dodis.ch/38439 Notiz der politischen Abteilung II an die Direktion für Völkerrecht des Politischen Departements1

ENTWURF ZU EINEM AUSLÄNDERGESETZ2

Wir beziehen uns auf Ihre Notiz vom 16. Juli 19753 in dieser Angelegenheit und möchten uns wie folgt äussern:

Wie Sie richtig feststellen, ist es besonders der Sachbereich «Politische Tätigkeit der Ausländer», insofern dadurch die äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft gefährdet werden könnte, der potentiell Zuständigkeiten des EPD tangiert.

Wir begrüssen grundsätzlich die in Artikeln 67–70 des Entwurfs vorgesehene neue Regelung der Materie, und insbesondere die Gleichstellung der Flüchtlinge mit den andern Ausländern; sie entspricht einem Postulat, das die Politische Abteilung II in ihren Ausführungen zum «Problemkatalog für die Richtlinien der Regierungspolitik 1975–1979» formuliert hat («… Unter dem Gesichtpunkt Innere Sicherheit (Ziffer 215) wäre wünschbar, wenn die zuständigen Stellen Richtlinien bearbeiten könnten, nach denen die politische Tätigkeit demokratisch gesinnter Flüchtlinge in der Schweiz zwar nach wie vor den Forderungen unserer Neutralität- und Nichteinmischungs-Politik untergeordnet wird, anderseits aber auch die liberalen Grundsätze der schweizerischen Meinungsfreiheit beachtet werden.»). Die neue Regelung ist nicht nur liberaler, sondern sie enthebt die Bundesbehörden auch verschiedener Verantwortlichkeiten, die sie bisher – im Gefolge von hier nicht zu Diskussion stehenden, z. T. weit zurückliegenden Massnahmen und Entwicklungen – auf sich genommen hatten. Wegen der bei uns traditionell streng zu beachtenden Trennung zwischen offizieller Aussenpolitik und privaten Äusserungen zu aussenpolitischen Themen standen ihnen solche Funktionen einerseits nicht wohl zu, anderseits bescherten sie ihnen auch immer wieder unwillkommene «Haftpflicht-Ansprüche» und überhaupt schmälerten sie ihren legitimen und autonomen Handlungs- und Entscheidungsspielraum in dieser Materie.

Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass der vorliegende Entwurf in einigen Bereichen legiferiert, die direkt oder indirekt an aussenpolitische Belange angrenzen. Hier besteht natürlich für das EPD, d. h. die Behörde, welche die Aussenpolitik des Bundesrates durchführt, trotzdem eine gewisse Verantwortung. Sie könnte es u. E. als angezeigt erscheinen lassen, dass die Pflicht für die jeweils federführende Behörde stipuliert würde, das EPD bei jenen Entscheiden zu konsultieren oder zumindest zu informieren, welche potentiell aussenpolitische Rückwirkungen zeitigen könnten. Um den Bundesbehörden, und vor allem unserem Departement, den eingangs erwähnten Spielraum in Entscheiden und Reaktionen zu erhalten, würden wir allerdings vorziehen, dass dieses Recht, konsultiert bzw. informiert zu werden, nicht im Gesetzestext selbst, sondern höchstens in der Ausführungsverordnung (oder noch besser auf dem Weg interner Briefwechsel zwischen den kompetenten Departementen und dem EPD) festgehalten würde. Die Formulierung sollte, wieder aus demselben, oben erwähnten Grund, elastisch-umfassend sein, so dass wir zwar nötigenfalls die Möglichkeit, nie aber die Pflicht zur Stellungnahme hätten.

Wir denken vor allem an folgende drei Bereiche, wo eine solche Konsultation bzw. Information angezeigt wäre: – Einreise bzw. Zurückweisung oder Ausweisung von Ausländern, wenn eine

Gefährdung der äussern Sicherheit der Eidgenossenschaft vorauszusehen

ist. Wir denken z. B. an die Einreise von Angehörigen schweizerischerseits

nicht anerkannter Staaten4, von militanten Befreiungsorganisationen,

militanten Oppositionsgruppen im Exil o. ä. Selbstverständlich hätte das

Recht, konsultiert zu werden, in erster Linie den Sinn, dass wir rechtzeitig

erfahren, wer jeweils in die Schweiz kommen will, wobei wir nur in wirklich

gravierenden, direkte negative Auswirkungen zeitigenden Fällen eine

negative Stellungnahme abgeben sollten. – Postulat der Erreichung eines «ausgewogenen Verhältnissses» zwischen

schweizerischer und ausländischer Wohnbevölkerung. In Fällen, in welchen

eine ausländische Regierung in allfälligen in diesem Sinne getroffenen einschränkenden Massnahmen der Schweiz eine Beeinträchtigung vermeintlicher

«wohlerworbener Rechte» von Gastarbeitern ihrer Nationalität in unserem

Land erblicken könnte, hätte die Konsultation vor allem den Zweck, die

Möglichkeit irgendwelcher ausländischer Retorsionsmassnahmen gegen

schweizerische Interessen auf anderen Sektoren abzuschätzen. Da die

grössten Gastarbeiterkontingente5 aus Staaten stammen, die in die Kompetenz der Politischen Abteilung I fallen, möchten wir uns hier nicht weiter

auslassen und es bei dieser Anregung belassen. – Politische Tätigkeit von Ausländern in der Schweiz6. Hier möchten wir, aus

den eingangs erwähnten Gründen, die Konsultation praktisch ausschliesslich

als Information über das verstanden wissen, was sich in diesem Bereich tut.

Allfällige negative Stellungnahmen wären wirklich nur für extreme Fälle

vorbehalten. Zu verhindern wäre m. a. W. nicht jede politische Aktivität

gegen ein ausländisches Ziel, sondern nur dann, wenn durch sie wesentliche

schweizerische Interessen im betroffenen Ausland konkret gefährdet sind,

also nicht nur ein Risiko dazu besteht.

1
Notiz: CH-BAR#E2001E-01#1987/78#554* (B.41.10.1). Verfasst von H. Kaufmann und unter zeichnet von J. Iselin.
2
Für das Gesetz von 1931 vgl. Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931, BS, 1, S. 121–130. Zum Entwurf eines neuen Gesetzes vgl. die Notizen von M. Krafft vom 3. Juli 1974, dodis.ch/38435 und vom 12. Juli 1974, dodis.ch/38437; den Bericht der Eidg. Konsultativkommission für das Ausländerproblem vom 27. Januar 1975, dodis.ch/38438 sowie das Schreiben von E. Thalmann an G. Solari vom 19. August 1975, dodis.ch/38440.
3
Notiz von B. Dumont vom 16. Juli 1975, dodis.ch/40817.
4
Vgl. dazu das DDS, Bd. 26, Dok. 41, dodis.ch/37698.
5
Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 86, dodis.ch/38402, bes. Anm. 2, 3 und 4.
6
Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 94, dodis.ch/38488.