[dodis.ch/41166](https://dodis.ch/41166)Le Commissaire fédéral dans le Canton du Tessin, E. Bourgeois-Doxat, au Président de la Confédération, W. NaeffE 2/354. Lugano,3. März 1853Ich habe mir bisher alle Mühe gegeben zu untersuchen, in welcher Beziehung sowohl die Bevölkerung von Tessin als insbesondere dessen Regierung zu den jüngsten Ereignissen in der Lombardie gestanden haben möchte, und ob und inwiefern den tessinischen Behörden Handlungen oder Unterlassungen zur Last gelegt werden könnten, welche den Vorwurf der Vernachlässigung der internationalen Pflichten oder gar der Betheiligung an den fraglichen Vorgängen – wie es von Seite Österreichs gemacht werden will – zu begründen vermöchten. Allein, soweit ich mit meiner Untersuchung gediehen bin, habe ich bis zur Stunde noch nichts entdecken können, was einen solchen Vorwurf auch nur von ferne rechtfertigen könnte; vielmehr scheint die tessinische Regierung wirklich im vorliegenden Fall alles, was unter Umständen möglich war, gethan zu haben, um ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, und wenn die österreichischen Blätter sogar zu behaupten wagen, dass die Aufstellung von tessinischen Truppen zur Unterstützung der Revolution stattgefunden habe, so ergiebt sich gegentheils auf unzweifelhafte Weise, dass diese Truppenaufstellung zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Verhütung einer Betheiligung vom Tessin aus angeordnet worden. Ebensowenig habe ich aber auch in Erfahrung gebracht, dass eine solche Betheiligung von Seite der tessinischen Bevölkerung stattgefunden habe, vielmehr ergiebt sich aus allem, dass diese sich vollkommen ruhig verhalten, und den allerdings versuchten Verführungen widerstanden ist.
Wenn ich dieses, als das Ergebnis meiner bisherigen Nachforschungen, erkläre und hoffe, dass es sich auch durch meine fernem Untersuchungen bestätigen werde, so glaube ich dagegen, Sie jetzt schon auf einen Umstand aufmerksam machen zu sollen, der bei Beurtheilung der obschwebenden Frage nicht ausser Acht gelassen werden darf, mehr aber noch für die Zukunft von Wichtigkeit ist, sofern der Kanton Tessin und die Schweiz gegen die Wiederkehr solcher ernster Verwicklungen geschützt werden soll. Ich meine die Fremdenpolizei, die im Allgemeinen, abgesehen selbst von der Überwachung politischer Flüchtlinge, im Kanton Tessin sehr nachlässig gehandhabt wird.
Von einer regelmässigen und genauen Controlirung der Fremden ist nämlich und war von jeher in diesem Landestheile keine Rede; dieselben kommen und gehen, bleiben kürzere oder längere Zeit, ohne dass strenge nach Ausweisschriften gefragt wird, und so kommt es denn, dass im ganzen Lande zerstreut eine grosse Anzahl Fremder sich befindet, die nicht als solche aufgezeichnet sind, und im Volke vielleicht nicht einmal als solche erkannt werden. Denn Tessiner und Lombarden haben in Sprache, Sitten und Kleidung so viel miteinander gemein, dass der Lombarde, der sich unter Tessinern aufhält, kaum von diesen unterschieden werden kann. Ich bin aber überzeugt, dass sich gewiss unter der Zahl jener nicht kontrolirter Fremder auch viele befinden, die in die Kathegorie der Flüchtlinge oder Deserteurs gehören, und von denen die Behörden somit keine Kenntnis haben. Dass ich mich hierin nicht täusche, wird die nunmehr in allen Distrikten angeordnete neue Aufzeichnung der Flüchtigen demnächst herausstellen.
Eben weil nun aber die Fremdenpolizei im Kanton Tessin bisher gleichsam landesüblich so vernachlässigt war, so muss man um so mehr die von den tessinischen Behörden bei Anlass der letzten Ereignisse getroffenen Massregeln, – wenn diese auch unter ändern Umständen und bei strengem Polizeieinrichtungen als nicht ungewöhnlich erschienen – anerkennen, und daraus um so mehr die Überzeugung schöpfen, dass die Regierung Tessins wirklich den ernsten Willen gehabt habe, feindselige Unternehmungen gegen einen Nachbarstaat auf ihrem Gebiet zu verhindern. Anderseits aber ist eben so klar, dass wenn für die Zukunft ähnlichen Verwicklungen vorgebeugt werden soll, vor allem durch Einführung und Handhabung einer geregelten Fremdenpolizei dafür gesorgt werden muss, dass in diesem Grenzkanton die Anhäufung fremder, unruhiger, die der Gastfreundschaft schuldigen Rücksichten missachtender Elemente in der Weise, wie bis anhin geschehen, nicht mehr stattfinden kann.
Ich glaubte Sie, Herr Bundespräsident, auf dieses Verhältnis besonders aufmerksam machen zu sollen, theils weil es, wie schon gesagt, zur Würdigung der obschwebenden Fragen von Wichtigkeit ist, theils aber auch deswegen, weil sich wohl der hohe Bundesrath veranlasst finden dürfte, bei der Regierung des Kantons Tessin dahin zu wirken, dass hinsichtlich der Fremdenpolizei die zweckdienlichen Massnahmen getroffen und dann aber auch mit Consequenz und Energie durchgeführt werden. Wie es nämlich zumeist an entschiedener Durchführung mangelt, geben unter anderm die Flüchtlinge Mosker und Consorten ein schlagendes Beispiel, welche, von der Regierung Tessins ausgewiesen, immer noch im Lande blieben, so wie man auch von Pistrucci, Dall’Ongaro und ändern Ausgewiesenen nicht weiss, ob sie wirklich den Kanton verlassen haben.