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Der Erste Weltkrieg auf Dodis

«Hie wo! Glauben Sie, dass die Grossmächte sich werden wegen dieser Lokalfrage schlagen wollen?» Mit diesen Worten beantwortete Unterstaatssekretär Arthur Zimmermann vom deutschen Auswärtigen Amt am 20. Juli 1914 die Anfrage des schweizerischen Gesandten Alfred de Claparède über einen allfälligen Kriegsausbruch (DDS, Bd. 6, Dok. 3, dodis.ch/43278). Nur acht Tage später erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg, in einer Kettenreaktion weitete sich der Konflikt innert Tagen auf ganz Europa aus. Am Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo hatte sich der Erste Weltkrieg entzündet.

Pünktlich zum Jahrestag des Kriegsausbruchs

Bis anhin lag die erste Serie der Reihe «Diplomatische Dokumente der Schweiz» zu den Jahren 1848 bis 1945 nur in Buchform und als Retrodigitalisat vor. Neu werden die transkribierten und mit Anmerkungen versehenen Dokumente aus den älteren DDS-Bänden systematisch in die Datenbank Dodis integriert. Pünktlich zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs ist nun der 1981 veröffentlichte Band 6 über die Zeit vom 28. Juni 1914 bis zum 11. November 1918 nach Themengebieten, Personen und geografischen Orten indexiert worden und auf dodis.ch/1914-1918 abrufbar. Die als PDF online verfügbaren Schriftstücke von Bundesrat, Militär und Verwaltung, der Gesandtschaften, aber auch privater Initianten bieten Einblicke in die Aussenbeziehungen der Schweiz während des Ersten Weltkrieges. Die folgende Übersicht zeigt das breite Themenspektrum, das die insgesamt 470 Dokumente abdecken.

Militärische Bedrohungslagen

Zur Sicherung der Grenzen verfügte der Bundesrat schon am 31. Juli 1914 die Mobilmachung der Armee (Dok. 11, dodis.ch/43286). Bemerkenswerterweise sah die militärische Führung im ersten Kriegsjahr im italienischen Irredentismus die grösste Gefahr für die territoriale Integrität der Schweiz (Dok. 30, dodis.ch/43305). Beim Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 empfand Generalstabschef Theophil Sprecher von Bernegg die Situation sogar als gefährlicher als im August 1914 (Dok. 121, dodis.ch/43396). Je deutlicher sich das Patt an der Westfront abzeichnete, desto mehr rückten Befürchtungen ins Zentrum, die Kriegsparteien könnten auf der Suche nach einem entscheidenden Sieg neue Wege durch die Schweiz suchen (Dok. 168, dodis.ch/43443; Dok. 169, dodis.ch/43444 und Dok. 252, dodis.ch/43527).

«Unsere Vorräte an Lebensmittel sind beinahe erschöpft»

Bald machte sich die geografische Lage der Schweiz auch ökonomisch bemerkbar. Fragen des Handels und der Versorgung sollten für die nächsten vier Jahre eine der obersten Prioritäten darstellen. Durch das britische Handelsembargo (Dok 59, dodis.ch/43334 und Dok. 62, dodis.ch/43337), später durch den uneingeschränkten deutschen U-Boot-Krieg (Dok. 270, dodis.ch/43545) geriet die Schweiz immer mehr in Versorgungsengpässe (Dok.123, dodis.ch/43398 und Dok. 394, dodis.ch/43669). «Unsere Vorräte an Lebensmittel sind beinahe erschöpft», schrieb der Genfer Universitätsprofessor William Rappard an einen mit ihm befreundeten US-Diplomaten: «Unsere täglichen Rationen liegen weit unter denjenigen der kriegführenden Ländern.» (Dok. 379, dodis.ch/43654; Original englisch).

Neutralitätspolitik auf Bewährung

Verschiedene Faktoren zwangen den Bundesrat wiederholt, die Neutralität der Schweiz gegenüber dem Ausland zu verteidigen. Vorfälle wie die Obersten-Affäre (Dok. 166, dodis.ch/43441) oder die Hoffmann-Grimm-Affäre (Dok. 326, dodis.ch/43601) sorgten bei den kriegführenden Regierungen für Verstimmungen. Bedenken über die Pläne der Gegenseite (Durchmarsch durch die Schweiz) veranlassten die Entente-Mächte Ende 1917 gar zur Formulierung von Vorbehalten gegenüber der Anerkennung der Neutralität, gegen die der Bundesrat ausdrücklich protestierte (Dok. 364, dodis.ch/43638; Dok. 365, dodis.ch/43535 und Dok. 367, dodis.ch/43642).

Ein Gespenst geht um…

Das letzte Kriegsjahr stand unter dem Eindruck der Oktoberrevolution in Russland (Dok. 355, dodis.ch/43630) und der verschärften gesellschaftlichen Konflikte in der Schweiz. Berichte über Gräueltaten der Bolschewiki (Dok. 456, dodis.ch/43731), verbunden mit agitatorischen Tätigkeiten einer diplomatischen Sowjetmission in Bern (Dok. 462, dodis.ch/43737), nährten die Ängste der Behörden – nicht nur in der Schweiz. So liessen die Entente-Staaten dem Gesandten in Rom, Georges Wagnière, mitteilen, dass sie im Falle revolutionärer Unruhen auch in die inneren Angelegenheiten der Schweiz einzugreifen bereit seien (Dok. 464, dodis.ch/43739). Bei Ausbruch des Landesstreiks am 11. November 1918 sah sich der Bundesrat deshalb genötigt, sich präventiv gegen jede Einmischung zu verwahren (Dok. 470, dodis.ch/43745).

Drehscheibe humanitärer Aktionen

Immer wieder tat sich die Schweiz auf humanitärem Gebiet hervor. Nachdem 1914 die Rückführung internierter Zivilpersonen aus dem feindlichen Ausland in ihr Heimatland unter Mithilfe der Schweiz organisiert worden war (Dok. 51, dodis.ch/43326), vermittelte der Bundesrat Anfang 1915 den Austausch schwer verwundeter gefangener Soldaten zwischen Deutschland und Frankreich (Dok. 82, dodis.ch/43357 und Dok. 86, dodis.ch/43361). Ab 1916 wurden kranke und weniger schwer invalide Kriegsgefangene zu Erholungszwecken auf schweizerischem Boden interniert (Dok. 120, dodis.ch/43395 und Dok. 209, dodis.ch/43484). Auch der Frage des Völkerbundes als künftige friedenssichernde Staatenordnung widmete sich die Regierung ausführlich (Dok. 432, dodis.ch/43707).

07. 07. 2014