Am 24. Mai 1974 fand am Sitz der Nationalbank Bern eine Besprechung zwischen Vertretern interessierter Bundesstellen über die Frage eines allfälligen Beitritts der Schweiz zum IWF statt. [… 3 Es wird vorweg vereinbart, dass sich die Gesprächsteilnehmer in ihrem persönlichen Namen aussprechen. Zur Diskussion steht der Bericht der Finanzverwaltung und der Nationalbank vom 9. Januar 19744 .
Aus den einzelnen Voten halten wir folgende Passagen fest:
Herr Hay: Dass wir in der Vergangenheit dem IWF nicht angehörten, hat uns keine eigentlichen Nachteile beschert, wenigstens solange die Zehner-Gruppe funktionierte. Jetzt sind wir allerdings von den wichtigsten Gesprächen über die Währungsreform ausgeschlossen. Wir haben anfangs der sechziger Jahre den Beitritt verpasst. Seit 1971 haben sich auf dem Währungssektor fundamentale Änderungen eingestellt: Die zukünftige Ordnung wird ein «managed system» sein. Da sich auch die Position der Schweiz innerhalb des Währungssystems grundlegend gewandelt hat, erweist sich das Abseitsstehen unseres Landes auf die Länge geradezu absurd. Die einzige Frage ist, ob –- angesichts des Bundesbudgetdefizits –- der Beitritt gerade im jetzigen Zeitpunkt opportun sei.
Herr Jolles: Nachdem die handels- und währungspolitischen Beziehungen mehr und mehr zusammenfallen, haben wir durch unser Abseitsstehen im IWF bereits unser handelspolitisches Mitspracherecht teilweise verloren. Herr Jolles gibt zu bedenken, dass auch ein Fernbleiben bei der heutigen veränderten Lage zu neuen Auswirkungen führt. Die Schlussfolgerungen des Berichts dürfen deshalb nicht derart negativ sein, dass er von vornherein auf die lange Bank geschoben wird. Die zu erwartenden Risiken und Vorteile bei einem Beitritt, aber auch bei einem Nichtbeitritt, sind erneut von Grund auf zu überprüfen.
Herr Languetin weist darauf hin, dass die Reform jetzt permanent ist und man keine endgültige Lösung erwarten darf. Vor allem müssen wir uns überlegen, wie wir uns den zukünftigen Funktionen des Weltwährungssystems gegenüber verhalten werden, von denen unter anderem zu erwähnen sind: – Koordinierung der Wechselkurspolitik – Interventionen bei den Kapitalbewegungen – Zusammenarbeit mit den Überschussländern – Finanzierung der Defizite – Schaffung von Liquiditäten – Beziehungen zur Weltbank5 und zu den Entwicklungsländern – Anpassungsprozess – Schutzklauseln – Entscheidungsgremien wie z. B. OECD Arbeitsgruppe III6.
Herr Bieri drängt darauf, dass der Bericht fertiggestellt wird, wehrt sich aber dagegen, dass Elemente aufgenommen würden, die nicht die Meinung seines Departements wiedergeben. Anderslautende Stellungnahmen sollten in Mitberichten Erwähnung finden.
Im übrigen müsste für einen Beitritt die Bedingung gelten, dass unserem Land ein Sitz im Interimsausschuss der IWF Gouverneure (Minister) zu gewiesen würde.
Herr Müller glaubt, dass man in der Vergangenheit durch das Fernbleiben nichts verpasst hat. Für die unmittelbare Zukunft ist vom Interimsausschuss kaum Entscheidendes zu erwarten. Offen bleibt die Frage für die spätere Zukunft, d. h. wenn einmal die Sonderziehungsrechte und die Anpassungsmechanismen voll zum Zuge kommen.
Bei der gegenwärtigen Finanzlage des Bundes wird es schwierig sein, das «Eintrittsgeld» aufzutreiben. Da längerfristige Verpflichtungen eingegangen werden, muss auch mit der Unterstellung unter das Referendum gerechnet werden.
Herren Lademann und Ehrsam: Da kein geschlossenes Währungssystem in Sicht ist, dürfte es schwierig sein, sich im jetzigen Zeitpunkt für einen Beitritt auszusprechen, umso mehr als die finanziellen und institutionellen Auswirkungen sehr weit gehen können. Eine entsprechende Vorlage dürfte im Parlament auf grossen Widerstand stossen.
Herr Zwahlen: Nachdem seit längerer Zeit dem Bundesrat zu diesem Thema kein Bericht mehr unterbreitet worden ist7, ist die Fertigstellung des vorliegenden Entwurfs umso dringender. Die Frage eines Beitritts ist in der Vergangenheit ausschliesslich von internen und finanziellen Gesichtspunkten aus, nicht aber vom aussenpolitischen Standpunkt aus, untersucht worden. Wir müssen auch abklären, warum wir allen Spezialinstitutionen, nicht aber dem IWF, beigetreten sind.
Der IWF hat sich seit seiner Gründung wesentlich verändert (Entwicklungsländer, Ostländer). Die jetzt in Angriff genommene Minireform wird eventuell doch eine grössere Bedeutung annehmen als man bisher glaubte. Vielleicht wird sich die regionale These durchsetzen, wonach die Industrie-, die erdölproduzierenden und die Entwicklungsländer verschiedene Pflichten zu übernehmen haben. Es ist kaum anzunehmen, dass wir von vornherein einen Sitz im Interimsausschuss der IWF Gouverneure erhalten werden.
Das Abseitsstehen hat auch dazu geführt, dass wir in der Schweiz über sehr wenig Währungsspezialisten verfügen.Schlussfolgerungen
Auf Antrag von Herrn Botschafter Jolles sollte der Antrag des EFZD8 bereits einen Konsens für die Lagebeurteilung und Klarheit bei den technischen Fragen enthalten. Auch die grundsätzlichen Erwägungen sollten erwähnt sein. Dagegen ist es den übrigen Departementen überlassen, in Ermessensfragen die Akzente zu setzen. Die Schlussfolgerungen müssen jedenfalls nuancierter sein als im jetzigen Entwurf. Das Ziel soll sein, dass sich die politischen Instanzen aktiv mit der Materie befassen9.