler, Graf von Bülow, einberufene, von den leitenden Vertretern der Regierungen der grössern deutschen Bundesstaaten besuchte Conferenz stattgefunden, in welcher die vom Reichsschatzamt festgestellte Tarif-Vorlage noch einer allgemeinen Berathung unterzogen wurde. Das Ergebnis dieser abschliessenden Vor-Verhandlungen ist aber seitens der mitbetheiligten Ressorts und der übrigen Conferenz-Delegierten erneuert streng geheim gehalten worden. Aus den sachbezüglichen Vernehmlassungen der Presse und dann auch aus diesen und jenen gelegentlich hingeworfenen Andeutungen der mir bekannten Beamten der betheiligten Ressorts und Mitglieder des Bundesraths glaube ich indes immerhin den Schluss ziehen zu können, dass die intransigenten Agrarier durch das, was sie über das Ergebnis dieser conferenziellen Verhandlungen erfahren haben, in ihren Hoffnungen erheblich herabgestimmt worden sind und dass der im entgegengesetzten Lager vertretene Standpunkt, wonach mit allen nur irgendwie zulässigen Mitteln darnach getrachtet werden soll, die Tariffrage so zu erledigen, dass dem Abschluss neuer Handelsverträge keine ernsteren Hindernisse in den Weg gelegt werden, als für die definitive Bereinigung des Tarifs massgebend anerkannt wurde. Die Einführung eines Doppel-Tarifs, als System und anwendbar für die ganze Ökonomie des neuen Tarifs, dürfte zweifellos endgültig aufgegeben worden sein. Dagegen scheint man den Agrariern allerdings insoweit entgegengekommen zu sein, dass man für diverse landwirtschaftliche Artikel Minimalsätze zugestand, unter die bei den Vertragsverhandlungen nicht gegangen werden soll; doch sollen diese Minimalsätze nicht in der Höhe Gnade gefunden haben, wie es die Agrarier verlangen zu müssen glaubten. Möglich, dass auch für einzelne Industrie-Artikel Minimalsätze beliebt waren; jedenfalls werden es aber, bejahenden falls, deren nur sehr wenige sein und kann man also im grossen und ganzen den Doppel-Tarif, wie schon bemerkt, füglich als abgethan betrachten.

Was speciell die Neuordnung der handelspolitischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz betrifft, hat der Staatssecretär des Auswärtigen Amts, Baron von Richthofen, sich letzter Tage mir gegenüber vertraulich wie folgt ausgesprochen:

«Sie, in der Schweiz» – sagte er, als ich auf die bewussten Minimal-Ansätze anspielte – «werden durch das, was kommen wird, kaum empfindlich tangiert werden. Und wenn im übrigen in dem neuen Tarif diverse Positionen erhöht worden sind, so ist damit ja keineswegs ausgeschlossen, dass diese Ansätze auf dem Verhandlungswege in Sie zufriedenstellender Weise wieder ermässigt werden können. Mein Eindruck ist, dass unsere Verhandlungen mit Ihnen ganz glatt verlaufen werden und dass aus denselben ein Vertrag resultieren wird, der von dem jetzt bestehenden Vertrage sehr wenig ab weichen dürfte.»

So viel für heute über die dermalige handelspolitische Situation, soweit dieselbe für uns von besonderem Interesse ist.

[...]3

1
Rapport politique: E 2300 Berlin 14.
2
Cf. E 13 (B)/161.
3
Suivent des considérations sur les remplacements dans le gouvernement de la Prusse.