dodis.ch/41049 Propositions du Chef du Département politique, J. Furrer, au Conseil fédéral1

Vor einiger Zeit wurde ein Gesuch der französischen Regierung2 um Internirung der französischen Flüchtlinge in ablehnendem oder eigentlich in suspensivem Sinne beantwortet3, weil die Regierung von Genf jedes unruhige Verhalten derselben widersprochen hatte.4 Seither beklagt sich die französische Regierung neuerdings5, weil aus täglichen Berichten hervorgehe, dass die Flüchtlinge eine grosse Ursache der Agitation für die benachbarte Bevölkerung bilden. Ein Beweis über specielle Thatsachen wurde nicht geführt, sondern die französische Gesandtschaft hob die Nothwendigkeit und die allgemeine Anerkennung des Princips der Internirung hervor, sowie die Glaubwürdigkeit der amtlichen Berichte und den Umstand, dass unter den Flüchtlingen sich viele einflussreiche Personen befinden, Mitglieder der Kammer und Journalisten. Hierauf gestützt wird wiederholt die Internirung der französischen und italienischen Flüchtlinge verlangt.

Es ist vor allem nicht zu läugnen, dass die Schweiz in neuerer Zeit wiederholt den Grundsatz der Internirung geltend machte, wenn eine ziemliche Anzahl von Flüchtlingen sich in der Nähe der Grenze ansiedelte und zwar auch dann, wenn nicht gerade ostensible Conspirationen Vorlagen. Denn es liegt allerdings in der Natur der Sache, dass dieser Umstand bedeutende Beunruhigung verursachen muss und dass ein neutrales passives Verhalten aller dieser Leute wegen ihrer Vergangenheit und Zukunft undenkbar ist, indem ihr ganzes Heil in einer Veränderung der staatlichen und socialen Zustände beruht. Die mindeste Folge ist die, dass die Nachbarstaaten zu permanenten, ausserordentlichen militärischen oder polizeylichen Maassregeln genöthigt werden, die wir in ihrer Stellung wohl auch nicht dulden würden und die immer wieder nachtheilig auf die Schweiz zurükwirken. Abgesehen ferner von der principiellen Bedeutung der Sache liegen für Genf noch besondere Momente vor, welche eine Internirung mehr als anderswo rechtfertigen, nämlich:

1. Genf ist vor ganz Europa als ein Hauptsitz der politischen und socialen Propaganda bezeichnet und wenn auch vielleicht eine Übertreibung hierin liegen mag, so ist die Sache nicht aus der Luft gegriffen, wenn man die geographische Lage der Stadt, ihre Bevölkerung, den steten Aufenthalt von Koryphäen der Revolution und die augenscheinliche Tendenz der Regierung betrachtet, diesen Leuten allen möglichen Vorschub zu leisten und dadurch sowie überhaupt antineutral zu wirken und die Schweiz in den Strom der europäischen Bewegung hineinzureissen.

2. Es ist notorisch, dass in Genf ein socialistischer Klubb sich gebildet hat unter dem Vorsitz von Galeer. Wie der französische Socialismus aufgefasst wird, weiss man aus den verschiedenen Revolutionsversuchen und bis jetzt hat sich noch nicht gezeigt, dass solche Klubbs den socialen Gebrechen durch Vorlegung rationeller Principien aufzuhelfen verstehen, wohl aber, dass sie durch Aufreizung der Besitzlosen gegen die Besitzenden die bestehenden Verhältnisse zu untergraben suchen. Auch für unsre inneren Verhältnisse ist es daher sehr gefährlich, diese Clubbs mit den Häuptern der Juni-Revolution in steter und täglicher Verbindung stehen zu lassen.

3. Die beständigen amtlichen Berichte der französischen Behörden können nicht grundlos seyn, theils weil sie eine bedeutende innere Wahrscheinlichkeit haben, theils weil sie durch vielfache Privatberichte glaubwürdiger Privatpersonen bestätigt werden.

Diesem allem gegenüber kann der ganz negative Bericht der Regierung von Genf6 nicht von erheblicher Bedeutung seyn, theils weil er offenbar allzu negativ ist, theils weil die Regierung vielleicht von manchem keine Kenntnis erhält, oder weil sie vom Missbrauch des Asyls einen eigenthümlichen Begriff hat. Wenn man erwägt, dass sie ausgewiesenen Flüchtlingen gleichwohl den Aufenthalt gestattet, dass sie kein Bedenken trägt, dem Treiben Heinzens und Mazzinis ruhig zuzusehen, so erhält man einen Begriff, wie weit sie in Flüchtlingssachen die Grenzen des Erlaubten zieht.

Wenn daher das Departement die Internirung der französischen Flüchtlinge für gerechtfertigt und nothwendig erachtet, so scheint dieses einstweilen noch nicht der Fall zu seyn mit den italienischen, besondere Maassregeln gegen Mazzini und ähnliche Personen Vorbehalten. Denn die Italiener haben nicht die erforderlichen Anhaltspunkte in Frankreich, um diesem Staate gefährlich seyn zu können, auch ist ihre Tendenz natürlich mehr gegen Italien gerichtet.

Noch kommt ein ökonomischer Gesichtspunkt in Betrachtung. Wenn Genf die französischen Flüchtlinge aufnahm, so geschah es auf seine Rechnung. Werden dieselben aber von Bundeswegen internirt, so können wohl die ändern Kantone die sie sonst nicht aufnehmen würden, verlangen, dass sie auf die eidgenössischen Unterstützungsetats aufgenommen werden. Es lässt sich indes annehmen, dass ein ziemlicher Theil die erforderlichen Subsistenzmittel besitze und insofern dürfte dann der Zuwachs der Last nicht bedeutend seyn. Auch versteht sich von selbst, dass im entgegengesetzten Fall andere Maassregeln Vorbehalten bleiben, z. B. die Wegweisung von minder gravirten Personen, die sich nicht erhalten können. Denn die Schweiz kann unmöglich das Asylrecht so weit ausdehnen, ganze Haufen von Flüchtlingen aus allen Ländern auf die Dauer zu erhalten.

Daher schlägt das Departement vor:

die Regierung von Genf einzuladen, die französischen Flüchtlinge zu interniren und einen Etat derselben einzusenden.

2. Mittheilung an die französische Gesandtschaft.

3. Gleichzeitiges Begehren, die Internirung des Bischof Marilley zu verlangen7.

1
E 21/48.
2
Note du Ministre de France à Berne, Ch. de Reinhard, au Conseil fédéral du 6 août 1849 (non reproduite).
3
Le 20 août 1849 (non reproduite).
4
Lettre au Conseil fédéral du 9 août 1849 (non reproduite).
5
Note du 23 août 1849, transmise par Reinhard le 3 septembre 1849 (non reproduite).
6
Cf. note 3.
7
Ces propositions furent adoptées par le Conseil fédéral le 10 septembre 1849 (E 1004 1/3 no 2591). Cf. la lettre au Conseil d’Etat de Genève du 12 septembre 1849 (E 1004 1/3 no 2625). Sur l’affaire Marilley, évêque de Lausanne et Genève, démis de ses fonctions, interné puis expulsé de Suisse, cf. E 22/1668.