Helsinki-Schlussakte der KSZE von 1975

«Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ist mit der feierlichen Unterzeichnung der Schlussakte in Helsinki am 1. August dieses Jahres nicht beendet», heisst es in einem Kreisschreiben des Eidgenössischen Politischen Departements EPD (heute EDA) vom Oktober 1975, «ja, in mancher Beziehung fängt sie jetzt erst richtig an» (dodis.ch/38875). Trotzdem: Es war ein Meilenstein europäischer Geschichte, der damals erreicht wurde. Für die Schweiz war es eine entscheidende Etappe ihrer aussenpolitischen Öffnung.

Anfängliche Skepsis

1969, als die Staaten des Ostblocks zum widerholten Mal die Idee einer gesamteuropäischen Sicherheitskonferenz lancierten, gab sich die helvetische Diplomatie zwar interessiert, jedoch skeptisch. Eine Arbeitsgruppe des EPD war der Meinung, bezüglich des Projekts sei «eine gewisse Zurückhaltung von offizieller Seite angebracht» (dodis.ch/32405). Ab den 1970er Jahren entfaltete das EPD dann jedoch eine rege Besuchsdiplomatie – Generalsekretär Ernesto Thalmann sprach etwas despektierlich von «diplomatischem Tourismus» – um sich mit West und Ost über die Möglichkeiten und Ziele des Konferenzprojekts auszutauschen (dodis.ch/34494 und dodis.ch/34496).

Beginn der KSZE

Im November 1972 begannen in Helsinki die Vorverhandlungen zur KSZE. Der Bundesrat hatte sich für eine Teilnahme der Schweiz entschieden (dodis.ch/34487). «Stünde unser Land abseits», heisst es in einem Positionspapier des EPD, «widerspräche dies den fundamentalen Regeln seiner Politik der Neutralität und Solidarität, der Offenheit und Zusammenarbeit» (dodis.ch/34499, Original französisch). In Helsinki kristallisierte sich heraus, dass es der UdSSR vornehmlich darum ging, den territorialen Status quo in Osteuropa und die sowjetische Dominanz zu bestätigen. Dagegen bemühten sich die westlichen Staaten um Konzessionen Moskaus im Bereich der Menschenrechte. Bereits in dieser Phase brachte sich die Schweiz nicht nur als aktive Teilnehmerin sondern auch als Vermittlerin ein (dodis.ch/38816).

Zähe Verhandlungen in Genf

Im September 1973 begannen auf Grundlage der in Helsinki verfassten Arbeitspapiere die eigentlichen Verhandlungen in Genf. Zusammen mit den neutralen und nicht-alliierten Staaten Europas (Gruppe der N+N) nahm hier die Schweiz eine zentrale Rolle ein. Sie portierte eigene Vorschläge und schnürte Kompromisspakete, um zwischen den gegenläufigen Positionen in Ost und West zu vermitteln (dodis.ch/38848 und dodis.ch/38858). Immer wieder drohte ein Abbruch oder Stillstand der multilateralen Gespräche. Das zähe diplomatische Kräfteringen um eine gemeinsame Schlussakte dauerte bis im Juli 1975 an.

Die Unterschrift von Helsinki

Am 1. August 1975 unterzeichneten die 35 Staats- und Regierungschefs fast aller europäischer Länder sowie der USA und Kanadas in Helsinki die KSZE-Schlussakte. Für die Schweiz war Bundespräsident und EPD-Vorsteher Pierre Graber in die finnische Hauptstadt gereist. Die Resultate der KSZE bedeuteten «zugleich wenig und viel», hielt er in seiner Ansprache fest: «Wenig, wenn man sie nur isoliert und als Endpunkt einer langen und schwierigen Übung betrachtet», so Graber, «Viel, wenn sie das Vorzeichen und das Versprechen einer wirklich neuen Ära in den internationalen Beziehungen wären» (dodis.ch/38867).

Der Weg zur OSZE

Tatsächlich markierte der 1. August 1975 auch den Beginn eines langen Prozesses. Auf den KSZE-Folgetreffen in Belgrad (1977–78), Madrid (1980–83) und Wien (1986–89) wurden unter wechselvollen Vorzeichen die Umsetzung und Erweiterung der Bestimmungen aus der Schlussakte von 1975 verhandelt. Der Zusammenbruch der kommunistischen Systeme in Osteuropa leitete eine Institutionalisierung ein, die 1995 zur Umbenennung der KSZE in Organisation für die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) führte. Diese wurde 1996 und 2014 von der Schweiz präsidiert.

Alle bisher veröffentlichten Dokumente zur KSZE auf der Online-Datenbank Dodis finden sich unter dem Permalink: dodis.ch/T983.