dodis.ch/41167 Le Président de la Confédération, W. Naeff, au Commissaire fédéral dans le Canton du Tessin, E. Bourgeois-Doxat1

Nachträglich zu meiner telegraphischen Depesche2 sende ich Ihnen nun auch noch eine Kopie des Bundesbeschlusses vom 27. November 1848.3 Es ist für baldige Beendigung der Grenzsperre sehr nothwendig, dass schnell und mit Strenge dieser Beschluss mit der Modification, wie sie in der Antwort des Bundesrathes v. 22. Februar 18534 enthalten ist, vollzogen werde. In meinen Notizen, die ich Ihnen bei Ihrer Abreise übergab, ist ein Irrthum enthalten, indem ich nur von einer Internirung über den Monte Ceneri sprach. Das geht nach obigen Beschlüssen nicht mehr. Der Bundesrath will vielmehr Ausweisung aller Flüchtlinge aus dem Kanton und zwar, um sicher zu seyn, dass sie an der Grenze nicht wieder zurückkehren, in polizeilichem Begleit bis Luzern.

Es giebt Klassen von Flüchtlingen:

1. Alte, die eine Bewilligung vom Bundesrath oder vom Repräsentanten hatten. Hier ist zu prüfen, ob die Ausnahme noch fortdauern darf. Anfrage beim Bundesrath, wenn Sie im Zweifel sind. Gegenüber von Österreich bilden diese Ausnahmen den einzigen Anstand, den wir grundsätzlich noch mit Österreich haben. Dieses will, dass alle ausgewiesen werden. Man muss daher nicht zu viele Ausnahmen und nur ganz wohl begründete dulden.

2. Alte, die keine Bewilligung haben, aber sich beim Attentat in Mailand nicht betheiligt haben. Diese sind mit polizeilichem Begleit nach Luzern zu schiken.

3. Alle, die im Kanton wohnten, mit oder ohne Bewilligung, die sich an dem Attentat betheiligt haben. Für diese hat der Bundesrath den Grundsatz ausgesprochen, dass sie zwar aus der Scftwe/z weggewiesen werden sollen. Aber vorher werden sie noch zur Strafe eingeleitet wie Mosker.

4. Neue italienische Flüchtlinge, kommen sie aus der Lombardie oder aus Piemont, sind im Kanton nicht aufzunehmen, also viel weniger zu dulden. Wenn die Humanität nicht gestattet, dass sie an der Grenze zurückgewiesen werden (namentlich in die Lombardie zurück), so sind auch diese in das Innere der Schweiz zu schicken.

Der Untersuch über Schuld oder Nichtschuld der Behörden des Tessin, über Waffendépots, über Proclamationen, muss allerdings auch stattfinden. Aber weitaus das Dringendste ist, dass nach obigen Grundsätzen mit den Flüchtlingen verfahren werde. Es würde die Sache viel zu sehr verzögern, wenn Sie vorher einen Etat wollten aufnehmen lassen, oder wenn Sie in Fällen, die nicht zweifelhaft seyn können, den Bundesrath anfragen wollten.

Über die Truppenhäufung bin ich ohne Besorgnis, wenn in der Flüchtlingspolizei rasch und selbst mit einigem Aufsehen vorgeschritten wird. Ohne dass man uns weitere Zumuthungen stellt, oder droht und ohne, dass Frankreich mit einer Besetzung des Tessins einverstanden ist, wird sie auch nicht stattfinden. Von Frankreich hören wir aber noch von Nichts dergleichen.

Ich ersuche übrigens, meine Berichte immer nur [als] individuelle Räthe und Ansichten zu betrachten und nicht als neue Instruktionen.

1
Lettre: E 2/354.
2
E 2/402.
3
Cf. No 1, annexe.
4
E 2/353.